Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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des Begriffes der Vernunft«, die andere, »Ueber den gegenseitigen Einfluß von Vernunft und Sprache«. Wenn man dagegen liest, wie in der neuesten Zeit, durch den Einfluß des Kantischen Fehlers, der sich nachher lawinenartig vergrößert hat, von der Vernunft geredet wird; so ist man genöthigt anzunehmen, daß sämmtliche Weisen des Alterthums, wie auch alle Philosophen vor Kant, ganz und gar keine Vernunft gehabt haben: denn die jetzt entdeckten unmittelbaren Wahrnehmungen, Anschauungen, Vernehmungen, Ahndungen der Vernunft sind ihnen so fremd geblieben, wie uns der sechste Sinn der Fledermäuse ist. Was übrigens mich betrifft, so muß ich bekennen, daß ich ebenfalls jene das Uebersinnliche, das Absolutum, nebst langen Geschichten, die sich mit demselben zutragen, unmittelbar wahrnehmende, oder auch vernehmende, oder intellektual anschauende Vernunft mir, in meiner Beschränktheit, nicht anders faßlich und vorstellig machen kann, als gerade so, wie den sechsten Sinn der Fledermäuse. Das aber muß man der Erfindung, oder Entdeckung, einer solchen Alles was beliebt sogleich unmittelbar wahrnehmenden Vernunft nachrühmen, daß sie ein unvergleichliches expédient ist, um allen Kanten mit ihren Vernunftkritiken zum Trotz sich und seine fixirten Favoritideen auf die leichteste Weise von der Welt aus der Affäre zu ziehn. Die Erfindung und die Aufnahme, welche sie gefunden, macht dem Zeitalter Ehre.

      Wenn gleich also das Wesentliche der Vernunft (to logimon, hê phronêsis, ratio, raison, reason) von allen Philosophen aller Zeiten im Ganzen und Allgemeinen richtig erkannt, obwohl nicht scharf genug bestimmt, noch auf einen Punkt zurückgeführt wurde; so ist hingegen was der Verstand (nous, dianoia, intellectus, esprit, intellect, understanding) sei, ihnen nicht so deutlich geworden; daher sie ihn oft mit der Vernunft vermischen und eben dadurch auch zu keiner ganz vollkommenen, reinen und einfachen Erklärung des Wesens dieser gelangen. Bei den Christlichen Philosophen erhielt nun der Begriff der Vernunft noch eine ganz fremdartige Nebenbedeutung, durch den Gegensatz zur Offenbarung, und hievon ausgehend behaupten dann Viele, mit Recht, daß die Erkenntniß der Verpflichtung zur Tugend auch aus bloßer Vernunft, d.h. auch ohne Offenbarung, möglich sei. Sogar auf Kants Darstellung und Wortgebrauch hat diese Rücksicht gewiß Einfluß gehabt. Allein jener Gegensatz ist eigentlich von positiver, historischer Bedeutung und daher ein der Philosophie fremdes Element, von welchem sie frei gehalten werden muß.

      Man hätte erwarten dürfen, daß Kant in seinen Kritiken der theoretischen und praktischen Vernunft ausgegangen seyn würde von einer Darstellung des Wesens der Vernunft überhaupt, und, nachdem er so das Genus bestimmt hätte, zur Erklärung der beiden Species geschritten wäre, nachweisend, wie die eine und selbe Vernunft sich auf zwei so verschiedene Weisen äußert und doch, durch Beibehaltung des Hauptcharakters, sich als die selbe beurkundet. Allein von dem allen findet sich nichts. Wie ungenügend, schwankend und disharmonirend die Erklärungen sind, die er in der Kritik der reinen Vernunft von dem Vermögen, welches er kritisiert, hin und wieder beiläufig giebt, habe ich bereits nachgewiesen. Die praktische Vernunft findet sich schon in der Kritik der reinen Vernunft unangemeldet ein und steht nachher, in der ihr eigens gewidmeten Kritik, als ausgemachte Sache da, ohne weitere Rechenschaft und ohne daß der mit Füßen getretene Sprachgebrauch aller Zeiten und Völker, oder die Begriffsbestimmungen der größten früheren Philosophen ihre Stimmen erheben dürfen. Im Ganzen kann man aus den einzelnen Stellen abnehmen, daß Kants Meinung dahin geht: das Erkennen von Principien a priori sei wesentlicher Charakter der Vernunft: da nun die Erkenntniß der ethischen Bedeutsamkeit des Handelns nicht empirischen Ursprungs ist; so ist auch sie ein principium a priori und stammt demnach aus der Vernunft, die dann insofern praktisch ist. – Ueber die Unrichtigkeit jener Erklärung der Vernunft habe ich schon genugsam geredet. Aber auch hievon abgesehn, wie oberflächlich und ungründlich ist es, hier das einzige Merkmal der Unabhängigkeit von der Erfahrung zu benutzen, um die heterogensten Dinge zu vereinigen, ihren übrigen, grundwesentlichen, unermeßlichen Abstand dabei übersehend. Denn auch angenommen, wiewohl nicht zugestanden, die Erkenntniß der ethischen Bedeutsamkeit des Handelns entspringe aus einem in uns liegenden Imperativ, einem unbedingten Soll; wie grundverschieden wäre doch ein solches von jenen allgemeinen Formen der Erkenntniß, welche er in der Kritik der reinen Vernunft als a priori uns bewußt nachweist, vermöge welches Bewußtseins wir ein unbedingtes Muß zum Voraus aussprechen können, gültig für alle mögliche Erfahrung. Der Unterschied aber zwischen diesem Muß , dieser schon im Subjekt bestimmten nothwendigen Form des Objekts, und jenem Soll der Moralität, ist so himmelweit und so augenfällig, daß man das Zusammentreffen Beider im Merkmal der nichtempirischen Erkenntnißart wohl als ein witziges Gleichniß, nicht aber als eine philosophische Berechtigung zur Identificirung des Ursprungs Beider geltend machen kann.

