Ich bin Matteo Salvini. Chiara Giannini

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Ich bin Matteo Salvini - Chiara Giannini

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im Zuge der Debatte um das neue Notwehrrecht zu einer stillen aber offenen Konfrontation der Regierungspartner. Sämtliche Minister der Fünf-Sterne blieben dem Plenarsaal fern, während sich sechs ihrer Senatoren der Abstimmung enthielten und weitere neun als entschuldigt abwesend meldeten. Gleiches mit Gleichem vergelten, »Auge um Auge, Zahn um Zahn« – in keinem der beiden politischen Lager darf man aussprechen, was für jedermann erkennbar ist.

      Eine ähnliche Episode ereignete sich schließlich auch rund um das Bürgergeld, das politische Prestigeobjekt Luigi Di Maios. Salvini war dem offiziellen Phototermin nach der Verabschiedung des Gesetzes ferngeblieben, so daß es zwischen den beiden stellvertretenden Ministerpräsidenten erneut zum Konflikt kam. Immer häufiger erscheinen gegensätzliche Erklärungen der beiden Regierungspartner, die dann von Regierungschef Giuseppe Conte wieder eingefangen werden müssen, der in seiner Eigenschaft als Vermittler jedes Mal aufs Neue bemüht ist, rasch den Frieden auf der Regierungsbank wiederherzustellen, indem er an die verpflichtenden Vereinbarungen des Koalitionsvertrags erinnert.

      Aber wie lange wird sich diese Regierung noch im Sattel halten können? Das ist die Frage, die alle Italiener vor den kommenden Europawahlen umtreibt, die für die Wiedergeburt eines geeinten Centrodestra, aber ebenso für einige Überraschungen sorgen könnten. Doch freilich haben die Italiener noch sehr viele andere Fragen. Nicht zuletzt die, wer dieser Salvini denn wirklich ist? Ist er der Mann, den alle in ihm sehen – oder versteckt sich in seinem Schrank nicht doch das eine oder andere Skelett?

WAS VON DER EUROPAWAHL ZU ERWARTEN IST

      Am 14. April 2019 hat Matteo Salvini es noch einmal deutlich gesagt, auf dem Landesparteitag der Lega in der Region Latium: »Diese Wahl ist die letzte Chance, um Europa noch zu retten.« Sein Ziel ist es, auf europäischer Ebene ein längst verlorenes Gleichgewicht wiederherzustellen. Der falsche Einfluss der europäischen Institutionen auf manchen Gebieten, vor allem in der Außenpolitik, mache es unmöglich, fortzufahren wie bisher. Wenn die Europawahlen die erhofften Ergebnisse bringen, so kündigte der Minister an, wird »die Lega ganz Europa den Schutz der nationalen Grenzen aufzwingen. Mit der Lega als europäischer Führungskraft werden die EU-Außengrenzen dicht gemacht. Wir haben gesehen, wie der Versuch endete, die Demokratie mit Bomben und Panzern nach Afghanistan, in den Irak und nach Libyen zu exportieren. Die Grenzen Italiens waren, sind und bleiben für die Menschenhändler geschlossen.« Kurz gesagt, Salvini setzt alles daran, damit sich wirklich etwas ändert und Italien nicht länger das große Flüchtlingslager bleibt, zu dem es die früheren Regierungen gemacht haben.

      Die EU hat uns oft mit unserem Schicksal allein gelassen und wichtige Punkte allein der deutschen Kanzlerin Merkel oder auch dem Franzosen Macron überlassen, der ein Freund der »Renzianer« ist, aber sicher kein Freund Salvinis. Der steht vielmehr Marine Le Pen nahe, die von gewissen Kreisen immer wieder als viel zu weit rechts stehend verurteilt wird. Dabei war es vielmehr die Starrköpfigkeit einiger Regierungen nach den verheerenden Terroranschlägen und angesichts der millionenfachen Massenzuwanderung illegaler Migranten, die ganz Europa zunehmend nach rechts gerückt hat. Salvini weiß das und macht Druck, wobei er überwältigende politische Erfolge einfährt, die mit Sicherheit den Charakter der europäischen Gemeinschaftspolitik verändern werden.

