Das Bildnis des Dorian Gray. Oscar Wilde
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Читать онлайн книгу Das Bildnis des Dorian Gray - Oscar Wilde страница 8
Als er daran dachte, durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz wie ein Messerstich und liess alle zarten Fibern seiner Natur erbeben. Seine Augen wurden tief wie Amethyste, und über sie regte sich ein Schleier von Tränen. Es war ihm, als hätte eine eisige Hand sein Herz berührt.
„Gefällt es dir nicht?“ rief Hallward endlich, ein wenig gekränkt durch des Jünglings Schweigen, dessen Bedeutung er nicht begriff.
„Natürlich gefällt es ihm“, sagte Lord Henry. „Wem sollte es nicht gefallen? Es ist eines der grössten Werke der modernen Kunst. Ich gebe dir jeden Preis dafür, den du verlangen magst. Ich muss es haben.“
„Es ist nicht mein Eigentum, Harry.“
„Wessen Eigentum ist es denn?“
„Dorians natürlich“, antwortete der Maler.
„Der Glückspilz.“
„Wie traurig!“ flüsterte Dorian, indes seine Augen immer noch unverwandt an seinem Bilde hingen. „Wie traurig! Ich werde alt werden und scheusslich und entsetzlich. Aber dies Bild wird immer jung bleiben. Es wird niemals älter sein als eben dieser Junitag . . . Wär’ es doch umgekehrt! Wenn ich ewig jung bliebe und das Bild altern müsste! Dafür — dafür — gäbe ich alles! Ja, es gibt nichts auf der Welt, das ich nicht dafür gäbe! Meine Seele gäbe ich dafür!“
„Du wärst schwerlich einverstanden mit solchem Tausch, Basil“, rief Lord Henry lachend. „Es wäre etwas hart gegen deine Arbeit!“
„Ich wäre ganz entschieden dagegen, Harry“, sagte Hallward.
Dorian Gray wandte sich und sah ihn an. „Ich glaube dir das, Basil. Du liebst deine Kunst mehr als deine Freunde. Ich bin dir nicht mehr als eine grüne Bronzefigur. Vielleicht nicht einmal so viel.“
Der Maler starrte ihn verblüfft an. Es sah Dorian so gar nicht ähnlich, so zu sprechen. Was war geschehen? Er schien geradezu erregt zu sein. Sein Gesicht war gerötet, und seine Wangen glühten.
„Ja,“ fuhr er fort, „ich bin dir weniger als dein elfenbeinerner Hermes oder dein silberner Faun. Sie wirst du immer lieben. Aber wie lange mich? Bis ich die ersten Runzeln habe, vermute ich. Ich weiss jetzt, wenn man seine Schönheit verliert, sie mag gross oder klein sein, so verliert man alles. Dein Bild hat es mich gelehrt. Lord Henry Wotton hat ganz recht. Jugend ist das einzige, was zu haben sich lohnt. Wenn ich merke, dass ich alt werde, so werde ich mich töten.“
Hallward erbleichte und griff nach seiner Hand. „Dorian! Dorian!“ rief er, „sprich doch nicht so. Ich habe nie einen solchen Freund gehabt wie dich und werde nie einen haben. Du bist doch nicht eifersüchtig auf leblose Dinge? — du, der herrlicher ist als sie alle!“
„Ich bin eifersüchtig auf alles, dessen Schönheit nicht stirbt. Ich bin eifersüchtig auf das Bildnis, das du von mir gemacht hast. Warum darf es behalten, was ich verlieren muss? Jeder Augenblick, der dahin geht, nimmt mir etwas und gibt es ihm. Oh, dass es doch umgekehrt wäre! Dass das Bild sich wandelte und ich ewig bleiben könnte, was ich heute bin! Warum hast du es gemalt? Es wird mich eines Tages verhöhnen — grausam verhöhnen!“ Heisse Tränen stiegen in seine Augen; er riss seine Hand los, warf sich auf den Diwan und vergrub sein Gesicht in die Kissen, als wolle er beten.
„Das ist dein Werk, Harry“, sagte der Maler bitter.
