Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон
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und dann so herrlich zufügte:
»Denn meine Mühen haben Dir Schutzwehren geschaffen.«
Dieser Mann freut sich der vergangenen Mühen; Du aber willst, man solle sich der vergangenen Lust erfreuen; dieser Mann ruft sich das zurück, was er niemals auf den Körper bezogen hatte, Du aber bleibst am Körper kleben.
Kap. XXXIII. (§ 107.) Aber der Satz selbst, wonach, wie Ihr sagt, alle Lust und aller Schmerz der Seele zur Lust und zum Schmerz des Körpers gehört, wie ist der aufrecht zu erhalten? Also ergötzt Dich niemals, ich weiss, mit wem ich spreche; Dich also, Torquatus, ergötzt nichts an sich selbst ? Ich lasse hier die Ehre, die Rechtschaffenheit, selbst die Schönheit der Tagenden, von denen ich früher gesprochen habe, als das leichter Begreifliche, bei Seite; ein Gedicht, eine Rede, die Du niederschreibst oder liest, die Geschichte aller Thaten und aller Orte, eine Bildsäule, ein Gemälde, eine anmuthige Gegend, Spiele, Jagden, das Landhaus Lucull's – ich nenne es nicht Dein, denn sonst hättest Du eine Ausrede und könntest es auf den Körper beziehen – also Alles, was ich hier genannt, beziehst Du das auf den Körper? oder giebt es hier Etwas, was Dich um sein selbst willen ergötzt? Du musst entweder hartnäckig darauf bestehen, dass Alles, was ich jetzt genannt, sich auf den Körper beziehe, oder wenn Du es nicht kannst, so musst Du die ganze Lust Epikur's im Stich lassen. (§ 108) Wenn Du aber geltend gemacht hast, dass die Lust und der Schmerz der Seele die des Körpers übertreffe, weil die Seele dreier Zeiten theilhaftig sei, während der Körper nur das Gegenwärtige empfinde, wie kann dies beweisen, dass Der, welcher sich meinetwegen erfreut, mehr Freude als ich selbst empfinde? Die Lust der Seele soll aus der Lust des Körpers entspringen und jene grösser als diese sein. Danach wäre also Der, welcher Glück wünscht, glücklicher als Der, an den der Wunsch gerichtet wird. Während Ihr den Weisen dadurch glücklich machen wollt, dass er die höchste Seelenlust geniesse, die allen Stücken grösser sei als Körperlust, bemerkt Ihr nicht, was Euch da begegnet; denn er leidet dann auch an Schmerzen der Seele, die in allen Stücken grösser sind, als die des Körpers. Deshalb muss nothwendig Euer Weiser, der doch nach Euch immer glücklich sein soll, mitunter elend sein, und so lange Ihr Alles auf die Lust und den Schmerz zurückführt, werdet Ihr dies stete Glück niemals erreichen. (§ 109.) Deshalb muss man, mein Torquatus, ein andres höchstes Gut für den Menschen ausfindig machen und die Lust den Thieren belassen, die Ihr als Zeugen für das höchste Gut zu benutzen pflegt. Aber was sagst Du, wenn selbst Die Thiere Vieles in Führung ihrer Natur thun, bald aus Liebe, bald mit Anstrengung, wie das Zeugen und das Erziehen? Daraus erhellt, dass noch etwas anderes als die Lust ihr Ziel bildet, namentlich wenn sie am Laufen oder Wandern sich ergötzen und Andere durch Zusammentreten gleichsam die staatliche Verbindung nachahmen. (§ 110.) So sieht man bei den Vögeln manchen Zug von Anhänglichkeit, Kentniss und Erzeugung; bei vielen bemerkt man auch Begierden. Und so sollten bei den Thieren gewisse Nachbilder der menschlichen Tugenden getrennt von der Lust bestehen, während bei den Menschen selbst alle Tugend nur um der Lust willen bestände? Sollte dem Menschen, der so hoch aber die Thiere hervorragt, von der Natur kein eigenthümlicher Vorzug gegeben sein?
