Optimierung des Menschen. Группа авторов

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Optimierung des Menschen - Группа авторов Gesellschaftspolitische Texte des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim

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habe aber ihre Lektion gelernt. Heute würde die Selbstbestimmung der Patienten geachtet und es bestünden keine rassistischen Ressentiments mehr in der Medizin. Das Problem der Medizin sei heute ein anderes: „Die Medizin kann den Menschen mit Hilfe der Genetik und der modernen Neurologie verändern, bei zunehmender Ungewissheit, was den Menschen eigentlich ausmacht.“ Ob dies wirklich eine Frage ist, die unabhängig von der Geschichte zu beantworten ist, sei dahingestellt.

      Eine ganz andere Antwort gibt Richard Schröder, emeritierter Philosoph und Theologe der Humboldt-Universität. Er sagt, das „einfache Lernen“ aus der Geschichte sei nicht möglich, eine einfache Wiederholung gebe es nicht. Wer sich zu sehr auf die vorige Geschichte konzentriere, bemerke die nächste Geschichte womöglich zu spät. Von ihm stammt im Hinblick auf die Aufarbeitung von Faschismus und DDR-Sozialismus auch der Gedanke, dass es nicht um Gleiches geht, sondern vielmehr um Ungleiches, um Unterschiedlichkeiten, die wir zwischen gestern und heute erfassen sollten, um Fragen zu stellen, um etwas zu verstehen, und um Schlussfolgerungen aus der Geschichte zu ziehen. Schröder wirbt damit für eine Sorgfalt in der Beachtung der Geschichte – erst, wenn man die Geschichte genau kenne, könne man die Unterschiedlichkeit und damit auch die Gefahr der Wiederholung von Risiken erkennen. Nimmt man die derzeitige Entwicklung der neo-eugenischen Debatte in den Blick, fallen gleichermaßen Ungleichheit wie Gleichheit, besser Ähnlichkeit, mit den früheren Debatten und ihrem Verlauf auf.

      Different zur früheren Entwicklung ist sicherlich die enorme Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung, der ethische Entscheidungen halb zustimmend, halb abbremsend, quasi hinterherhinken. Dabei erscheint die ethische Debatte oft hilflos, lediglich nachformulierend oder nachjustierend. Gute Beispiele hierzu sind der Verlauf der Debatte über den Embryonenschutz in Deutschland oder die Ausweitung pränataler und präimplantiver Diagnostik.

      Eine Ähnlichkeit zur früheren Entwicklung besteht in einer zumindest insinuierten Teleologie der Entwicklung. War es früher die kulturpessimistisch eingefärbte Ansicht, dass die Menschheit nur durch eugenische Eingriffe vor Degeneration bewahrt werden und überleben könne, so ist es heute die Ansicht, dass der Mensch durch Optimierung noch mehr Glück erleben und mehr leisten und – auch diese Ansicht greift zunehmend Raum – gegen die neuen Umweltgefahren besser geschützt werden könnte.

      Unausweichlich oder regulierbar?

      Vor dem Hintergrund der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit und der zumindest so wahrgenommenen zielgerichteten Weiterentwicklung der Technologie stellt sich die Frage, ob es sich um jeweils unausweichliche Entwicklungen handelt, oder um Entwicklungen, die durch bestimmte öffentliche Aktivitäten – insbesondere gesetzgeberische Eingriffe – verändert werden können. Beide Positionen stehen sich in der US-amerikanischen Debatte gegenüber.

      Gregory Stock hat sein wegweisendes Buch über die Zukunft der Biomedizin „Redesigning Humans. Our Inevitable Genetic Future“ (Stock 2002) genannt. Wie der Titel schon nahelegt, hält er die biotechnologische Entwicklung nicht nur für unaufhaltsam, sondern die Verbesserung und Optimierung der Menschen durch genetische Methoden für erstrebenswert. Wie andere Befürworter der Optimierung der Menschen durch genetische Methoden geht er davon aus, dass ein hoher Anteil der Menschen weltweit einem genetischen Eingriff in die Keimbahn zustimmen würde, sollte dies der Verbesserung der mentalen und psychischen Gesundheit ihres Kindes dienen. Den Anteil derer, die zur Verhinderung feststellbarer genetischer Schäden wie beispielsweise der Disposition zur Mukoviszidose oder anderer schwerer Erkrankungen durch eine genetische Keimbahntherapie zustimmen würden, schätzt er auf 62 bis 81% weltweit. Stock bezeichnet das Stadium, in dem wir derzeit Reproduktionsentscheidungen treffen, als das Stadium der germinal choice technology, der Wegwahl-/Auswahlentscheidungen. Dieses Stadium bezeichnet er als diffus und ungeplant, da damit Ungerechtigkeiten entstehen und für bestimmte Menschen die Möglichkeit der Weiterentwicklung verhindert würde. Anzustreben sei die Überwindung dieses Stadiums durch die Keimbahnintervention, in der weiterzugebende Merkmale in das Erbgut eingebracht, ungewollte Merkmale ausgelöscht würden. Dies sei das Stadium der inheritable genetic modification, das Stadium der Auto-Evolution des Menschen mit der Chance, die menschliche Gattung weiter zu entwickeln.