Lord Henry zuckte die Achseln. „Es ist der wirkliche Dorian Gray — das ist alles.“
„Nein.“
„Ist er es nicht, was habe ich damit zu schaffen?“
„Du hättest fortgehen sollen, als ich dich bat“, murmelte er.
„Ich blieb, als du mich batest“, war die Antwort.
„Harry, ich kann nicht mit meinen beiden besten Freunden auf einmal streiten, aber er und du, ihr habt beide bewirkt, dass mir das schönste Werk verhasst geworden ist, das ich je gemacht habe, und ich will es vernichten. Was ist es mehr als Farbe und Leinwand? Es soll nicht zwischen uns drei kommen und unser Leben zerstören.“
Dorian Gray hob den goldlockigen Kopf vom Kissen und sah ihm mit blassem Antlitz und feuchten Augen zu, wie er zum Zeichentisch ging, der unter dem hohen verhängten Fenster stand. Was wollte er dort? Seine Finger tasteten unter dem Haufen von Blechtuben und trocknen Pinseln, als suchten sie etwas. Ja, sie suchten das lange Palettemesser mit seiner dünnen Klinge von biegsamem Stahl. Endlich hatte er es gefunden. Er schickte sich an, die Leinwand zu zerschneiden.
Mit einem erstickten Schluchzen schnellte der Jüngling vom Lager, war mit einem Satz bei Hallward, entriss ihm das Messer und schleuderte es in die äusserste Ecke des Ateliers. „Nicht, Basil, nicht!“ schrie er. „Es wäre Mord!“
„Es freut mich, dass du mein Werk endlich zu schätzen beginnst, Dorian“, sagte der Maler kalt, als er sich von seinem Erstaunen erholt hatte. „Ich hatte es nicht mehr erwartet.“
„Es schätzen? Ich bin verliebt in dein Bild, Basil. Es ist ein Stück von mir selbst. Ich fühle das.“
„Nun, sobald du trocken bist, sollst du gefirnisst und eins gerahmt und nach Hause geschickt werden. Dann kannst du mit dir machen, was du willst.“ Und er ging durch das Zimmer und klingelte nach Tee. „Du trinkst doch Tee mit mir, Dorian? Und du auch, Harry? Oder hast du etwas gegen so einfache Genüsse einzuwenden?“
„Oh, mir geht nichts über einfache Genüsse“, sagte Lord Henry. „Sie sind die letzte Zuflucht der Komplizierten. Aber ich bin nicht für Szenen, ausser auf dem Theater. Was seid ihr für Narren, alle beide! Ich frage mich, wer vom Menschen als einem vernünftigen Tier gesprochen hat. Es war die voreiligste Definition, die je gemacht wurde. Der Mensch ist vieles, nur nicht vernünftig. Eigentlich bin ich froh, dass er es nicht ist: aber ich wollte doch ihr Leute tätet über das Bild nicht zanken. Du solltest es lieber mir überlassen, Basil. Dieser dumme Junge wünscht es sich in Wirklichkeit gar nicht und ich sehr.“
„Wenn du es einem anderen als mir gibst, Basil, so verzeihe ich’s dir im Leben nicht!“ rief Dorian Gray; „und ich erlaube niemand, mich einen dummen Jungen zu nennen.“
„Du weisst, dass das Bild dir gehört, Dorian. Es war für dich bestimmt, ehe es noch da war.“
„Und Sie wissen, dass Sie ein klein wenig dumm gewesen sind, Herr Gray, und dass Sie im Grunde nichts dagegen haben, wenn man Sie daran erinnert, wie ausserordentlich jung Sie noch sind.“
„Heute morgen hätte ich sehr viel dagegen gehabt, Lord Henry.“
„Ah heute morgen! Seitdem haben Sie gelebt.“
Es klopfe, und der Diener trat mit einem vollen Teebrett ein, das er auf ein japanisches Tischchen setzte. Tassen klirrten, und ein georgischer Samowar zischte. Ein Boy drachte zwei runde Porzellanschüsseln. Dorian Gray ging zum Tischen und goss den Tee ein. Die beiden Männer näherten sich langsam und sahen nach, was unter den Deckeln war.