Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон
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Kap. XXXI. (§ 99.) Mögt Ihr also, mein Torquatus, Euch hier oder dorthin wenden, so werdet Ihr doch in diesem herrlichen Briefe Epikur's nichts finden, was mit seinen früheren Aussprüchen stimmte und passte. So widerspricht er sich selbst und seine Schriften werden von seiner Rechtlichkeit und seinem Charakter widerlegt. Jene Sorge für die Kinder, jenes Gedenken der Freunde und jene Liebe für sie, jene Einhaltung der höchsten Pflichten in den letzten Athemzügen zeugt von der diesem Philosophen angebornen uneigennützigen Rechtlichkeit, welche nicht widerwillig, erst durch die Lust und den Gewinn von Lohn erweckt zu werden braucht. Welches stärkere Zeugniss kann man dafür verlangen, dass das Sittliche und Rechte um seiner selbst willen zu begehren ist, als eine solche Pflichterfüllung vom sterbenden Epikur? (§ 100.) Allein so wie ich niesen Brief für lobenswerth halte, den ich fast wörtlich übersetzt habe, obgleich er mit den Hauptsätzen seiner Philosophie keineswegs zusammenstimmt, so meine ich, dass Epikur's Testament nicht blos mit dem Ernst eines Philosophen, sondern auch mit seinen Ansichten nicht stimmt. In seinem von mir erwähnten Buche sagt er bald ausführlich, bald kurz und bündig, »dass der Tod uns nichts angehe; denn was aufgelöst sei, sei ohne Gefühl, und was wir nicht fühlen, das sei überhaupt für uns gleichgiltig.« Er hätte dies schon genauer und besser ausdrücken können, denn der Satz: »was aufgelöst sei, sei ohne Gefühl« bezeichnet nicht klar den Gegenstand, der aufgelöst sein soll. (§ 101.) Indess kann man verstehn, was er will. Ich frage aber, wie kommt es, dass, wenn mit der Auflösung, d.h. mit dem Tode, alle Empfindung aufhört und das Uebrige überhaupt uns nichts angeht, er so sorgfältig und genau bestimmt und anordnet, »dass Amynomachos und Timokrates, seine Erben, nach des Hermarchos Bestimmung, so viel geben sollen, dass alljährlich sein Geburtstag im Monat Gamelion gefeiert werden könne; ebenso sollen sie jeden Monat am zwanzigsten Tage des Mondes beitragen zu einem Mahle für Die, welche mit ihm philosophirt haben, und in dieser Weise soll sein und des Metrodor Andenken gefeiert werden.« (§ 102.) Ich kann nicht leugnen, dass diese Anordnung die eines schönen und wohlwollenden Mannes ist, aber nicht die eines Weisen und insbesondere die eines Naturforschers, der er sein will, insofern er meint, dass der Geburtstag von Jemand wiederkehren könne. Denn kann ein Tag öfters eintreten, der einmal stattgehabt? Gewiss nicht. Aber von derselben Art? Auch dies nicht, ehe nicht viele Tausende von Jahren verflossen sind und dann alle Sterne wieder dieselbe Stellung eingenommen haben, von der sie ausgegangen sind. Deshalb wiederholt sich der Geburtstag für Niemand. – Aber, sagt Ihr, es gilt doch so. – Ja freilich, das wusst' ich nicht! Es sei also so; aber auch nach seinem Tode soll er noch gefeiert werden, und dies hat in seinem Testamente derjenige Mann bestimmt, der uns gleichsam als einen Orakelspruch verkündet hat, dass nach unserm Tode für uns Alles gleichgiltig sei? Dies passte sich nicht für Den, der in seinem Geiste unzählige Welten und grenzenlose Gefilde, für die es weder eine Grenze, noch ein Ende geben soll, durchwandert hat. Findet man wohl dergleichen bei Demokrit? Ich nenne, ohne der Andern zu gedenken, nur diesen, da Epikur nur diesem Einen gefolgt ist. (§ 103.) Sollte ein Tag ausgezeichnet werden, war da der Tag seiner Geburt, oder nicht vielmehr der Tag, wo er ein Weiser geworden, zu wählen? – Du sagst, dass er kein Weiser werden konnte, wenn er nicht geboren worden. – Aber dies konnte er auch nicht, wenn seine Grossmutter nicht zur Welt gekommen wäre. Es passt überhaupt, mein Torquatus, nicht für gelehrte Männer, wenn sie verlangen, dass nach ihrem Tode das Andenken ihres Namens durch Mahlzeiten gefeiert werden solle. Ich will die Art und Weise, wie Ihr solche Tage feiert und wie sehr Ihr bei witzigen Leuten, zur Zielscheibe ihres Spottes dabei werdet, nicht besprechen, wir brauchen uns nicht zu streiten; ich sage nur, es hätte mehr Euch angestanden, den Geburtstag des Epikur zu feiern, als diesem, durch sein Testament dafür zu sorgen, dass er gefeiert werde.
