Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke. Ida Pfeiffer

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Ida Pfeiffer: Ausgewählte Werke - Ida Pfeiffer

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ich immer die Augen ab, und dachte mir, daß vielleicht gerade mein Glas und mein Teller am zartesten, oder wohl gar nicht damit berührt worden sei, und wandte meine ganze Aufmerksamkeit auf die nun zu erwartenden Speisen.

      Eine Suppe machte den Anfang; aber statt der Rindsuppe war es eine Wassersuppe, mit Reis und getrockneten Pflaumen verkocht. Darein wurde bei Tische noch etwas rother Wein und Zucker gemischt, und nun war für dänische Gaumen eines der kostbarsten Gerichte bereitet; — mir behagte es durchaus nicht. — Die zweite und letzte Speise bestand aus einem tüchtigen Ochsenbraten, an dem ich nichts aussetzen konnte, als, daß er für meine noch schwache Gesundheit zu schwer war. — Der Abend bot dasselbe, was wir zum Vormittags-Imbiß gehabt hatten. Jede Mahlzeit wurde noch überdieß mit Theewasser beschlossen. Im Anfange behagte mir diese Lebensweise gar nicht; doch siehe, schon nach einigen Tagen meiner Besserung gewöhnte ich mich daran, und konnte die Schiffskost recht gut vertragen. [Es würde mir sehr leid thun, wenn ich etwa durch diese meine Beschreibung, „Lebensweise auf dem Schiffe," den wackern Herrn K. beleidiget hätte. Allein ich setze voraus, daß Jedermann weiß, daß das Leben auf einem Schiffe ganz anders ist, als auf dem festen Lande, im Kreise der Seinigen, So kann ich ebenfalls versichern, daß Herr K. nicht nur in Kopenhagen, sondern, was viel mehr sagen will, auch auf Island sehr angenehm zu leben wußte, und sich aller Comforts, wie man sie nur in den großen Städten Europas haben kann, erfreute.]

      Da der reiche Schiffsherr selbst am Bord war, so fehlte es auch nicht an den besten Weinen, und selten verging sogar ein Abend, ohne daß nicht auch Punsch gekostet worden wäre, — Freilich fand man für jede zu trinkende Flasche Wein oder Bowle Punsch irgend eine besondere Veranlassung, z. B, bei der Abfahrt, oder wenn der Wind günstig war, da trank man ihm zu, mit der Bitte so zu bleiben; war er ungünstig, mit der Bitte anders zu werden; — sah man Land , so mußte es mit einem Gläschen Wein begrüßt werden; — es mochten wohl oft auch mehrere gewesen sein, zum Zählen war ich aber zu seekrank — verloren wir es wieder, mußte ihm „Lebewohl" gesagt werden, — und so gab es täglich drei, vier ganz besondere Veranlassungen.

      Die Matrosen bekamen Morgens und Abends Theewasser ohne Zucker, und ein Gläschen Brandwein, des Mittags Hülsenfrüchte, Grütze oder Kartoffeln , dazu Stockfisch, Speck oder gesalzenes Fleisch; Schiffszwieback, der recht gut schmeckt, konnten sie nehmen, so viel sie wollten.

      Uebrigens ist die Nahrung noch nicht das Schlechteste, was diese armen Leute haben, deren Leben ein beständiger Kampf gegen die Elemente genannt werden könnte, da sie gerade bei den fürchterlichsten Stürmen , bei Regen und schneidender Kälte fortwährend auf das Deck gewiesen sind. — Ich bewunderte wirklich den Gleichmuth, ja ich möchte sagen, die Heiterkeit und Unverdrossenheit mit der sie ihre schwere Pflicht erfüllen. — Und was haben sie dafür? — Einen kargen Lohn, die eben beschriebene Nahrung, und zur Schlafstelle den kleinsten, unbrauchbarsten Raum im Schiffe, der nicht selten voll Ungeziefer, finster und sehr übelriechend ist, denn da werden außerdem Oelfarben, Firniß und Theer, Stock- und Trockenfische u.s.w. aufbewahrt.

      Um dabei zufrieden zu sein, muß man wirklich sehr genügsam und herzensgut sein. — Die dänischen Matrosen sind es aber auch. — Häufig, im Laufe der Reise auf diesem und auf andern Schiffen, hatte ich Gelegenheit mich davon zu überzeugen.

      Doch nun, nach all diesen ausführlichen Beschreibungen, ist es höchste Zeit, zur Reise selbst wieder zurückzukehren.

      Leider setzten die günstigen Stürme, die uns schon am siebenten Tage bis in die Nähe der isländischen Küste getrieben hatten, plötzlich um, und schlugen uns zurück. Wir lavirten hin und her auf dem sturmbewegten Meere, das mit mancher spanischen Woge [Spanische Wogen oder Wellen nennen die Schiffer jene, welche von der Westseite her aufspringen, und sich durch ihre Größe auszeichnen.] unser Schiff ganz überdeckte. Zweimal versuchten wir den Westmanns-Inseln (zu Island gehörig) nahe zu kommen, um da bei günstiger Gelegenheit Anker zu werfen, und unsern Reisegefährten Herrn Brüge abzusetzen; — doch vergebens, immer wieder wurden wir zurückgeschlagen. — Endlich am Schlusse des eilften Tages erreichten wir Havenfiord, einen sehr guten Hafen, zwei Meilen von Reikjavik, der Hauptstadt Islands, entfernt.

