Optimierung des Menschen. Группа авторов

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Optimierung des Menschen - Группа авторов Gesellschaftspolitische Texte des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim

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hat sie in die Länge gezogen, die Zunge genommen, auseinander gerissen, die Zunge gespalten und dann war sie eine Schlange. Anders ist das nicht zu erklären, die Frage. Ja, nun ist das Paradies zu Ende. Seitdem sind wir eben hier und nicht mehr im Paradies. Und nun bitte ich meinen Freund Konrad Paul Liessmann, sich die Gedanken drüber zu machen, die mir verwehrt sind, dass ich sie drüber mache, weil ich kann nur erzählen. Dankeschön!

       Konrad Paul Liessmann:

      Ja, meine Damen und Herren, ich nehme an, dass Michael Köhlmeier diese Geschichte ausgewählt hat – er hat’s an einer Stelle angedeutet – weil sie mit diesem Tagungsthema zu tun hat: Die Optimierung des Menschen. Bevor ich versuche, aus dieser Geschichte vom Paradies, von der Erschaffung des Menschen, einige Überlegungen zu diesem Tagungsthema anzustellen, erlauben Sie mir am Ende dieser Erzählung anzuknüpfen. Die Frage: Was hat die Schlange eigentlich vorher gemacht und wie hat die Schlange vorher ausgesehen? Das ist ja eine Frage, die man gerade an diese Schöpfungsgeschichte, an die Genesis, prinzipiell stellen kann. Ich weiß nicht, ob Sie sich schon einmal diese Frage gestellt haben. Köhlmeier begann ja mit „Irgendwann einmal kommt Gott auf die Idee, ich schaff’ jetzt ein Paradies oder ich schaff’ ein Ebenbild von mir“. Man könnte auch fragen: Was hat Gott eigentlich vorher gemacht? Hat er überhaupt was gemacht? Ja offensichtlich nicht, sonst gäb’s ja noch unzählige andere Welten, von denen wir nichts wissen. Der heilige Augustinus hat diese Frage gekannt. Was hat Gott gemacht bevor er das Paradies und die Erde, den Kosmos, geschaffen hat? Und er hat auch eine Antwort darauf gefunden. Er sagte: „Bevor Gott Himmel und Erde geschaffen hat, hat er die Hölle für diejenigen geschaffen, die solche Fragen stellen.“

      Das führt uns aber gleich wieder zurück, zu einigen wirklich interessanten Überlegungen, die man im Anschluss an diese Geschichte stellen kann. Denn es geht ja in der Tat ganz stark um die Frage: Wer darf legitime Fragen stellen? Was heißt es überhaupt, Fragen zu stellen an Gott? Luzifer und Samael scheitern, weil sie unzulässige Fragen stellen. Ich möchte mich jetzt konzentrieren, im Zusammenhang mit unserem Tagungsthema, auf eine Frage, die sich aus diesem Thema ja ergibt und die uns zurückführt auf diese natürlich biblische mythische Geschichte, die uns ein bisschen auch versucht zu erklären, wie’s um uns bestellt ist. Wenn wir von der Optimierung des Menschen sprechen, fragen wir natürlich nach der Verbesserung des Menschen. Man muss sich da natürlich die Frage stellen: Warum wollen wir uns eigentlich verbessern? Die Antwort kann nur sein: Weil wir nicht gut genug sind. Oder weil wir die Möglichkeit haben, uns zu verbessern. Dann kann man sich fragen: Warum und in welcher Weise sind wir nicht gut genug? Und dieser Sündenfall, dieses Paradies, diese Schöpfungsgeschichte, gibt uns eine Antwort in welcher Weise wir nicht gut genug sind. Wenn wir uns diese Geschichte jetzt nochmal vergegenwärtigen und versuchen, aus der Geschichte heraus jene Punkte zu benennen, in denen wir uns Menschen als defizitär, als nicht gut genug empfinden, dann werden Sie sofort sehen, dass das genau dieselben Punkte sind, über die Sie heute und morgen noch diskutieren werden. Nämlich genau über jene Gesichtspunkte, über jene Momente, über Dimensionen an uns, von denen wir glauben, wir könnten uns eigentlich verbessern. Das fängt damit an und das ist eigentlich jetzt nicht der biblische Text, sondern eine apokryphe Tradition, die Michael Köhlmeier ausgegraben und entdeckt hat, vielleicht auch selber etwas dazu beigetragen hat. Das ist ja die Souveränität des Dichters, dass er sich nicht immer an beweisbare Fakten halten muss. Der Dichter ist praktisch das Existenz gewordene postfaktische Wesen, weil heute so viel von postfaktischen Zeiten die Rede ist. Aber er hat eben diese Tradition wieder aufleben lassen, dass Gott den Menschen ursprünglich als wirklich Perfektes, als zweiten Gott geschaffen hat – praktisch wirklich als optimales Wesen – und dann von Michael darauf aufmerksam gemacht worden ist: Das geht nicht. Das kann nicht sein. Das führt zu Verwirrung. Da wirst du selbst in Frage gestellt werden. Mach ihn ein bisschen kleiner.

