Das Bildnis des Dorian Gray. Oscar Wilde

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Das Bildnis des Dorian Gray - Oscar Wilde

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Lady Agatha, „wie ihr Männer redet! Ich schwöre, ich kann nicht einmal herausfinden, wovon eigentlich die Rede ist. Übrigens, Harry, ich bin ganz böse auf dich. Warum versuchst du, unseren netten Herrn Gray zu überreden, das East End im Stich zu lassen? Ich versichere dir, er wäre dort ganz unschätzbar. Die armen Leute wären entzückt von seinem Spiel.“

      ,,Er soll mir vorspielen“, rief Lord Henry lächeind und blickte nach dem unteren Tischende, wo ein strahlender Blick ihm antwortete.

      „Aber dort unten in Whitechapel ist das Volk so unglücklich“, fuhr Lady Agatha fort.

      „Ich kann mit allem mitfühlen, nur nicht mit dem Unglück“, sagte Lord Henry achselzuckend. „Es ist zu hässlich, zu grausig, zu niederdrückend. Es liegt etwas Krankhaftes in diesem modernen Mitgefühl mit dem Leiden. Mitführen sollte man mit dem Glanz, der Schönheit, dem Jubel des Lebens. Je weniger man seine Wunden berührt, desto besser.“

      „Jedoch das East End ist ein sehr wichtiges Problem“, bemerkte Sir Thomas mit ernstem Kopfschütteln.

      „Durchaus“, antwortete der junge Lord. „Es ist das Problem der Sklaverei, und wir versuchen es zu lösen, indem wir die Sklaven amüsieren.“

      Der Politiker sah ihn scharf an. „Welche Veränderung schlagen Sie also vor“ fragte er.

      Lord Henry lachte. „Ich wünsche in England gar nichts zu verändern als das Wetter“, antwortete er. „Ich begnüge mich mit philosophischer Betrachtung. Aber da das neunzehnte Jahrhundert durch einen übertriebenen Verbrauch von Mitgefühl bankrott geworden ist, möchte ich vorschlagen, dass wir uns an die Wissenschaft wenden, damit sie uns den Kopf zurechtsetzt. Der Vorzug der Gefühle ist, dass sie uns in die Irre führen, und der Vorzug der Wissenschaft, dass sie nicht gefühlvoll ist.“

      „Aber wir haben so schwere Verantwortungen“, wagte Frau Vandeleur schüchtern zu bemerken.

      „Furchtbar schwere“, stimmte Lady Agatha ein.

      Lord Henry sah zu Herrn Erskine hinüber. „Die Menschheit nimmt sich zu ernst. Das ist die wahre Erbsünde. Hätte der Höhlenmensch zu lachen verstanden, die Weltgeschichte wäre anders ausgefallen.“

      „Sie beruhigen mich wirklich“, zwitscherte die Herzogin. „Wenn ich Ihre liebe Tante besuchte, bin ich mir immer so schuldbewusst vorgekommen, weil ich mich nicht für das East End interessiere. In Zukunft werde ich imstande sein, ihr ohne Erröten ins Gesicht zu sehen.“

      „Erröten ist sehr kleidsam, Herzogin“, bemerkte Lord Henry.

      „Nur wenn man jung ist“, antwortete sie. „Wenn eine alte Frau wie ich errötet, so ist es ein sehr schlechtes Zeichen. Ach, Lord Henry, ich wollte, Sie würden mir sagen, wie man wieder jung werden kann.“

      Er dachte einen Augenblick nach. Können Sie sich an eine grosse Torheit erinnern, die Sie in Ihrer Jugend begingen, Herzogin?“ fragte er und sah sie über den Tisch an.

      „Ich fürchte, an sehr viele“, rief sie.

      „Dann begehen Sie sie noch einmal“, sagte er ernst. „Um seine Jugend wiederzuerlangen, braucht man nur seine Torheiten zu wiederholen.“

      „Eine reizende Theorie!“ rief sie aus. „Ich muss sie in die Praxis umsetzen.“

      „Eine gefährliche Theorie!“ kam es von Sir Thomas‘ gepressten Lippen. Lady Agatha schüttelte den Kopf, musste aber doch lachen. Herr Erskine hörte aufmerksam zu.

      „Ja,“ fuhr er fort, „das ist eines der grossen Geheimnisse des Lebens. Heutzutage sterben die meisten Menschen an einer Art schleichender Vernunft und entdecken erst, wenn es zu spät ist, dass die einzigen Dinge, die man nie bereut, unsere Torheiten sind.“

      Gelächter lief um den Tisch.

