Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer

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zur Historienmalerei: jene giebt das im Einzelnen, diese das im Allgemeinen Wahre: jene hat die Wahrheit der Erscheinung, und kann sie aus derselben beurkunden, diese hat die Wahrheit der Idee, die in keiner einzelnen Erscheinung zu finden, dennoch aus allen spricht. Der Dichter stellt mit Wahl und Absicht bedeutende Charaktere in bedeutenden Situationendar: der Historiker nimmt Beide wie sie kommen. Ja, er hat die Begebenheiten und die Personen nicht nach ihrer innern, ächten, die Idee ausdrückenden Bedeutsamkeit anzusehn und auszuwählen; sondern nach der äußern, scheinbaren, relativen, in Beziehung auf die Verknüpfung, auf die Folgen, wichtigen Bedeutsamkeit. Er darf nichts an und für sich, seinem wesentlichen Charakter und Ausdrucke nach, sondern muß alles nach der Relation, in der Verkettung, im Einfluß auf das Folgende, ja besonders auf sein eigenes Zeitalter betrachten. Darum wird er eine wenig bedeutende, ja an sich gemeine Handlung eines Königs nicht übergehn: denn sie hat Folgen und Einfluß. Hingegen sind an sich höchst bedeutungsvolle Handlungen der Einzelnen, sehr ausgezeichnete Individuen, wenn sie keine Folgen, keinen Einfluß haben, von ihm nicht zu erwähnen. Denn seine Betrachtung geht dem Satz vom Grunde nach und ergreift die Erscheinung, deren Form dieser ist. Der Dichter aber faßt die Idee auf, das Wesen der Menschheit, außer aller Relation, außer aller Zeit, die adäquate Objektität des Dinges an sich auf ihrer höchsten Stufe. Wenn gleich nun auch, selbst bei jener dem Historiker nothwendigen Betrachtungsart, das innere Wesen, die Bedeutsamkeit der Erscheinungen, der Kern aller jener Schaalen, nie ganz verloren gehn kann und wenigstens von Dem, der ihn sucht, sich noch finden und erkennen läßt; so wird dennoch Dasjenige, was an sich, nicht in der Relation, bedeutend ist, die eigentliche Entfaltung der Idee, bei weitem richtiger und deutlicher in der Richtung sich finden, als in der Geschichte, jener daher, so paradox es klingt, viel mehr eigentliche, ächte, innere Wahrheit beizulegen seyn, als dieser. Denn der Historiker soll der individuellen Begebenheit genau nach dem Leben folgen, wie sie an den vielfach verschlungenen Ketten der Gründe und Folgen sich in der Zeit entwickelt; aber unmöglich kann er hiezu alle Data besitzen, Alles gesehn, oder Alles erkundet haben: er wird jeden Augenblick vom Original seines Bildes verlassen, oder ein falsches schiebt sich ihm unter, und dies so häufig, daß ich glaube annehmen zu dürfen, in aller Geschichte sei des Falschen mehr, als des Wahren. Der Dichter hingegen hat die Idee der Menschheit von irgend einer bestimmten, eben darzustellenden Seite aufgefaßt, das Wesen seines eigenen Selbst ist es, was sich in ihr ihm objektivirt: seine Erkenntniß ist, wie oben bei Gelegenheit der Skulptur auseinandergesetzt, halb a priori: sein Musterbild steht vor seinem Geiste, fest, deutlich, hell beleuchtet, kann ihn nicht verlassen: daher zeigt er uns im Spiegel seines Geistes die Idee rein und deutlich, und seine Schilderung ist, bis auf das Einzelne herab, wahr wie das Leben selbst69. Die großen alten Historiker sind daher im Einzelnen, wo die Data sie verlassen, z.B. in den Reden ihrer Helden, Dichter; ja, ihre ganze Behandlungsart des Stoffes nähert sich dem Epischen: dies aber eben giebt ihren Darstellungen die Einheit, und läßt sie die innere Wahrheit behalten, selbst da, wo die äußere ihnen nicht zugänglich, oder gar verfälscht war: und verglichen wir vorhin die Geschichte mit der Porträtmalerei, im Gegensatz der Poesie, welche der Historienmalerei entspräche; so finden wir Winckelmanns Ausspruch, daß das Porträt das Ideal des Individuums seyn soll, auch von den alten Historikern befolgt, da sie das Einzelne doch so darstellen, daß die sich darin aussprechende Seite der Idee der Menschheit hervortritt: die neuen dagegen, Wenige ausgenommen, geben meistens nur »ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion«. – Wer also die Menschheit, ihrem innern, in allen Erscheinungen und Entwickelungen identischen Wesen, ihrer Idee nach, erkennen will, dem werden die Werke der großen, unsterblichen Dichter ein viel treueres und deutlicheres Bild vorhalten, als die Historiker je vermögen; denn selbst die besten unter diesen sind als Dichter lange nicht die ersten und haben auch nicht freie Hände. Man kann das Verhältniß Beider, in dieser Rücksicht, auch durch folgendes Gleichniß erläutern. Der bloße, reine, nach den Datis allein arbeitende Historiker, gleicht Einem, der ohne alle Kenntniß der Mathematik, aus zufällig vorgefundenen Figuren, die Verhältnisse derselben durch Messen erforscht, dessen empirisch gefundene Angabe daher mit allen Fehlern der gezeichneten Figur behaftet ist: der Dichter hingegen gleicht dem Mathematiker, welcher jene Verhältnisse a priori konstruirt, in reiner Anschauung, und sie aussagt, nicht wie die gezeichnete Figur sie wirklich hat, sondern wie sie in der Idee sind, welche die Zeichnung versinnlichen soll. – Darum sagt Schiller:

      »Was sich nie und nirgends hat begeben, Das allein veraltet nie.«

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