      Es scheint so zu sein, als wüssten wir das intuitiv, dass uns jemand kleiner gemacht hat und dass wir eigentlich größer sein könnten. Dieser Satz, den auch Luzifer sagt „Eigentlich wäre ich wie Gott“ oder „Ich könnte sein wie Gott“, dieser Satz steckt sozusagen als Anspruch und als Frage immer schon ein bisschen in uns. Und das mag vielleicht sein, dass auch Adam und Eva im Paradies – bevor noch die Schlange mit ihrem Verführungswerk begonnen hat – allmählich auf diesen Gedanken gekommen sind. „Wir sind ein Ebenbild Gottes. Wir sind so nah. Uns unterscheidet nicht sehr viel.“ Gerade dieses Wenige, was Gott den Menschen kleiner gemacht hat, schwächer gemacht hat, unansehnlicher gemacht hat. Wenn wir nur ein bisschen an uns arbeiten würden, dann könnten wir doch werden wie Gott. Das heißt also, diese „Gottebenbildlichkeit“ ist nicht nur, wie das die Theologen interpretieren, der Auftrag des Menschen alles zu tun um gleichsam den Willen, die Gebote, die Gesetze Gottes zu erfüllen und ein gottgefälliges Leben zu führen, sondern da steckt auch ein Stachel drinnen. Wenn schon Ebenbild Gottes, warum nicht gleich ganz ein Gott sein? Und ich glaube, dass man mit guten Gründen sagen kann, dass eine ganze Reihe von wissenschaftlichen und technischen Anstrengungen natürlich darauf abzielt, diese Differenz zwischen Gott und seinem Geschöpf wieder auszugleichen. Auf der anderen Seite darf ich aber auch an der Stelle daran erinnern, dass wir auch in dem Sinne begonnen haben, Ebenbild Gottes zu werden oder uns Gott anzunähern, dass wir selber in den Status von einem schaffenden Gott getreten sind. Wir machen jetzt auch unsere eigenen Geschöpfe, die so sein sollen wie wir. Denken Sie an künstliche Intelligenzen, denken Sie an Roboter, denken Sie an hyperintelligente Algorithmen, die alles das können sollen und vielleicht besser können werden als wir es können, Autofahren zum Beispiel. Das ist heute in den Nachrichten zu hören gewesen, dass in Bälde, also im nächsten Jahr auf einigen österreichischen Autobahnen Versuchsstrecken eingerichtet werden für autonom fahrende Automobile. Sollten Sie also demnächst auf der Südautobahn einem Auto begegnen, in dem niemand mehr sitzt, erschrecken Sie nicht, das ist keine Geisterscheinung, sondern das ist tatsächlich eine technische Intelligenz, die hier autofährt und vielleicht besser autofährt als Sie. Sie werden sich natürlich irgendwann fragen müssen: Was tue ich dann eigentlich hier? So wie Gott von Michael plötzlich vor die Frage gestellt wurde: „Du, wenn du jemanden erschaffst, der zumindest genauso gut ist wie du, vielleicht sogar besser ist als du, was tust du dann eigentlich noch da? Eigentlich wäre es Zeit abzutreten.“ Und deshalb sollte man vielleicht diese Geschichte uns auch als Warnung gelten lassen, wenn wir schon etwas schaffen, was ähnlich ist wie wir – ähnlich intelligent, ähnlich dynamisch, ähnlich flexibel, ähnlich kreativ – sollten wir vielleicht nicht doch darauf achten, dass das immer ein bisschen kleiner ist als wir? Ein bisschen weniger intelligent, ein bisschen nicht ganz so wie wir? Denn ansonsten werden wir uns in Bälde die Frage stellen müssen: „Was tun wir eigentlich noch hier?“ Erste Lehre aus dieser Schöpfungsgeschichte.

      Zweite Lehre: In welcher Hinsicht sind wir defizitär? Denn Adam und Eva im Paradies waren ja nahezu vollkommen. Sie hatten zumindest einige dieser Probleme, die wir haben, noch nicht. Diese Probleme haben sie bekommen dadurch, dass sie vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen gegessen haben. Ich frage mich jetzt nicht, was das bedeutet, in einer philosophischen oder theologischen Interpretation, sondern ich frage mich, was es bedeutet im Hinblick auf das Thema dieser Tagung. Denn durch dieses Essen vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sind drei Dinge in das Leben dieser Menschen getreten, die uns bis heute beschäftigen und die die Grundlage dafür sind, warum wir überhaupt solche Optimierungs- und Perfektionierungskonzepte entwickelt haben.

      Erster Grund: Sie essen vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen und das bedeutet natürlich – und deshalb sofort diese Reaktion von Adam: „Ich bin nackt! Ich erkenne mich plötzlich so, wie ich mich vorher nie gesehen habe. Ich sehe, ich bin ein Naturwesen. Ich sehe, ich habe einen Körper. Ich sehe, ich habe ein Geschlecht. Ich sehe, ich habe ein Begehren. Ich sehe, ich bin ein Tier und das will ich verbergen. Das soll nicht sein. Jetzt bedecke ich meine Blöße.“ Das heißt, wir haben tatsächlich durch das Essen dieser verbotenen Frucht natürlich ein Erkenntnisvermögen gewonnen, ein Erkenntnisvermögen, das dazu führt, dass wir jetzt in der Tat Dinge wissen, die die paradiesischen Bewohner nicht gewusst haben. Dass wir unterscheiden können zwischen Gut und Böse, ohne dass wir immer wüssten, was das Gute und das Böse ist, aber diese Differenz von Gut und Böse ist

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