      Die Verbündeten, die Salvinis Weg folgen werden, haben sich dabei auch schon offenbart. Nach der internationalen Pressekonferenz am 8. April in Mailand haben die anwesenden Parteien entschieden, sich dem von der Lega initiierten Projekt anzuschließen. Darunter die schon historischen Verbündeten der Freiheitlichen Partei Österreichs um Heinz-Christian Strache (Vizekanzler in Österreich), die Eesti Konservatiivne Rahvaerakond aus Estland, geführt von Mart Helme, der erst kürzlich mit fünf eigenen Ministern in die Regierung eintrat, sowie die slowakische Partei Sme Rodina um Boris Kollàr. Was nach den Europawahlen aus der italienischen Regierung wird, ist schwer zu sagen. Die Zusammenstöße innerhalb der gelb-grünen Koalition werden immer heftiger. Salvini und sein Regierungspartner Luigi Di Maio befehden sich auf eine Weise, daß man glauben mag, ihr Vertrag gewähre ihnen einen bewaffneten Frieden und sie respektierten ihn bloß aus Anstand. Doch wenn bereits die Regionalwahlen der Prüfstein für ein vereintes Centrodestra waren, das die Zustimmung von Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni fand, so könnten die Europawahlen durchaus zu einem Kurswechsel der Lega führen, die sich auch auf nationaler Ebene ihren historischen Verbündeten rechts von der Mitte annähern könnte. Es ist alles eine Frage der politischen Imagination, ein Spiel mit dem, was politisch möglich ist. So gibt es zwei Optionen. Nach den Europawahlen könnte sich Salvini entscheiden, den Koalitionsvertrag zu brechen und die in Umfragen ohnehin einknickende Fünf-Sterne-Bewegung ihrem Schicksal zu überlassen. In diesem Fall würde man zu Neuwahlen schreiten, zumal der Vorsitzende der Lega immer klar gesagt hat, daß eine neue technische Regierung auf keinen Fall in Betracht komme. Oder aber, zweite Möglichkeit, man geht den eingeschlagenen Weg weiter und akzeptiert den bisherigen Koalitionsvertrag, wenn auch widerwillig. Dies ist der Grund, warum die Wahlen am 26. Mai nicht allein für die Außenpolitik von Bedeutung sind, sondern ebenso für die italienische Innenpolitik. In den Räumen des Parlaments gehen jedenfalls Gerüchte um und es werden bereits Wetten angenommen, was nach den Europawahlen passieren wird. Und während das Land in einem Wartezustand verharrt und zu begreifen versucht, was da geschehen wird, kündet Salvini Innovationen und Entscheidungen an, die zum einen natürlich Teil seines Wahlkampfes, zum anderen aber bereits Kostproben konkreter Realpolitik sind.

      »Wir sind dabei, einen großen Plan zur Einstellung von Polizisten auszuarbeiten«, hat der Minister jüngst in Erinnerung gerufen, »und zudem einen großen Plan zur Anbringung von Überwachungskameras, um die Sicherheit der Bürger zu garantieren. Dann arbeiten wir an einem Fond für Senioren, die Opfer von Betrugsdelikten geworden sind. Im Juni wird die Übergabe von Elektroschockern an sämtliche Polizeibeamte erfolgen.« Daneben gibt es einen Punkt, den Salvini nicht leugnet: »Wir müssen«, wie er sagt, »aus dem Kampf gegen die Händler von Drogen und Todeshändler einen Krieg machen, und das läßt sich nur mit einer Anhebung der Strafen für solche Händler erreichen sowie mit einer Absenkung der legalen Besitzmenge, um diese Kriminellen schneller ins Gefängnis werfen zu können. Harte Strafen, das ist es, was gebraucht wird.« Also ist die Rechtslage zu ändern, zumal die Gesetzeshüter ihrerseits darüber klagen, daß eine rechtliche Handhabe entweder fehlt oder die Gesetze schlecht formuliert sind und eine konsequente Strafverfolgung nicht garantieren können – so etwa wenn Verbrecher das Gefängnis schon einen Tag nach ihrer Festnahme wieder verlassen dürfen beziehungsweise selbst bei Vergewaltigung und Raub noch Strafmilderung erhalten.

BACKSTAGE

      Rom, Viminalspalast. Ein Morgen Mitte April. Die Sonne steht am Himmel und wärmt bereits. Ich begebe mich zum Eingang, passiere die Einlaßkontrolle und gehe auf die Polizisten zu, die Wache halten. »Guten Tag, ich habe eine Verabredung mit Minister Salvini.«

      »Guten Tag« antworten sie, »Ihre Papiere, bitte«. Dann geben sie mir einen Gästeausweis und kündigen mich im Sekretariat des Herrn Vizepremierministers telefonisch an.

      »Hören Sie, das übliche Prozedere können wir uns sparen, begeben Sie sich einfach dort zum Seiteneingang.« Kaum trete ich in das Atrium ein, kommt mir schon ein Mitarbeiter entgegen. »Ich begleite Sie zum Aufzug«, erklärt er und weist mir den Weg. Im Obergeschoß erwartet mich Salvinis Pressesprecher, der Kollege Matteo Pandini15. »Ciao Chiara, wir müssen noch ganz kurz warten«, läßt er mich wissen. Kein Problem. Ich nehme auf einem der Sessel im Warteraum Platz und beginne, die Decke mit all ihren Rosenfenstern und Freskendekorationen zu bewundern. Ich sinne darüber nach, daß in Rom die Paläste der Macht, durchweg architektonische Wunderleistungen, auch deshalb heute so gut erhalten sind, weil sie schon lange als Regierungssitze genutzt werden. Während ich meinen Gedanken nachhänge und von verschiedenen Personen gefragt werde, ob ich einen Kaffee oder ein Glas Wasser möchte, vergeht die Zeit. Plötzlich ist Pandini wieder da und weist mir den Weg in ein Zimmer: »Da kannst du es dir bequem machen.«

      Als ich den Raum betrete, sehe ich ihn auch schon. Der Minister, da sitzt er an seinem Schreibtisch und unterschreibt Dokumente,

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