Das Bildnis des Dorian Gray. Oscar Wilde
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Читать онлайн книгу Das Bildnis des Dorian Gray - Oscar Wilde страница 9
„Es ist so lästig, seine schwarzen Sachen anziehen zu müssen“, brummte Hallward. „Und wenn man sie an hat, sind sie so greulich.“
„Ja,“ antwortete Lord Henry träumerisch, „die Tracht des neunzehnten Jahrhunderts ist abscheulich. Sie ist so düster, so niederdrückend. Das einzige Farbelement, das dem modernen Leben geblieben ist, ist die Sünde.“
„Du solltest wirklich nicht solche Dinge vor Dorian sagen, Harry.“
„Vor welchem Dorian? Dem, der uns Tee einschenkt, oder dem auf dem Bilde?“
„Vor keinem von beiden.“
„Ich möchte gern mit Ihnen ins Theater gehen, Lord Henry“, sagte der Jüngling.
„Dann kommen Sie nur; und du kommst doch auch, Basil, nicht wahr?“
„Ich kann wirklich nicht. Ich möchte lieber nicht. Ich habe eine Unmenge zu arbeiten.“
„Nun, dann werden wir beide allein gehen, Herr Gray.“
„Das möchte ich schrecklich gern.“
„Der Maler biss sich auf die Lippen und ging, die Teetasse in der Hand, zum Bild hinüber. „Ich werde bei dem wahren Dorian Gray bleiben“, sagte er traurig.
„Ist es der wahre Dorian?“ fragte das Original des Bildes, zu ihm tretend. „Bin ich wirklich so?“
„Ja; du bist ganz so.“
„Wie wunderbar, Basil!“
„Wenigstens in deiner äusseren Erscheinung. Aber es wird sich niemals ändern“, seufzte Hallward. „Das ist doch etwas.“
„Was für ein Wesen die Menschen mit der Treue machen!“ rief Lord Henry, aus. „Dabei ist sie sogar in der Liebe nur eine physiologische Frage. Sie hat nichts mit unserem Willen zu tun. Junge Männer möchten treu sein, und sind es nicht; alte Männer möchten treulos sein, und können es nicht: das ist alles, was sich darüber sagen lässt.“
„Geh nicht ins Theater heute abend, Dorian“, sagte Hallward. „Bleib und iss mit mir zu Nacht.“
„Ich kann nicht, Bafil.“
„Warum?“
„Weil ich Lord Henry. Wotton versprochen habe, mit ihm zu gehen.“
„Du wirst bei ihm nicht gewinnen, wenn du deine Versprechen hältst. Er bricht die seinen immer. Ich bitte dich, nicht zu gehen.“
Dorian Gray lachte und schüttelte den Kopf.
„Ich beschwöre dich.“
Der Jüngling zögerte und sah zu Lord Henry hinüber, der sie vom Teetisch aus mit einem amüsierten Lächeln beobachtete.
„Ich muss gehen, Basil“, antwortete er.
„Gut“, sagte Hallward; und er ging hinüber und stellte seine Tasse auf das Teebrett. „Es ist ziemlich spät, und da du dich umkleiden musst, ist es besser, du verlierst keine Zeit. Guten Abend, Harry. Guten Abend, Dorian. Komm mich bald besuchen. Komm morgen.“
„Gewiss.“
„Du wirst es nicht vergessen?“
„Natürlich nicht“, rief Dorian.
„Und . . . Harry?“
„Ja, Basil?“
„Erinnere dich, um was ich dich bat, als wir heut vormittag im Garten waren.“
„Ich habe es vergessen.“
„Ich verlasse mich auf dich.“
„Ich wollte, ich könnte mich auf mich selbst verlassen“, sagte Lord Henry lachend. „Kommen Sie, Herr Gray, mein Wagen wartet draussen, und ich kann Sie an Ihrer Wohnung absetzen. Guten Abend, Basil. Es war ein höchst interessanter Nachmittag.“
Als die Tür sich hinter ihnen schloss, warf sich der Maler auf ein Sofa, und ein schmerzlicher Ausdruck trat in sein Gesicht.