      Trotz diesen, sehr ungelegenen Umsetzen des Sturmes hatten wir eine unerhört schnelle Fahrt gemacht. — Man rechnet von Kopenhagen nach Island in gerader Linie 300 geographische Meilen; — für ein Segelschiff, das hin und her laviren und so viel möglich immer mit dem Winde gehen muß, 350 bis 400. — Hätte der uns Anfangs so günstige Sturm am siebenten Tage nicht umgesetzt, und nur noch 30-40 Stunden angehalten, so würden wir schon am achten oder neunten Tage in Island gelandet haben, — eine Fahrt die selbst ein Dampfer nicht so schnell hätte machen können.

      Die Gestade Islands erschienen mir ganz anders, als ich sie den Schilderungen nach, die ich gelesen, mir vorstellte. Ich dachte sie mir kahl, ohne Strauch, ohne Baum, wüst und öde, — und da sah ich Rasenhügel, Gesträuche, ja sogar Waldgruppen kleiner, wie es mir schien, verzwergter Bäume; — doch wir kamen näher und näher, und ich konnte deutlicher unterscheiden. — Da wurden die Rasenhügel zu menschlichen Wohnungen mit kleinen Thüren und Fensterchen, und die Baumgruppen entwirrten sich in 10-15 Fuß hohe Lavamassen, die mit Moos und Gras ganz überwachsen waren. Alles war für mich neu und überraschend; kaum konnte ich erwarten zu landen.

      Endlich wurden die Anker ausgeworfen — doch erst am folgenden Morgen schlug die Stunde der Erlösung und Ausschiffung.

      Noch eine Nacht dann war Alles überstanden, dann konnte ich Island, das lange ersehnte, betreten, und schwelgen in den Wundern dieser kunstarmen, aber dafür naturreichen Insel.

      Bevor ich nun Island betrete, sei es mir erlaubt, einige Bemerkungen über diese Insel vorauszuschicken. Ich entnehme sie der Beschreibung Islands von Makenzie, einem Buche, dessen gediegener Werth überall anerkannt ist.

      „Man schreibt die Entdeckung Islands dem Unternehmungsgeiste einiger norwegischer und schwedischer Seeräuber um das Jahr 860 n. Chr. G. zu. Sie wurden dahin verschlagen, als sie nach den Faröer-Inseln segelten. Aber erst im Jahre 874 wurde sie von freiwilligen Auswanderern, die sich unter der Regierung Harald des Schönhaarigen unglücklich fühlten, unter der Anführung Ingolfs bevölkert. Diese Ankömmlinge sollen nirgends Spuren von Wohnungen gefunden haben, und so waren also sie die ersten, welche die Insel in Beschlag nahmen."

      „Bei ihrer Ankunft soll die Insel noch so mit Dickicht bedeckt gewesen sein, daß an einigen Orten erst Durchwege geöffnet werden mußten. — Die Norweger brachten ihre Sprache, Religion, Sitten und historischen Denkmäler mit herüber, nebst einer Art von Lehns-Verfassung, welche aber ungefähr um das Jahr 928 etwas aristokratisch wurde, obwohl sie republikanisch hieß. — Die Insel wurde da in vier Provinzen getheilt, und über jede ein erblicher Landvogt oder Richter gesetzt."

      „Die General-Versammlung von Island (All-Sing genannt) wurde jährlich an den Küsten des See's Thingvalla gehalten. Sie hatten ein treffliches Gesetzbuch, das für alle Vorfälle in der Gesellschaft gesorgt hatte. — Diese Verfassung währte über 300 Jahre, und man möchte diese Periode „Islands goldenes Zeitalter" nennen. Erziehung, Literatur und selbst verfeinerte Poesie waren unter den Einwohnern in Blüthe. — Sie nahmen Theil an dem Handel und an den Abenteuern zur See, welche die Norweger unternahmen, um neue Entdeckungen zu machen."

      Die Sages oder Geschichten des Landes enthalten manche Erzählung persönlicher Tapferkeit. Ihre Barden und Geschichtschreiber besuchten andere Länder, wurden die Günstlinge der Monarchen, und kehrten bedeckt mit Ehre und beladen mit Geschenken in ihre Insel zurück.— Die Edda von Sämund ist eine der geschätztesten Dichtungen Island's älterer Zeit; der zweite Theil der Edda, Skalda genannt, stammt aus neuerer Zeit, und wird von Vielen dem berühmten Snorri Sturluson zugeschrieben. — — Isleif, der erste Bischof von Skalholt, war der früheste isländische Geschichtschreiber

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