      Uebrigens ist die Geburtsstätte dieses Kindes der praktischen Vernunft, des absoluten Solls oder kategorischen Imperativs, nicht in der Kritik der praktischen, sondern schon in der reinen Vernunft, S. 802; v, 830. Die Geburt ist gewaltsam und gelingt nur mittelst der Geburtszange eines Daher, welches keck und kühn, ja man möchte sagen unverschämt, sich zwischen zwei einander wildfremde und keinen Zusammenhang habende Sätze stellt, um sie als Grund und Folge zu verbinden. Nämlich, daß nicht bloß anschauliche, sondern auch abstrakte Motive uns bestimmen, ist der Satz, von dem Kant ausgeht, ihn folgendermaaßen ausdrückend: »Nicht bloß was reizt, d.i. die Sinne unmittelbar afficirt, bestimmt die menschliche Willkür; sondern wir haben ein Vermögen, durch Vorstellungen von dem, was selbst auf entferntere Art nützlich oder schädlich ist, die Eindrücke auf unser sinnliches Begehrungsvermögen zu überwinden. Diese Ueberlegungen von dem, was in Ansehung unsers ganzen Zustandes begehrungswerth, d. i. gut und nützlich, ist, beruhen auf der Vernunft.« (Vollkommen richtig: spräche er nur immer so vernünftig von der Vernunft!) »Diese giebt daher! auch Gesetze, welche Imperativen, d. i. objektive Gesetze der Freiheit sind und sagen was geschehn soll, ob es gleich vielleicht nie geschieht.« –! So, ohne weitere Beglaubigung, springt der kategorische Imperativ in die Welt, um daselbst das Regiment zu führen mit seinem unbedingten Soll, – einem Scepter aus hölzernem Eisen. Denn im Begriff Sollen liegt durchaus und wesentlich die Rücksicht auf angedrohte Strafe, oder versprochene Belohnung, als nothwendige Bedingung, und ist nicht von ihm zu trennen, ohne ihn selbst aufzuheben und ihm alle Bedeutung zu nehmen: daher ist ein unbedingtes Soll eine contradictio in adjecto. Dieser Fehler mußte gerügt werden, so nahe er übrigens mit Kants großem Verdienst um die Ethik verwandt ist, welches eben darin besteht, daß er die Ethik von allen Principien der Erfahrungswelt, namentlich von aller direkten oder indirekten Glücksäligkeitslehre frei gemacht und ganz eigentlich gezeigt hat, daß das Reich der Tugend nicht von dieser Welt sei. Dieses Verdienst ist um so größer, als schon alle alten Philosophen, mit Ausnahme des einzigen Plato, nämlich Peripatetiker, Stoiker, Epikureer, durch sehr verschiedene Kunstgriffe, Tugend und Glücksäligkeit bald nach dem Satz vom Grunde von einander abhängig machen, bald nach dem Satz vom Widerspruch identificiren wollten. Nicht minder trifft der selbe Vorwurf alle Philosophen der neuem Zeit, bis auf Kant. Sein Verdienst hierin ist daher sehr groß: jedoch fordert die Gerechtigkeit auch hiebei zu erinnern, daß theils seine Darstellung und Ausführung der Tendenz und dem Geist seiner Ethik oft nicht entspricht, wie wir sogleich sehn werden, theils auch, daß er, selbst so, nicht der allererste ist, der die Tugend von allen Glücksäligkeitsprincipien gereinigt hat. Denn schon Plato, besonders in der Republik, deren Haupttendenz eben dieses ist, lehrt ausdrücklich, daß die Tugend allein ihrer selbst wegen zu wählen sei, auch wenn Unglück und Schande unausbleiblich mit ihr verknüpft wäre. Noch mehr aber predigt das Christenthum eine völlig uneigennützige Tugend, welche auch nicht wegen des Lohnes in einem Leben nach dem Tode, sondern ganz unentgeltlich, aus Liebe zu Gott, geübt wird, sofern die Werke nicht rechtfertigen, sondern allein der Glaube, welchen, gleichsam als sein bloßes Symptom, die Tugend begleitet und daher ganz unentgeltlich und von selbst eintritt. Man lese Luther, De libertate Christiana. Ich will gar nicht die Inder in Rechnung bringen, in deren heiligen Büchern überall das Hoffen eines Lohnes seiner Werke als der Weg der Finsterniß geschildert wird, der nie zur Säligkeit führen kann. So rein finden wir Kants Tugendlehre doch nicht: oder vielmehr die Darstellung ist hinter dem Geiste weit zurückgeblieben, ja, in Inkonsequenz verfallen. In seinem nachher abgehandelten höchsten Gut finden wir die Tugend mit der Glücksäligkeit vermählt. Das ursprünglich so unbedingte Soll postulirt sich hinterdrein doch eine

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