      Interessant ist an dieser bereits am Anfang des neuen Jahrtausends veröffentlichten Position, dass sie die Hinzufügung gewünschter Merkmale und die Inaktivierung unerwünschter Merkmale durch Keimbahneingriffe gleichsetzt, somit also zwischen den heute diskutierten so genannten therapeutischen und den verbessernden Eingriffen in die Keimbahn keinen prinzipiellen Unterschied macht. Auffallend ist des Weiteren, dass die heutige Diskussion über CRISPR/Cas seine Argumentation der Ungerechtigkeit für Menschen, die auf Grund unerwünschter genetischer Merkmale gar nicht geboren würden, aufgreift. Ihre Befürworter betonen, dass damit die Wegwahlentscheidungen in Gestalt des Schwangerschaftsabbruchs nicht mehr nötig seien – Keimbahninterventionen zur Vermeidung der Weitergabe unerwünschter Merkmale würden diese überflüssig machen. Die Möglichkeit der Hinzufügung weiterer Merkmale, also der Enhancement-Eingriffe am Embryo, wird derzeit von den Befürwortern kaum in die Argumentation einbezogen, obwohl sie natürlich nach einer Legalisierung nicht nur möglich, sondern auch naheliegend wären. Stock reiht sich mit dieser Argumentation in die Reihe der früheren Vordenker der Humangenetik und Eugenik ein, auch wenn er diese Tradition für sich verneint und betont, als Bioethiker des enhancement weit von einer Ethik des „breeding“, also der Züchtung entfernt zu sein. Er geht aber, ebenso wie seine historischen Vorbilder, nicht nur von der Verbesserungsfähigkeit, sondern von der Verbesserungswürdigkeit des Menschen bezüglich seiner genetischen Ausstattung aus. Unausgesprochen setzt er damit auch die Determiniertheit des Menschen durch seine genetischen Eigenschaften voraus, und geht davon aus, dass genetische Eingriffe gezielt zur Verbesserung von Merkmalen wie Charakter und Leistung eingesetzt werden können. Die Distanzierung vom Begriff des „breeding“ ist somit reine Rhetorik.

      Als einer der Vertreter der Gegenposition sei Francis Fukuyama genannt, ehemaliges Mitglied des Beraterstabes des amerikanischen Präsidenten. Er teilt die Ansicht Stocks, dass die wissenschaftliche Entwicklung und damit die Verfügbarkeit über genetische Zugriffsmethoden auf den Embryo in Zukunft unabwendbar sein werden. Anders als Stock fordert er aber die Regulierung der Anwendung des wissenschaftlichen Fortschritts durch Gesetze und glaubt nicht daran, dass wissenschaftliche Forschung in jedem Falle auch zur Anwendung kommen muss (Fukuyama 2002). Insofern vertritt er eine Position, die auch viele Bioethiker in Deutschland vertreten, die eine Regulierung wollen, die gewünschte von unerwünschten Anwendungen per Gesetz definieren und regulieren soll. Das von Fukuyama umrissene politische Programm zur Regulierung ist wenig befriedigend. Er fordert zwar das Verbot des reproduktiven Klonens, für alle anderen Interventionen in die Keimbahn aber eine ständige, nachgehende Diskussion der Öffentlichkeit und demokratische Entscheidungen durch das Parlament. Er betont die Unterscheidung zwischen sogenannten therapeutischen Interventionen, mit denen die Weitergabe von erblichen Erkrankungen und Belastungen gemeint ist (dies wäre das Beispiel der Inaktivierung des Mukoviszidose-Gens im Embryo) und reinen Enhancement-Interventionen, wie beispielsweise die Implementierung der Fähigkeit zur größeren Lustempfindung, zum Längenwachstum oder zu besonderen Begabungen. Fukuyama ist sich über die Schwierigkeiten einer Grenzziehung zwischen beiden Bereichen zwar durchaus bewusst, er vertraut aber auf den jeweiligen demokratischen Entscheidungsprozess und fordert, dass die Ver- und Gebotsregelungen jeweils demokratisch durch die entsprechenden Gremien entschieden werden.

      Diese Position hat Francis Fukuyama in den USA eine erhebliche Kritik eingebracht, insbesondere aus dem konservativen Lager. Ihm wurde vorgeworfen, ein staatlich verordnetes Eugenikprogramm zu vertreten. Dagegen ließe sich einwenden, dass Fukuyama versucht, eine Entwicklung, von der er wie viele seiner Zeitgenossen annimmt, dass sie letztendlich nicht aufzuhalten sein wird, mit legalen Mitteln einzugrenzen und eine pragmatische, wenn auch flexible Form der jeweiligen Begrenzung durchzusetzen. Insofern kann man sein Konzept auch als den Versuch eines verantwortungsgestützten Umgehens mit den Fortschritten der Biotechnologie bezeichnen, mit der aber prinzipiell eingeräumt wird, dass Eingriffe in das menschliche Genom unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht werden können.

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