Drittes Kapitel
Am nächsten Tag um halb eins schlenderte Lord Henry Wotton von Curzon Street nach Albany, um seinen Onkel, Lord Fermor, zu besuchen. Lord Fermor war ein ebenso humorvoller wie rauhbeiniger, alter Junggeselle, den die Welt selbstsüchtig nannte, weil sie keinen sonderlichen Nutzen von ihm zog, während die Gesellschaft ihn für freigebig erklärte, weil er die Leute fütterte, die ihm Spass machten. Sein Vater war englischer Botschafter in Madrid gewesen, als Isabella noch jung und von Prim keine Rede war, hatte aber in einem Anfall von Verärgerung den diplomatischen Dienst verlassen, als man ihm den Botschafterposten in Paris nicht anbot, auf den er mit Rücksicht auf seine Geburt, seine Trägheit, das gute Englisch seiner Berichte und seine hemmungslose Vergnügungssucht den vollsten Anspruch zu haben glaubte. Der Sohn, der seines Vaters Sekretär gewesen war, hatte mit ihm demissioniert, etwas vorschnell, wie damals gemeint wurde; und als ein paar Monate darauf seines Vaters Titel auf ihn überging, widmete er sich voll und ganz dem ernsten Studium der hohen aristokratischen Kunst des absoluten Nichtstund. Er besass zwei grosse Stadtpaläste, zog es aber vor, möbliert zu wohnen, da es weniger Umstände machte, und ass meist in seinem Klub. Er gab sich ein wenig mit der Verwaltung seiner Kohlengruben in Mittelengland ab, wobei er als Entschuldigung für diese industrielle Neigung geltend machte, Kohle zu besitzen, habe wenigstens den Vorteil, dass es einen Gentleman instandsetze, sich den anständigen Luxus von Holz für den eigenen Herd zu leisten. Politisch war er konservativ, ausser wenn die Konservativen am Ruder waren, in welchem Fall er sie als eine Bande von Radikalen zu beschimpfen pflegte. Er war ein Held für seinen Kammerdiener, der ihn tyrannisierte, und ein Schrecken für die meisten seiner Angehörigen, die er seinerseits tyrannisierte. Nur England konnte ihn hervorgebracht haben, und er behauptete stets, das Land ginge vor die Hunde. Seine Grundsätze waren veraltet, aber seine Vorurteile hatten Hand und Fuss.
Als Lord Henry eintrat, fand er seinen Onkel in einem derben Jagdanzug sitzend, eine Manilazigarre rauchend und über der Times brummend. „Na, Harry,“ sagte der alte Herr, „welcher Wind hat dich so zeitig hergeweht? Ich dachte, ihr Dandies stündet nie vor zwei auf und wärt nicht vor fünf sichtbar.“
„Reine Familienliebe, ich versichere dir, Onkel George. Ich möchte etwas aus dir herausbekommen.“
„Geld wahrscheinlich“, sagte Lord Fermor mit einem sauren Gesicht. „Na, setz dich und erzähl mir die Sache. Heutzutage bilden sich die jungen Leute ein, Geld sei alles.“
„Ja,“ murmelte Lord Henry und brachte seine Knopflochblume in Ordnung, „und wenn sie älter werden, dann wissen sie’s. Aber ich brauche kein Geld. Nur Leute, die ihre Rechnungen zahlen, brauchen das, Onkel George, und ich zahle meine nie. Kredit ist das Kapital eines jüngeren Sohnes, und man lebt prächtig davon. Ausserdem suche ich mir immer Dartmoors Lieferanten aus, und die Folge ist, dass sie mich nie behelligen. Was ich brauche, ist eine Auskunft: keine nützliche natürlich; eine ganz unnütze.“
„Nun, ich kann dir alles erzählen, was in einem englischen