Kap. XXXII. (§104.) Ich komme indess auf mein Vorhaben zurück; nur weil ich über den Schmerz sprach, bin ich auf diesen Brief gekommen; jetzt möchte ich das Ergebniss des Ganzen dahin ziehn: Wer im höchsten Uebel ist, ist während dieser Zeit nicht glücklich; aber der Weise ist immer glücklich, obgleich er mitunter Schmerzen hat; deshalb kann der Schmerz nicht das höchste Uebel sein. Aber was will es denn heissen, wenn Ihr sagt, das vergangene Gute verschwände nicht aus der Erinnerung des Weisen, und der vergangenen Uebel solle man sich nicht erinnern? Ist es denn erstlich in unsrer Gewalt, welcher Sache wir uns erinnern wollen? Wenigstens sagte Themistokles, als Simonides oder ein Anderer ihm die Gedächtnisskunst zu lehren anbot: »Lieber wäre mir die Kunst zu vergessen; denn erinnern thue ich mich auch dessen, was ich nicht mag, aber vergessen kann ich nicht, was ich mag.« (§ 105.) Epikur war zwar ein grosser Geist, aber die Sache verhält sich doch so und nur ein übertrieben herrischer Philosoph kann die Erinnerung verbieten wollen. Bedenke, ob dergleichen Gebote nicht Euren Manlianischen gleichen oder noch schlimmer sind, wenn Ihr das Unmögliche verlangt. Und was soll geschehen, wenn die Erinnerung an vergangene Uebel unangenehm ist? Manches Sprüchwort ist wahrer als Eure Lehrsätze; schon das Volk sagt: »Ueberstandene Mühen sind angenehm« und Euripides hat Recht, dessen Vers, da Ihr ihn Alle griechisch kennt, ich hier in unserer Sprache wiedergebe:
»Süss ist die Erinnerung vergangener Mühen.«
Doch kommen wir auf das vergangene Gute zurück. Wenn Ihr darunter das verständet, was dem Gajus Marius zu Gebote stand, der verbannt, elend, im Sumpfe steckend, die Schmerzen sich durch die Erinnerung an seine Siegeszeichen linderte, so würde ich es anhören und durchaus billigen; denn das glückliche Leben des Weisen könnte nicht beschlossen und zu Ende geführt werden, wenn er nicht des Bedeutenderen, was er gedacht und vollführt hat, eingedenk bliebe. (§ 106.) Allein Euch soll die Erinnerung an genossene Lust, und zwar an körperlich genossene Lust, das Leben glücklich machen; denn wenn es noch andere Lust gäbe, so würde Euer Ausspruch falsch sein, dass alle Lust der Seele nur aus der Verbindung mit dem Körper hervorgehe. Wenn auch die vergangene körperliche Lust erfreute, so wüsste ich nicht, wie Aristoteles den Ausspruch des Sardanapal so verspotten konnte, in welchem jener König Syriens sich rühmt, alle Lust der Sinne mit sich ins Grab genommen zu haben. »Denn«, sagt Aristoteles. »was er nicht einmal im Leben langer fühlen konnte, als der Genuss wahrte, wie kann dies dem Todten noch verbleiben?« Die Lust des Körpers ist im Fluss und selbst die grösste fliesst davon und lässt oft mehr