Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen. Stefan Heijnk

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Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen - Stefan Heijnk

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vorbei, noch ehe sie richtig begonnen hat. Und der Nutzer wechselt zu einem anderen, interessanter erscheinenden Marktstand. Analytisch betrachtet verläuft diese Startphase im Kontakt zwischen Website und Nutzer also in einem Dreischritt:

      1 Ladephase: Abwarten des Seitenaufbaus

      2 Scanphase: Überfliegen des Seiten-Inhalts

      3 Rezeptionsphase: Lesen, Hören, Anschauen des Seiten-Inhalts

      Ob die Leute dabei gerade ein Smartphone in der Hand halten oder ob sie vor dem Monitor am Schreibtisch sitzen, spielt erst einmal noch keine Rolle. Laden–Scannen–Rezipieren – dieser Dreischritt bleibt unabhängig vom Endgerät typisch für jeden Website-Nutzerin-Kontakt. Aus Sicht der Usability-Forschung ist in diesem Dreischritt entscheidend, dass die nutzerseitigen Erwartungen in allen drei Phasen optimal erfüllt werden. Wobei die Erwartung durchaus auch sein kann, dass den Erwartungen nicht entsprochen werden soll. Alles dreht sich ums schnelle Gewinnen und möglichst lange Binden von Aufmerksamkeit. Wer die Blicke rasch zum Ziel führt, ist im Vorteil. Das gilt für die Rezeption am Schreibtisch-Monitor ebenso wie für das mobile Surfen per Smartphone.

       Die Ladephase am Desktop

      Für stationär abgerufene Webseiten ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten hinreichend erforscht worden, worauf es im Detail ankommt. Auch wenn in jeder Phase dieses Kontakts zahlreiche, individuelle Variablen in den tatsächlichen Blickverlauf eingreifen, so lassen sich dennoch typische Verhaltensmuster feststellen. In der Ladephase der Desktop-Webnutzung sehen die Nutzer zuerst, wie sich die abgerufene Seite auf dem Bildschirm aufbaut. Innerhalb von Sekundenbruchteilen entsteht dabei ein erster Eindruck, buchstäblich ein ästhetisches Vor-Urteil. Bereits nach 50 Millisekunden ist eine erste Hypothese darüber aufgestellt, ob das Gesehene den individuellen Erwartungen entspricht – oder nicht. Dieses Vor-Urteil wird dann blitzschnell mit weiteren Eindrücken angereichert und ist am Ende der ersten Halbsekunde des Blickkontakts bereits abschließend formuliert. Zu beachten ist: Dieses Vor-Urteil prägt maßgeblich, wie die weitere Wahrnehmung der betrachteten Site verläuft. Ist der erste Eindruck positiv, dann steigt die Wahrscheinlichkeit für einen weiterhin positiv verlaufenden Website-Nutzer-Kontakt. Wenn nicht, wird’s sofort schwierig, denn es gibt tatsächlich keine zweite Chance für einen guten ersten Eindruck.

      Wahrgenommen werden in diesem extrem kurzen Zeitfenster grafisch markante Hinweise auf »visuelle Komplexität« und »Prototypikalität«. Visuelle Komplexität wird in den entsprechenden Studien als Faktor verstanden, der in drei Stufungen bewertet wird: hoch, niedrig und mittel. Für mehr ist einfach keine Zeit. Zeichenmengen, Farben, Fluchtlinien, Positionen und Proportionen spielen eine wesentliche Rolle. Wird die Komplexität vom Probanden als hoch eingeordnet, dann ist der erste Eindruck negativ. Besser ist es deshalb, die erste Bildschirmportion nicht zu überfrachten.

      Prototypikalität wiederum bezeichnet den Grad, »in dem ein Objekt repräsentativ ist für seine Objektklasse«. Das Objekt »Website« braucht deshalb typische Komponenten an bestimmten Positionen, um als Website erkannt werden zu können. Für unterschiedliche Website-Typen, also für News-Websites oder Online-Shops oder Corporate Websites, sind dabei je eigene Komponenten-Sets zu unterstellen.

      Weicht das Aussehen einer Website vom gängigen Muster ab, dann ist die Site minderprototypisch, und der erste Eindruck kann schon negativ geprägt sein. Hochgradig prototypische Websites werden tendenziell positiv bewertet. Die Forschung empfiehlt deshalb eine Kombination aus niedriger beziehungsweise mittlerer visueller Komplexität und hoher Prototypikalität. Einfacher formuliert: Eine Website sollte durch eine überschaubare Zahl markanter Elemente mitteilen, welche Art Website sie ist. Es gilt deshalb, die gegebene Fläche klar zu gliedern und die Standard-Komponenten erwartungskonform zu positionieren. Wer ein Gesicht zeichnen will, braucht ja schließlich auch nicht viel: Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht.

