Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen. Stefan Heijnk

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Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen - Stefan Heijnk

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       Die Scan-Phase auf Mobile Sites

      Zur Frage, wie die Nutzerinnen auf Mobilseiten den Inhalt auf Minidisplays überfliegen, gibt es bislang kaum substanzielle Studien. Zu vermuten ist, dass auf informierenden Mobilseiten ähnliche Blickverläufe zu registrieren sind wie auf informierenden Desktopseiten. Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Die Blickverläufe werden wahrscheinlich weniger stark in die Breite streuen, die einzelnen Fixationen eher nah an der Seitenmitte liegen. Relativierend gilt natürlich auch hier: Für den individuellen Blickverlauf werden letztlich immer der Inhalt sowie Art und Anordnung der Stimuli maßgeblich sein. Die Möglichkeiten, durch gezieltes Anordnen von Fotos weitmaschige Blickachsennetze anzulegen, sind auf den kleinen Displays räumlich zwangsläufig begrenzt. Mobilnutzerinnen dürften eine aufgerufene Seite deshalb in der Regel vor allem über die Seitenmitte vertikal in Richtung nach unten scannen. Mit der Tendenz, dass die Zahl der Fixationen links der Mitte etwas höher sein dürfte als rechts, weil es unserer Leserichtung beim Lesen entspricht, linksbündig zu beginnen. Eine Eyetracking-Studie des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) aus 2012 legt nahe, dass diese Hypothese zutrifft. Allerdings beruhen die Befunde darin auf Trackingdaten von insgesamt 18 Probanden. Für grundsätzliche Aussagen ist das zu dünn.

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      Abb. 13:Heatmap für die Blickkontakte auf einer mobilen Webseite. Im Fokus ist die Bildmitte, die linke Seite wird relativ am stärksten betrachtet. Quelle: DFKI.

      Das Scanverhalten auf mobilen Startseiten ähnelt also jenem Scanverhalten, dass in den Scan-Rennstrecken auf Desktop-Startseiten zu beobachten ist: Wenn die Teaser streng linksbündig untereinander angeordnet sind, kann in vertikaler Richtung relativ schneller durchmustert und ausgewählt werden. Gleichwohl stellt sich auch für mobile Startseiten die Aufgabe, nicht nur schnelles Scannen zu ermöglichen, sondern auch Nutzeraufmerksamkeit zu binden. Dazu braucht es als Beleg keine passenden wissenschaftlichen Befunde. Interessant ist deshalb, wie attraktive Verweilzonen auf mobilen Startseiten geschaffen werden können. Als Standardwerkzeug haben sich hier horizontale Slider etabliert, die in angemessenen Abständen in die mobilen Startseiten eingebunden sind. Wer sie benutzt, unterbricht für ein paar Sekunden die Bewegung in vertikaler Richtung – und verweilt an Ort und Stelle. Das Prinzip ähnelt also den Verweilzonen auf Desktop-Startseiten. Der Vorteil: Die mobile Seite wird quasi nach rechts laufend erweitert und kann deshalb in der Vertikalen kürzer sein. Webdesigner bezeichnen dieses Konzept als »bidirektionales Scrolling«. Wenn das Site-Template einem Mobile-First-Ansatz folgt, werden die horizontalen Slider zwangsläufig auch am Desktop ausgespielt. Horizontales Scrolling ist dort allerdings eher unbeliebt. Es kommt also auf eine angemessene Mischung an.

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       Abb. 14: Schematische Darstellung einer Webseite mit horizontalen Karussellen. Mobile Seiten können auf diese Weise virtuell erweitert werden. Quelle: uxplanet.org

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      Abb. 15:Bidirektionales Scrolling auf der mobilen Startseite der FAZ. Damit die Seite vertikal nicht zu lang wird, sind einige Ressorts als Karusselle (Carousels) für horizontales Scrollen arrangiert. Quelle: faz.net, eigener Screenshot.

