Entdeckungen im Umbruch der Kirche. Группа авторов

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Entdeckungen im Umbruch der Kirche - Группа авторов Kirche im Aufbruch (KiA)

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ich es mit meiner Selbstregulation schaffe, mich herunterzuregulieren und einen normalen entspannten Grundton zu haben, dann kann der nächste Stress mich auch nicht so kalt erwischen. Wenn ich aber schon im Dauerstress bin, und irgendjemand kommt noch mit irgendetwas am falschen Punkt, fragt mich, kritisiert mich und hat noch eine Anforderung, dann kann ich mich sozusagen nicht mehr beherrschen, dann ist der Stress oder die Angst, dass alles nicht mehr klappt, nicht mehr zu verhindern. Dazu kommt, wenn man in diesem Hoch-Erregungs-Angst-Stress-Zustand ist, dass die Gedanken auch immer um negative Dinge kreisen. Man nennt das in der Psychotherapie „Katastrophenscanning“. Das finde ich ein ganz großartiges Wort, wenn wir uns die Diskurse in der Kirche angucken. „Katastrophenscanning“. Jetzt sind zwar unsere Kassen noch voll, aber wehe, in zehn Jahren werden sie leer sein. Rechnet es euch aus, dann und dann wird das Schlimme passieren!

      Denken Sie an ein Individuum, das Ihnen sagt: „Du, mir geht es heute total gut, wirklich, mir geht es gut, es ist alles schön, aber es könnte sein, dass ich in zehn Jahren krank werde und deshalb mache ich heute ganz viele Sachen und denke immer daran.“ Da würde man therapeutisch sagen: „Stimmt das denn?“ Das würde man im schlimmsten Fall eine generalisierte Angststörung nennen, wenn jemand seine Aufmerksamkeit in allem darauf richtet, was schiefgehen könnte und wo die Klippen des Lebens sind. Leider ist diese generalisierte Angststörung sehr häufig beim Homo sapiens. Denn der Homo sapiens hat ja leider dieses besondere Gehirn. Dieses Gehirn hat die Fähigkeit, im Gegensatz zu Tieren, ein Bewusstsein zu haben und die Zukunft zu antizipieren. Das ist unsere menschliche Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken und für die Zukunft zu planen. Es ist unser evolutionäres Erbe, dass wir Problemsucher sind. Und leider antizipieren wir die Probleme von in 10, 20 oder 30 Jahren, aber selten antizipieren wir die Glücksgefühle von in 10, 20 oder 30 Jahren. Wenn wir uns hier einmal treffen würden zu einer gut besetzten, qualifizierten und hoch besetzten Tagung und nur darüber reden würden: „Was glauben Sie, worüber Sie sich in zehn Jahren freuen werden, oder was könnte sein, wenn wir gesund sind, und was könnte in 20 Jahren chic sein, und wie können wir uns darauf vorbereiten, dass das passieren wird, und wie können wir uns innerlich gemeinsam darauf einstellen?“ Stattdessen machen wir, aus guter Gewohnheit und hohem Verantwortungsgefühl, das Katastrophenscanning für in 20 Jahren.

       3. Worst Case

      Eine wichtige Therapiemethode in der Verhaltenstherapie gegen die Angst, und jetzt komme ich schon zum Einstieg in die nächste Murmelgruppe, nennt man Flooding – Überfluten. Denken Sie z. B. an Menschen, die sich fürchten, auf einen hohen Turm zu gehen, weil sie die Angst haben, herunterzufallen und zu Schaden zu kommen. Die werden in der Therapie begleitet und vom Therapeuten auf diesen hohen Turm geführt. Das heißt, man führt sie mitten hinein in die angstauslösende Situation. Dann, das können Sie sich leicht vorstellen, steigt das Erregungsniveau auf eine unerträgliche Höhe. Aber da der Körper so gebaut ist, dass die Erregungskurve von einem bestimmten Punkt an von alleine fällt, kann der Patient oben auf dem Turm erleben, dass er diese Besteigung überlebt hat, und kann mit einer ziemlich großen Erleichterung wieder heruntersteigen. So funktioniert diese Überflutungstherapie.

      Und etwa in diesem Sinne möchte ich Sie jetzt zu einer eigenen Reflexion einladen, bevor Sie sich wieder zu dritt darüber austauschen: „Was ist eigentlich wirklich Ihre persönliche größte Angst? Worst Case? Was wird mit dieser Ihrer Kirche passieren, wenn es so schlimm kommt, wie es nur schlimm kommen kann, und wir nichts dagegen tun?“

      Eine Minute Stille, dann Murmelgruppen. Gegenseitig berichten, welche Bilder und Befürchtungen dabei gekommen sind.