      In mehreren, meist älteren Studien wurde untersucht, wie viel Geduld die Nutzer aufbringen, bis eine Seite geladen sein muss. Die Usability-Forscher Nina Bhatti, Anna Bouch und Allan Kuchinsky beispielsweise konstruierten dazu in 2001 in einer Untersuchung mit dem Titel »Integrating User-Perceived Quality into Web Server Design« eine ebenso simple wie effiziente Versuchsanordnung. Um herauszufinden, wann sich die Geduld der Nutzer erschöpft, platzierten sie auf einer fiktiven Startseite einen Button mit der Aufschrift »Laden der Seite beschleunigen« und maßen über die Server-Logs dann die Zeit, die verstrich, bis die Testpersonen den Button anklickten. Ergebnis: Im Durchschnitt geschah dies nach exakt 8,67 Sekunden. Acht Jahre später haben der Webtechnologie-Anbieter Akamai und Forrester Research in punkto Geduld bei den Nutzern nachgefragt. Das Ergebnis: 47 Prozent erwarteten, dass eine abgerufene Webseite nach spätestens zwei Sekunden auf dem Desktop-Bildschirm sein muss. Es darf sicher angenommen werden, dass die Nutzergruppe mit dieser Ladezeit-Erwartung bis heute nicht kleiner geworden ist. Praktisch bedeutet das: Geben Sie Gas. Jede Sekunde zählt.

      Usability-Guru Jakob Nielsen hat zum gleichen Thema immer wieder auf nutzerseitige innere Zeitschranken hingewiesen (1993, 1997, 2009, 2010). Danach werden die Webnutzer grundsätzlich schon nach einer Sekunde ungeduldig und registrieren bewusst, dass sie warten müssen. Je länger sie warten müssen, desto stärker wird die Ungeduld. Die nächste Zeitschranke wird dann nach etwa zehn Sekunden erreicht – das ist das durchschnittliche Maximum für die zeitliche Länge des Geduldsfadens. Innerhalb dieser Zeitspanne von bis zu zehn Sekunden fangen die Benutzer an abzuschweifen und sind schon nicht mehr richtig bei der Sache. Dauert also das Laden länger als zehn Sekunden, dann bricht der Flow ab. In diesen Fällen verlassen die Benutzer oft die Website und nehmen den Kontakt später auch nicht wieder auf.

      Hinzu kommt, dass in der Ladephase nicht nur über den ersten Eindruck beim Nutzer vorentschieden wird, sondern auch die Sichtbarkeit in den Suchergebnislisten beeinflusst ist: Google bewertet Ladezeiten kürzer als 1,5 Sekunden als schnell – und berücksichtigt ein solches Ergebnis auch fürs Ranking. Wenn eine aufgerufene Seite nach 1,5 Sekunden nicht vollständig auf dem Bildschirm ist, gibt es bereits Strafpunkte.

       Die Scan-Phase am Desktop

      In der sich anschließenden Scanphase treffen Angebot und Nachfrage vorentscheidend aufeinander. Das Geschehen ist hier stark vom jeweiligen Stimulus abhängig und natürlich von persönlichen Faktoren auf Seiten der Nutzer, ganz wesentlich vom aktuellen individuellen Ausgangsinteresse. Entsprechend gibt es keine Möglichkeit, den Blickverlauf für einen Menschen exakt zu prognostizieren. In Blickverlaufsuntersuchungen ist immer wieder zu beobachten, dass die Entry- und Exit-Points auf den betrachteten Seiten stark streuen, auch kann die Dauer der Scanphase von Person zu Person variieren. Zudem kommt es in der Desktop-Rezeption darauf an, ob gerade eine Startseite oder eine artikeltragende Seite betrachtet wird.

      Gleichwohl gibt es empirisch belastbare Annäherungen und Wahrscheinlichkeiten. Für stationär abgerufene Startseiten auf Nachrichtenwebsites beispielsweise wurde bereits 2004 dokumentiert, dass sie durchschnittlich etwa 12 bis 17 Sekunden gescannt werden, bis der erste Klick erfolgt. Jüngere Studien haben diesen Befund seither immer wieder neu bestätigt. Webtraffic-Analyst Chartbeat beispielsweise stellte 2018 eine durchschnittliche Verweilzeit von 16 Sekunden auf Desktop-Homepages fest.

      In diesem Zeitfenster werden neben dem Site-Logo, den Navigationselementen, den Bildern und anderen Startseitenkomponenten durchschnittlich etwa fünf Überschriften betrachtet. Jakob Nielsen hat festgestellt, dass die Benutzer etwa zehn Sekunden dafür brauchen, um sich auf einer Webseite umzusehen.

      Der Blickverlauf wird in dieser Phase wesentlich vom konkreten Screen- beziehungsweise Interfacedesign beeinflusst. Fotos und Überschriften sind in den ersten Sekunden die stärksten Blick-Attraktoren. Über die Blickkontaktreihenfolge,

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