       Die Rezeptionsphase auf Mobile Sites

      Für ein ausführlicheres Lesen scheint der Kleinbildschirm auf den ersten Blick nicht sonderlich förderlich zu sein, jedenfalls deutet sich dies in einer Search-Engine-Watch-Auswertung für die New York Times an: Fast 18 Minuten dauert dort durchschnittlich ein Desktopvisit, während ein Mobilvisit nur auf knapp 2 Minuten kommt. Die verbreitete Annahme, Texte fürs mobile Lesen müssten zwangsläufig besonders kurz sein, ist dennoch pauschal nicht zutreffend. Zur Lese-Intensität auf Mobilseiten gibt es reichlich gegenläufige Befunde: Das Nachrichtenportal Buzzfeed etwa vermeldete bereits in 2014, dass die durchschnittliche Lesezeit für längere Artikel (über 6.000 Wörter) auf seiner Plattform bei deutlich über 10 Minuten liege, wohlgemerkt auf dem Smartphone. Für einzelne sogenannte »Longreads« wurden dort sogar 25 Minuten registriert. Ähnliche Beobachtungen gibt es auch auf anderen Nachrichten-Websites. Das renommierte Pew Research Center hat die Rezeption längerer Texte auf Smartphones bereits in 2016 umfänglich untersucht. Datenbasis der Studie waren 123 Millionen Sessions von 71 Millionen Webnutzern für 74.840 gelesene Artikel auf 30 Nachrichtensites. Im Ergebnis zeigte sich, dass Longform-Artikel (mit 1.000 Wörtern und mehr) auf mobilen Endgeräten im Durchschnitt von ebenso vielen Nutzern gelesen werden wie Shortform-Artikel (mit 101 bis 999 Wörtern). Die durchschnittliche Verweilzeit betrug für die Langtexte dabei 123 Sekunden, für die kürzeren Texte waren es 57 Sekunden. Dabei galt: Je länger die Artikel, desto länger auch die Verweilzeit. Artikel mit 5.000 Wörtern und mehr kamen beispielsweise auf eine durchschnittliche Verweilzeit von 270 Sekunden, also fast fünf Minuten. Relativ längere Texte sind für Mobilnutzer also keineswegs von vornherein abschreckend. Faktisch kommt es wohl vor allem auf den jeweiligen Inhalt an – und auf die Intensität des Interesses auf Nutzerinnenseite.

      Unscharf sind auch die Befunde für die durchschnittlichen Visitlängen im mobilen Web, also für mehrere Seitenabrufe während eines Site-Besuchs. Letztlich kann jeder Website-Anbieter diese Daten natürlich individuell in Echtzeit aus seinem Traffic auslesen. Das sagt aber dann noch nichts über das Benchmarking aus, also über den Vergleich zu den Nutzungswerten der Konkurrenz. Um Referenzpunkte zu gewinnen, hat Search Engine Watch deshalb in 2015 die Nutzungsdaten für die Suchmaschinen Google und Bing sowie für einige redaktionelle Websites ausgewertet, u.a. für die New York Times. Danach sind die Visit-Verweilzeiten in der Mobilnutzung im Durchschnitt deutlich kürzer als in der stationären Webnutzung. Bei der New York Times bleiben mobil nur noch 8 Prozent der durchschnittlichen Desktop-Verweilzeit je Visit übrig. Das ist nicht sonderlich überraschend, denn die mobile Nutzung ist von deutlich mehr Störfaktoren belastet als die stationäre Nutzung.

      In Sekunden gemessen sieht das so aus: Mobilnutzer verweilen bei der New York Times nur 103 Sekunden, stationär sind es über 17 Minuten. Die Verweilzeit für einen mobilen Pageview beträgt bei der New York Times etwa 40 Sekunden. Die Daten sind natürlich mit Zurückhaltung zu betrachten. Für eine genauere Einschätzung typischer Verweilzeiten auf mobilen Webseiten braucht es einfach mehr und umfassendere Daten. Es deutet sich allerdings an, dass auf Desktopsites die Visits tendenziell länger dauern und mehr Pageviews generieren. Gleichzeitig sind die Verweilzeiten auf einzelnen mobilen Seiten denen der Desktopnutzung durchaus ähnlich.

      Um das Lesen auf Smartphone-Bildschirmen ranken sich also viele, oft simplifizierende Mythen. Vor allem steht oft die Behauptung im Raum, auf kleinen Monitoren werde nicht intensiv gelesen, Texte müssten deshalb besonders kurz sein. Die Befundlage zeigt ein anderes Bild: Minidisplays halten die Mobilnutzer keineswegs davon ab, auch längere Texte zu lesen. Eher unwahrscheinlich ist es, dass die Textmenge allein über die Lesedauer entscheidet. Es kommt eher darauf an, dass ein dargebotenes Thema möglichst perfekt zum aktuellen Ausgangsinteresse eines Lesers passt. Ist dieses Ausgangsinteresse intensiv, dann wird auch intensiv gelesen, sofern der Text sprachlich für den jeweiligen Leser angemessen eingängig verfasst ist. Und sofern das visuelle Drumherum stimmig arrangiert ist.

      Im Mobile Publishing kommt es also mehr denn je darauf an, die gute Form zu wahren, relevante Themen zu erkennen und die Sprache der Zielgruppe zu sprechen. Entscheidend bleiben letztlich Qualität und Relevanz des Inhalts.

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