Das Mädchen, der Köter und ich. Хелена Эберг
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Читать онлайн книгу Das Mädchen, der Köter und ich - Хелена Эберг страница 6
»Was denn?«, fragte Viktor und brach ihr Schweigen.
»Ach was, es ist nichts«, sagte Marika und trank den Kaffee aus.
Viktor streckte sich nach der Tasche und zog sich die Jacke über.
»Ich muss los«, sagte er und strich sich mit der Hand die Haare aus der Stirn.
Marika nickte, sie standen auf und ließen das Tablett auf dem Tisch stehen. Viktor ging vor, die Tasche auf der Schulter, ohne sich um ihre Hand zu kümmern, die sich in seine Jackentasche hineingeschlichen hatte.
Von der Freilichtbühne blies das Blasorchester auf vollen Touren, und eine Gruppe halb erfrorener Rentner stand fröstelnd davor, hinter ihnen ein Typ mit schwarzer Baseballmütze und einem Ghettoblaster unter dem Arm, aus dem mit voller Lautstärke Technomusik dröhnte mit einem Bass, der wie ein verlorenes Herz pochte.
»Hast du noch ein paar Kronen, damit ich anrufen kann?«, fragte Marika.
»Nein, du hast den letzten Rest gekriegt«, sagte Viktor abwesend und versuchte herauszuhören, welches Lied mit der Blechmusik aufeinander prallte.
»Na dann«, seufzte Marika. »Jetzt kann ich nicht mal meinen Alten im Büro anrufen.«
»Arbeitet er heute?«, fragte Viktor.
»Hm, er arbeitet immer«, sagte Marika. »Aber weißt du was ...? Es ist doch nicht weit zu deiner Alten, oder?«
Viktor schüttelte den Kopf und schlug sich im Takt auf den Oberschenkel.
»Da komme ich mit und rufe von dort aus an, denn sie hat doch Telefon, oder?«
»Klaro hat sie, aber ...«
Viktor sah Marika an. Er konnte seinen Blick nicht von ihr lassen; ihr Haar, ihre Hände und die rote Jacke.
»Was denn, findest du es peinlich?«
»Peinlich?« Er räusperte sich und versuchte unbekümmert zu klingen. Er spürte, wie seine Ohren heiß wurden.
»Ja, ein Mädchen nach Hause mitzunehmen«, sagte Marika.
»Nein, gar nicht«, sagte Viktor, ohne es zu meinen.
»Okay«, sagte Marika, »dann ziehen wir los.«
Die Blechmusik verstummte und der Krachmacher hatte freien Spielraum. Marika summte den Refrain mit: »It’s my life, it’s my life, my boy.« Sie blieb stehen, machte ein paar schnelle Hip-Hop-Schritte und drehte sich auf der Stelle. Sie warf ihre Haare zurück und sah aus wie ein Nummerngirl aus dem Privatfernsehen. »Es ist total einfach«, sagte sie, »du darfst nur nicht nachdenken, sondern musst es einfach tun.«
Viktor hatte immer ebenerdig im Grünen gewohnt. Früher, als alles beim Alten war und seine Mutter daheim im Haus wohnte, hatte sie Dill und Salatköpfe gesät und Beete umgegraben. Sie hatte gern Erde unter den Nägeln. Viktor mochte keine Erde unter den Nägeln oder schmutzige Hände bekommen, aber er mochte seine Mutter, besonders, wenn sie da mit ihrer alten Jeans und den abgelaufenen Holzpantinen im Garten herumging und summte.
Jetzt wohnte sie fast in der Stadtmitte, am Sportplatz, in einem der höchsten Häuser der Stadt, im sechsten Stock. Das Haus war umgeben von schwarzem Asphalt, voll geschmierten Betonkästen mit stacheligen, dunkelroten Hagebuttenbüschen und von Ampeln und Autos, Autos, Autos.
Aber es war okay, wenn es ein Fußballspiel gab. Sie sagte, dass sie die Wohnung seinetwegen gewählt hatte, damit er auf dem Balkon sitzen und die Spieler anfeuern konnte, denn man sah den ganzen Platz schräg von oben. Eigentlich war es ihm lieber, sich mit anderen auf den Stehplätzen zu drängeln, eine Bratwurst zu kaufen und leere Dosen zu sammeln. Es machte aber trotzdem Spaß, bei seiner Mutter zu sein, man konnte weit sehen, fast bis ans Ende der Stadt. Und als es draußen auf dem alten Fabrikgelände brannte, hatte er alles gesehen: den Rauch, die Feuerwehrautos und die Karawane der Schaulustigen.
Er kannte den Türcode auswendig, 1632, und als er die Tasten gedrückt hatte, ging das Türschloss surrend auf. Sie traten ins Treppenhaus und die Haustür fiel hinter ihnen zu. Sie fingen an, die Treppen hinaufzulaufen. Viktor hörte, wie es hinter der Tür im ersten Stock raschelte, er packte Marikas Arm, lief voraus und zog sie bis zum nächsten Absatz. »Da unten wohnt ein alter Typ, der nicht ganz dicht ist«, zischte er, völlig außer Puste.
Viktor hatte, als er den Alten hörte, vergessen, die Stufen zu zählen, er hatte herausfinden wollen, wie viele Stufen es bis zu Mamas Wohnung waren. Er fing am zweiten Absatz von vorne an.
Er ging mit gleichmäßigen Schritten und las die Namensschilder: Fransson, Jakobsson, Manninen, und dann acht, neun, zehn, elf, zwölf ...
»In welchem Stock wohnt sie?«
»Im sechsten«, antwortete Viktor und blieb stehen.
Er drehte sich um und zählte die Stufen, bevor er weiter nach oben ging, dreizehn, vierzehn, fünfzehn ...
»Seit wann wohnt sie hier?«
»Wart mal!« Viktor lief zum dritten Absatz.
»Sechzehn, siebzehn, achtzehn«, zählte er laut.
»Was treibst du da?«
»Ich zähle.«
»Was denn?«
»Ich will wissen, wie weit es ist, das heißt, wie viele Schritte ...«
»Und wie viele sind es?«
»Sie wohnt im sechsten Stock. Achtzehn mal sechs macht ...«
»Einhundertacht«, sagte Marika schnell.
»Lass mal ausrechnen ... sechs mal zehn plus sechs mal acht«, murmelte Viktor, »ja, das macht einhundertacht, einhundertacht Stufen.«
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte Marika. »Ich nehme den Lift.«
»Mach nur, ich laufe.«
Viktor fuhr nicht Lift. Er hatte von einem Lift gelesen, der abgestürzt war, sodass die Menschen in den Fahrstuhlschacht rasten. Viktor wollte nicht abstürzen, deshalb fuhr er nicht Lift. Und er war noch nie geflogen, das war ihm schon peinlich, aber er redete eben nicht davon. Ähnlich ging es ihm mit Rolltreppen, das war manchmal fast noch schlimmer; alles drehte sich, und er glaubte die ganze Zeit, dass er neben die gelbe Linie treten und zwischen den Stufen zermalmt werden würde. Am schlimmsten war es im Kaufhaus. Um in die Spielzeugabteilung zu kommen, musste er sich auf die Rolltreppe zwingen, es gab keine normalen Treppen, nur einen alten, verschlissenen Warenaufzug. Aber bald würde Toys »R« Us im Parterre neben dem Kaufhaus Domus aufmachen, dann würde er dorthin gehen.
Marika schien so etwas nichts