Nathan der Weise. Gotthold Ephraim Lessing
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Was gebt Ihr mir? So tret’ ich meine Stell’
Euch ab.
Nathan. Was bringt dir deine Stelle?
Derwisch. Mir?
Nicht viel. Doch Euch, Euch kann sie trefflich wuchern.
Denn ist es Ebb’ im Schatz — wie öfters ist —
So zieht Ihr Eure Schleusen auf: schießt vor,
Und nehmt ah Zinsen, was Euch nur gefällt.
Nathan. Auch Zins vom Zins der Zinsen?
Derwisch. Freilich!
Nathan. Bis
Mein Kapital zu lauter Zinsen wird.
Derwisch. Das lockt Euch nicht? So schreibet unsrer Freundschaft
Nur gleich den Scheidebrief! Denn wahrlich hab’
Ich sehr auf Euch gerechnet.
Nathan. Wahrlich? Wie Denn so? Wie so denn?
Derwisch. Daß Ihr mir mein Amt
Mit Ehren würdet führen helfen; daß
Ich allzeit offne Kasse bei Euch hätte. —
Ihr schüttelt?
Nathan. Nun, verstehn wir uns nur recht!
Hier gibt’s zu unterscheiden. — Du? Warum
Nicht du? Al-Hafi Derwisch ist zu allem,
Was ich vermag, mir stets willkommen. — Aber
Al-Hafi Defterdar des Saladin,
Der — dem —
Derwisch. Erriet ich’s nicht? Daß Ihr doch immer
So gut als klug, so klug als weise seid! —
Geduld! Was Ihr am Hafi unterscheidet,
Soll bald geschieden wieder sein. — Seht da
Das Ehrenkleid, das Saladin mir gab.
Eh es verschossen ist, eh es zu Lumpen
Geworden, wie sie einen Derwisch kleiden,
Hängt’s in Jerusalem am Nagel, und
Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß
Den heißen Sand mit meinen Lehrern trete.
Nathan. Dir ähnlich g’nug!
Derwisch. Und Schach mit ihnen spiele.
Nathan. Dein höchstes Gut!
Derwisch. Denkt nur, was mich verführte! —
Damit ich selbst nicht länger betteln dürfte?
Den reichen Mann mit Bettlern spielen könnte?
Vermögend wär’ im Hui den reichsten Bettler
In einen armen Reichen zu verwandeln?
Nathan. Das wohl nun nicht.
Derwisch. Weit etwas Abgeschmackters!
Ich fühlte mich zum erstenmal geschmeichelt;
Durch Saladins gutherz’gen Wahn geschmeichelt. —
Nathan. Der war?
Derwisch. „Ein Bettler wisse nur, wie Bettlern
zumute sei; ein Bettler habe nur
Gelernt, mit guter Weise Bettlern geben.
Dein Vorfahr, sprach er, war mir viel zu kalt,
Zu rauh. Er gab so unhold, wenn er gab;
Erkundigte so ungestüm sich erst
Nach dem Empfänger; nie zufrieden, daß
Er nur den Mangel kenne, wollt’ er auch
Des Mangels Ursach wissen, um die Gabe
Nach dieser Ursach filzig abzuwägen.
Das wird Al-Hafi nicht! So unmild mild
Wird Saladin im Hafi nicht erscheinen!
Al-Hafi gleicht verstopften Röhren nicht,
Die ihre klar und still empfangenen Wasser
So unrein und so sprudelnd wiedergeben.
Al-Hafi denkt, Al-Hafi fühlt wie ich!“
So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis
Der Gimpel in dem Netze war. — Ich Geck!
Ich eines Gecken Geck!
Nathan. Gemach, mein Derwisch, Gemach!
Derwisch. Ei was! — Es wär nicht Geckerei,
Bei Hunderttausenden die Menschen drücken,
Ausmergeln, plündern, martern, würgen; und
Ein Menschenfreund an einzeln scheinen wollen!
Es wär nicht Geckerei, des Höchsten Milde,
Die sonder Auswahl über Bös’ und Gute
Und Flur und Wüstenei, in Sonnenschein
Und Regen sich verbreitet, — nachzuäffen,
Und nicht des Höchsten immer volle Hand
Zu haben? Was? Es wär’ nicht Geckerei . . .
Nathan. Genug! Hör’ auf!
Derwisch. Laßt meiner Geckerei
Mich doch nur auch erwähnen! — Was? Es wäre
Nicht Geckerei, an solchen Geckereien
Die gute Seite dennoch auszuspüren,
Um Anteil, dieser guten Seite wegen,
An dieser Geckerei zu nehmen? He?
Das nicht?
Nathan.