      Da also unser Gehirn, wenn wir es zulassen, sich immer irgendwelche Probleme sucht, gibt es den schönen Satz: „Lassen Sie Ihr Gehirn nicht unbeaufsichtigt!“ Man muss eine Distanz dazu bekommen, was das Gehirn alles so macht und sagen: Tja, tja, danke, liebes Gehirn. Du hast dir wieder schön Sorgen gemacht, aber das ist jetzt gar nicht nötig. So ähnlich, wie man vielleicht einem Hund, der beim Klingeln aufgeregt zur Tür läuft, sagt, danke, alles in Ordnung, ich habe mitgekriegt, du hast deine Arbeit gemacht, so kann man auch mit seinem Gehirn umgehen und liebevoll versuchen, dieses Gehirn positiv zu beschäftigen, mit positiven Dingen zu beschäftigen. Viele von uns praktizieren, glaube ich, diesen deutschen Satz „Arbeit ist die beste Therapie“. Ich ertappe mich auch selbst immer wieder dabei, wenn ich missmutig bin und nicht so recht weiß, dass ich mir dann eine interessante Arbeit nehme und dass die Arbeit mich ablenkt. Das ist natürlich, wenn man an den vorhin beschriebenen Stresslevel denkt, nur manchmal eine gute Idee. Man sollte das nicht als Hauptbewältigungsstrategie nehmen, sich vor dem Grübeln mit der Arbeit zu retten.

       4. Wie funktionieren Veränderungen? Von der Angst zur Motivation

      Grundsätzlich wichtig für den autonomen Menschen ist die sogenannte Selbstregulation. Die bewusste Selbstregulation ist etwas, das man lernen kann. Wie gehe ich mit mir um? Diese Art der psychologischen Selbstbetrachtung ist aus meiner Sicht genau das, was Religionen immer schon geleistet und gelehrt haben. Wie gehe ich mit meiner Seele um? Welche Möglichkeit habe ich, mich innerlich auszurichten? Wie richte ich den Raum meiner Seele ein? Wenn ich mir vorstelle, meine Seele ist ein Raum: Habe ich nur Räume, in denen Sorgen, Sorgen, Sorgen sind, oder habe ich Räume, in denen Licht ist und Freiheit und Musik und Gemeinschaft und was es alles so Schönes gibt? Je bewusster ich mir mache, dass ich meinen seelischen Zustand immer ein Stück regulieren kann, selbst gestalten kann, je mehr, je häufiger, kann es mir gut gehen. Entspannungsübungen jeder Art, Fokussierung auf Ressourcen, das haben Sie alles schon einmal gehört. Wenn das so einfach wäre, würde es Millionen Menschen besser gehen. Aber so einfach ist es nun einmal leider nicht. Unsere Gewohnheiten sind wirklich stark und die Frage ist, was muss überhaupt passieren, damit Menschen sich ändern?

      Eine Art von Veränderung ist schleichend und fortlaufend, zum Beispiel wie man altert. Das merkt man gar nicht, und ab und zu stellt man fest, dass sich etwas verändert hat. Das ist die eine Form von Veränderung, die auch seelisch so mit uns passiert. Interessant ist die andere Form von Veränderung, nämlich dass wirklich schwere Krisen, schwere Erkrankungen, Naturkatastrophen oft zu Veränderungen führen, die die Menschen hinterher positiv bewerten. Katastrophen, echtes Leid, wirkliches an den Rand des Lebens Kommen, hilft den Menschen irgendwie, zur Besinnung zu kommen und in ihrer Seele so weit aufzuräumen, dass sie sagen: Danke, dass ich überhaupt noch lebe. Danke für jede kleine Erfahrung, die ich machen kann. Etwas Leckeres essen, wie schön. Einfach auf zwei Beinen die Straße entlanggehen können, wie schön. Das sind immer wieder die Menschen, die in den Talkshows das Bedürfnis haben, es allen zu erzählen. Zuletzt ist es jetzt Guido Westerwelle. Von schwerer Krankheit genesen, predigt er das.1

      Es ist sehr wertvoll, sich klarzumachen, dass Menschen tatsächlich in der Lage sind, plötzlich wahrzunehmen, wie kostbar und schön das Leben eigentlich ist. Bei den meisten Menschen, die zum Glück nicht so tragische Sachen erleben, funktionieren Veränderungen auf eine weitere, ganz einfache Art: Man ändert sich dann, wenn man etwas Besseres kriegen kann. Denken wir an das Thema Umzug. Man wohnt vielleicht in einer Wohnung, die einem nur durchschnittlich gefällt, und sagt sich, man müsse mal umziehen. Wenn man dann aber den Wohnungsmarkt sieht und sein Portemonnaie kennt, sinkt vielleicht die Motivation zu der Veränderung sehr schnell, und man arrangiert sich mit der bisherigen Wohnung. Aber wenn einem jemand ein schönes Haus anbietet und meint, ob man nicht in dieses Haus ziehen möchte, es koste sogar noch weniger Miete als die jetzige Wohnung, dann packt man ganz schnell und zieht um.

      Menschen lieben es durchaus, sich zu verändern, wenn sie sich verbessern können. Und solange sie nicht wissen, ob sie sich verbessern können, sitzen sie in ihren Wohnungen, über Jahrzehnte. Warum auch nicht? Wo steht denn geschrieben, dass sich jeder verändern sollte? Wer sagt das denn? So geht es auch vielen Kirchenmenschen, die sich fragen, warum sie sich verändern sollten. Meine Wohnung gefällt mir ganz gut. Nur weil jetzt hier irgendjemand von einer Tagung kommt, soll ich etwas anders machen? Was soll mir das bringen? Und so geht es den vielen, die sich bisher nicht für die Kirche interessiert haben und sich fragen, was sie davon haben sollten.

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