Das unauslöschliche Siegel. Elisabeth Langgässer
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Читать онлайн книгу Das unauslöschliche Siegel - Elisabeth Langgässer страница 4
Doch sie hat hübsche Waden. Ich folge ihr auf dem Fuß. Begleiten Sie mich?
Der Kritiker
Was würde aus Ihnen, wenn ich nicht mitkommen wollte!
Herr Chronos
Nun haben wir den Spiegel durchschritten und befinden uns in dem großen Auktionsraum dieses altehrwürdigen Hauses. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, daß es den Namen »Mundus« in aller Bescheidenheit trägt.
Der Kritiker ‹ streng›
Und das Tertium comparationis, bitte?!
Herr Chronos
Seine seltsame Architektur.
Der Leser
Ein Rundbau mit eingeschwungenen Grotten, die sich ihrerseits wieder nach rückwärts öffnen und in das Unendliche führen. Wunderbar –!
Der Kritiker ‹ trocken›
Bleiben Sie nüchtern. Das Ganze ist Spiegelfechterei. Betrachten Sie lieber die Gegenstände aus der Versteigerungsmasse. Dieser Schreibtisch hier muß jedem gefallen. Louis Seize. Mit hübschen Intarsien und Büchern aus der Zeit.
Der Leser
Eine Erstausgabe, sehen Sie nur, der Enzyklopädisten. Ein Manuskript des »Contrat social« von unbezahlbarem Wert! Wollen Sie steigern?
Der Kritiker ‹ winkt ab›
Ich fürchte, das würde zu teuer kommen.
Der Leser ‹aufgeregt hin- und herblätternd›
Wer weiß? Vielleicht ist er billiger, als wir vermutet haben.
Der Kritiker ‹ ihm über die Schulter sehend›
Auf jeden Fall wäre bei dieser Erwerbung das 18. Jahrhundert in Reinkultur mitenthalten . . .
Herr Chronos
Doch muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die eigentliche Versteigerung in der dritten Phase beginnt.
Der Kritiker
Was heißt: »Phase«? Handelt es sich um Zeiten oder um Räume, mein Herr? Mir scheint die Architektur dieses »Mundus« einem wahrhaften Labyrinth zu gleichen, in welchem man sich verläuft.
Herr Chronos
Beruhigen Sie sich. Schon wirft Ariadne Ihnen den Faden zu!
Der Leser ‹ kläglich›
Wo sind Sie? Ich bin in die Irre gegangen. Ich bin wie das Zitat eines Buches verblättert worden. Suchen Sie mich! Es muß doch ein Sachregister vorhanden, ich muß doch zu finden sein!
Der Kritiker
Einen Augenblick. Ich nehme das Fernrohr –.
Der Leser ‹ von weitem›
Nicht nötig. Ich habe den Faden gefunden. Er läuft aus dem Innern der mystischen Grotte, die in das Unendliche führt.
Herr Chronos
Ich rate Ihnen, das Fernrohr auf dem Schreibtisch zurückzulassen und diesem Faden zu folgen.
Der Kritiker
Welchem Faden? Wie heißt er? Drücken Sie sich ganz unmißverständlich aus!
Herr Chronos
Die göttliche Gnade.
Der Kritiker
Meinen Sie nicht, daß Sie damit zuviel verlangen?
Der Leser
Besinnen Sie sich nicht länger und folgen Sie mir nach!