Kap. XXXIV. (§ 111.) Wenn Alles nur auf die Lust hinausläuft so werden wir weit von den Thieren übertroffen, denn die Erde selbst giebt ihnen mancherlei und reiche Weide ohne Arbeit, während wir kaum, ja nicht einmal kaum mit vieler Arbeit das erreichen können. Aber ich kann durchaus nicht annehmen, dass das höchste Gut für die Thiere dasselbe sei, wie für die Menschen. Wozu bedürfen wir so vieler Vorbereitungen, am die höheren Wissenschaften und Künste zu erwerben; wozu eine Verbindung der erhabensten Bestrebungen; wozu ein so grosses Gefolge von Tugenden, wenn dies Alles nur zur Beschaffung der Lust dienen sollte? (§ 112.) Als Xerxes mit einer grossen Flotte und einem mächtigen Heere von Reitern und Fussvolk den Hellespont überbrückte und den Atho durchgrub, auf dem Meere gewandelt und die Erde beschifft hatte, antwortete er auf die Frage, weshalb er mit solcher Macht in Griechenland eingebrochen sei und weshalb er so viele Truppen gesammelt und einen so grossen Krieg begonnen habe: er habe Honig von Hymettus holen wollen; und so zeigte es sich klar, dass er ohne Ursache so grosse Rüstungen unternommen hatte. Ebenso mussten wir, wenn wir sagten, dass der Weise, mit vielen und den bedeutendsten Künsten und Tagenden ausgerüstet und geschmückt, nicht, um wie jener Xerxes, die Meere zu Fuss zu durchwandern und die Berge mit Flotten zu durchschiffen, sondern um in seinem Geiste den ganzen Himmel und die ganze Erde mitsammt den Meeren zu befassen, nur nach der Lust verlangt, Euch sagen, nur des Honigs wegen habe er so Grosses vorbereitet. (§ 113.) Glaube mir, Torquatus, wir sind zu Höherem und Erhabenerem geboren, und dies ergiebt sich nicht blos aus den Kräften der Seele, welche ein Gedächtniss für Unzähliges hat, was bei Dir ins Schrankenlose geht, welche das Kommende ahnt und so von der göttlichen Voraussicht sich wenig unterscheidet, welcher die Scham einwohnt als Mässigerin der Begierden, und für die menschliche Gesellschaft die treue Einhaltung der Gerechtigkeit, für die Vollbringung der Arbeiten und den Eintritt in die Gefahren eine feste und beharrliche Verachtung des Schmerzes und Todes. Das Alles ist in unsrer Seele; aber betrachte daneben auch diese Glieder und Sinne, welche, wie die übrigen Theile Deines Körpers, nicht blos als Begleiter der Tugend, sondern auch als Diener derselben sich zeigen. (§ 114.) Wenn schon am Körper Vieles, wie die Kraft, die Gesundheit, die Behendigkeit, die Schönheit, über der Lust steht, was soll man da von den Fähigkeiten der Seele halten, in denen nach den gelehrtesten Alten etwas Himmlisches und Göttliches wohnt? Bestände in der Lust das höchste Gust, wie Ihr sagt, so wäre es das. Wünschenswertheste, ohne Unterlass, Tag und Nacht in höchster Lust zuzubringen, bei der alle Sinne erregt und gleichsam mit aller Süssigkeit erfüllt wären. Aber wer verdiente den Namen eines Menschen, der nur einen vollen Tag in dieser Art von Lust verleben möchte? Nur die Cyrenaiker treten auch hier nicht zurück; Ihr seid zwar verschämter, aber jene dafür folgerichtiger. (§ 115.) Doch wir brauchen diese höhere Wissenschaft und Kunst nicht zu betrachten, bei deren Mangel man in früheren Zeiten als ungebildet galt; ich frage, glaubst Du, dass, ich will nicht sagen Homer, Archilochus, Pindar, sondern Phidias, Polyklet, Zeuxis mit ihrer Kraft nur der Lust gedient haben? Dann hätte also ein solcher Künstler in Bezug auf die Schönheit der Gestalten sich mehr vorgesetzt, als der ausgezeichnetste Bürger für die Schönheit seiner Thaten? Die Ursache dieses grossen so weit verbreiteten Irrthums liegt nur darin, dass Der, welcher die Lust für das höchste Gut erklärt, nicht mit dem Theile seiner Seele, der die Vernunft und die Ueberlegung enthält, sondern mit der Begierde, also mit dem leichtfertigsten Theile seiner Seele zu Rathe geht. Denn ich frage Dich, wie die Götter, wenn es deren giebt, was ja auch Ihr annehmt, glücklich sein können, obgleich sie die Lust des Körpers nicht empfinden, und weshalb, wenn sie ohne diese Art der Lust glücklich sein können, Ihr bei dem Weisen nicht eine ähnliche Wirksamkeit der Seele zulassen wollt?
Kap. XXXV. (§ 116.) Lies, mein Torquatus, die Lobreden nicht der von Homer gepriesenen Helden, nicht die des Cyrus, des Agesilaus, oder des Aristides, oder des Themistocles, nicht die von Philipp und von Alexander; lies die Lobreden auf die Unsrigen, die auf Deine Familie, und Du wirst Niemand darin gelobt finden, weil er ein geschickter Meister in Bereitung der Lust gewesen. Auch die Aufschriften der Denkmäler weisen nicht darauf hin, wie z.B. die am Thore: »Alle Völker stimmen zu, dass dieser Mann der Erste des Volkes gewesen sei.« (§ 117.) Sollten die Völker deshalb von dem Collatinus anerkannt haben, dass er der Erste seines Landes gewesen, weil er in Bereitung der Lost der Vorzüglichste gewesen? Sollte man bei Jünglingen gute Anlagen annehmen und seine Hoffnung auf sie setzen, weil man erwartet, dass sie nur für ihren Vortheil sorgen und nur das thun werden, was ihnen nützt? Sieht nicht Jeder, wel che Verwirrung aller Verhältnisse, welche Unordnung die Folge davon sein würde? Das Wohlthun, die Dankbarkeit, die Bande der Eintracht wären dann aufgehoben; denn wenn Du nur Deinetwegen etwas leihest, so ist dies keine Wohlthat, sondern Wucher, und man wird Dem keinen Dank schulden, der nur zu seinem Vortheil geliehen hat. Alle jene grosse Tugenden müssen darnieder liegen, wenn die Wollust herrscht. Auch viele Schlechtigkeiten würden, wenn nicht von Natur die Rechtlichkeit die stärkere wäre, bei den Weisen hervortreten und es würde schwer sein, das Gegentheil zu beweisen. (§ 118.) Und um nicht noch mehr zu sagen, denn es würde kein Ende nehmen, die