      Er spielte mit dem Gedanken und verbiss sich; in ihn; warf ihn in die Luft und wandte und drehte ihn; liess ihn entschlüpfen und fing ihn wieder; gab ihm die Farben der Phantasie und die Flügel des Paradoxons. Das Lob der Torheit verwandelte sich, je länger er sprach, in eine Philosophie, und die Philosophie selbst wurde jung und horchte auf die tolle Melodie der Lust, nahm von ihr das weinbefleckte Gewand und den Efeukranz und tanzte bacchantengleich über die Höhen des Lebens, während sie den langsamen Silen seiner Nüchternheit wegen verspottete. Die Wirklichkeit floh vor ihr wie ein erschrecktes Wild. Ihre weissen Füsse traten die riesige Weinpresse, an der der weise Omar sitzt, bis der quellende Traubensaft in purpurnen Wellen um ihre nackten Glieder stieg oder in rotem Schaum über die schwarzen, tropfenden Seiten des Fasses zu Boden rann. Es war eine glänzende Improvisation. Er fühlte, dass die Augen Dorian Grays an ihm hingen, und das Bewusstsein, unter seinen Zuhörern einen zu haben, dessen Seele er in seinen Bann zwingen wollte, schien seinem Geist Kühnheit und seiner Bildkraft Feuer zu verleihen. Er war sprühend, phantastisch, unverantwortlich. Er riss seine Hörer hin und sie folgten lachend seiner Pfeife. Dorian Gray wandte die Augen nicht von ihm, sondern sass wie verzaubert, während ein Lächeln um das andere über seine Lippen glitt und das Erstaunen schwer in seinen dunkelnden Augen wuchs.

      Endlich trat, in die Tracht der Gegenwart eingeschnürt, die Wirklichkeit in Gestalt eines Dieners ins Zimmer, um der Herzogin zu melden, dass ihr Wagen bereitstünde. Sie rang in scherzhafter Verzweiflung die Hände. „Wie ärgerlich!“ rief sie. „Ich muss gehen. Ich muss meinen Mann vom Klub abholen, um ihn in eine dumme Versammlung in den Willis-Sälen zu bringen, wo er den Vorsitz führen soll. Wenn ich zu spät komme, wird er sicher wütend sein, und mit diesem Hut darf ich mich keiner Szene aussetzen. Er ist viel zu zart. Ein hartes Wort würde ihn verderben. Nein, ich muss gehen, liebe Agatha. Leben Sie wohl, Lord Henry, Sie sind ganz entzückend und entsetzlich demoralisierend. Ich weiss wirklich nicht, was ich zu Ihren Ansichten sagen soll. Sie müssen nächstens einmal kommen und mit uns zu Abend essen. Dienstag? Sind Sie Dienstag frei?“

      „Für Sie würde ich allen anderen Leuten absagen, Herzogin“, antwortete Lord Henry mit einer Verbeugung.

      „Oh! Das ist sehr nett und sehr unrecht von Ihnen“, rief sie, „also kommen Sie sicher“; und sie rauschte aus dem Zimmer, von Lady Agatha und den anderen Damen gefolgt.

      AIs Lord Henry sich wieder gesetzt hatte, ging Herr Erskine zu ihm hinüber und, sich auf einen Stuhl neben ihm niederlassend, legte er ihm die Hand auf den Arm.

      „Sie sprechen besser als zehn Bücher,“ sagte er, „warum schreiben Sie keins?“

      „Ich lese zu gern Bücher, als dass ich Lust hätte, welche zu schreiben, Herr Erskine. Gewiss, ich würde gern einen Roman schreiben, etwas, das ebenso bunt wäre wie ein Perserteppich und ebenso unwirklich. Aber es gibt in England kein Publikum für alles, was nicht Zeitung, Fibel und Konversationslexikon ist. Von allen Völkern der Welt haben die Engländer am wenigstens Gefühl für die Schönheit der Literatur.“

      „Ich fürchte, Sie haben recht“, antwortete Herr Erskine. Ich selbst pflegte literarischen Ehrgeiz zu haben, aber ich habe ihn schon seit langem aufgegeben. Und jetzt, mein lieber junger Freund — wenn Sie mir erlauben wollen, Sie so zu nennen — darf ich fragen, ob Sie wirklich alles im Ernst meinten, was Sie uns heute mittag gesagt haben?“

      „Ich habe ganz vergessen, was ich gesagt habe“, lächelte Lord Henry. „War es sehr schlimm?“

      „Sehr. In der Tat halte ich Sie für sehr gefährlich, und wenn unserer guten Herzogin etwas Menschliches zustösst, so werden wir Sie alle für den Hauptverantwortlichen ansehen. Aber ich möchte gerne mit Ihnen über das Leben sprechen. Die Generation,

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