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»Was, echt?!« Jaysons helle Augenbrauen schossen in die Höhe. »So einen richtig gedruckten?«
»So weit ist es noch nicht«, gab Valentin zu. »Erst muss er fertig werden.«
»Oh, klar.« Jayson wirkte sehr interessiert. »Worum geht’s denn? Wann ist der fertig?«
»Bald.«
»Und worum geht’s?«
»Eine Schauspieltruppe im 17. Jahrhundert.« Valentin beobachtete Jaysons Mienenspiel. Der wirkte nicht wie eine Leseratte. »Es wird ein historisches Drama.«
Jayson machte ein beeindrucktes Uuh-Geräusch, das Valentin fast mit allem versöhnte. »Gibt’s auch eine Lovestory?«
»Ja«, gab Valentin zu. »Obwohl es mich natürlich stört, dass heutzutage jedes Buch eine Liebesgeschichte braucht, aber … sie ist da. Es ließ sich bei der Thematik schwer vermeiden.«
»Ist doch super.« Jayson grinste. »Ich les das, wenn es rauskommt.«
»Wirklich?« Valentin versuchte, nicht allzu zögernd zu schauen.
»Klar, ich les mega gerne. Hab alle Ponygeschichten von meiner kleinen Schwester gefressen.«
»Verschlungen«, korrigierte Valentin. Er zögerte. »Nicht die Bücher, die ich bei dir erwartet hätte.«
Warum kam Jayson jetzt näher? Nur einen Hauch, aber … warum? »Was hast du denn erwartet?«, fragte er. Und warum sprach er jetzt so leise?
»Uh … Bücher über … Muskelaufbau oder so«, stotterte Valentin.
»Dazu schau ich lieber YouTube-Videos.« Jayson wollte noch etwas sagen, aber sein zweiter Kumpel tauchte auf und rempelte ihn an.
»Lässt du uns deinen Scheiß allein schleppen, Jayse?«, raunzte er freundlich.
»Sorry.« Jayson streckte sich. »Wir quatschen später, Valentin. Sieht aus, als würden die beiden Lappen hier es nicht allein schaffen.«
»Wer ist ein Lappen?« Dustin streckte den Kopf aus der Tür.
»Ich kann auch helfen«, bot Valentin an.
Drei Augenpaare musterten ihn mitleidig. Seine schlackrigen Arme, die Hühnerbrust, die dünnen Beinchen.
»Ne, lass mal«, sagte Jayson. »Du musst doch lernen oder so. Aber, hey, nachher zischen wir ein paar Bierchen. Bist du dabei?«
»Äh, ich habe wirklich viel zu tun. Sehr viel«, behauptete Valentin und flüchtete. Er hatte sehr viel zu tun! Sich zu überlegen, wie er diesen Jayson Käsebier aus seiner Wohnung bekam, ohne allzu unhöflich zu werden, zum Beispiel.
3. Das Schicksal des Hühnerdiebs
Das Rumpeln und Quietschen von Jaysons Einzug drang durch die geschlossene Tür. Valentin schob sich die dicken Kopfhörer über die Ohren. Die abgewetzte Stelle, an der der Schaumstoff durch das Kunstleder drang, kitzelte. Er wählte »Sommer« aus den Vier Jahreszeiten und starrte auf den Bildschirm.
Um seinen alten Laptop herum türmten sich Bücher. Recherchematerial. Sie erinnerten Valentin daran, dass er immer noch nicht genug über die Gepflogenheiten auf dem Markt im 17. Jahrhundert wusste. Im ersten Entwurf hatte er sogar einen Kartoffelhändler auftreten lassen! Ein Anfängerfehler, der ihn immer noch wurmte. Jedes Schulkind lernte doch, dass Kartoffeln erst seit 1756 großflächig auf deutschen Feldern angepflanzt wurden. Im Schreibrausch des ersten Entwurfs hatte er nicht mehr nachgedacht und getippt wie ein Wilder, nur, um danach mit einem Manuskript voller Recherchefehler und Anachronismen dazustehen. Entsetzlich.
»Das muss besser werden«, murmelte er. Außerdem war die Szene, in der Hinrich, der junge Schauspieler, von dem Stallburschen beim Hühnerdiebstahl erwischt wurde, furchtbar steif geschrieben. Kein Wunder, die Szene war vier Jahre alt. Das konnte er inzwischen doch viel besser! Entschlossen begann er, zu tippen.
»Heda!«, brüllte eine mächtige Stimme.
Hinrich fuhr herum. Die Henne gackerte, wand sich und entfloh seinen Armen. Seinen viel zu schmächtigen Armen. Was hatte er sich dabei gedacht, nachts auf den Bauernhof einzudringen und sie stehlen zu wollen?
Nun, der Hunger. Größtenteils. Sein Magen fühlte sich an, als würde er sich selbst auffressen, so leer war er.
Pranken griffen nach ihm, packten seine Arme. Ein sommersprossiges Gesicht schälte sich aus der Dunkelheit und der Angreifer warf Hinrich zu Boden. Das weiche, taufeuchte Gras drückte sich in seine Wange. Schwere, harte Muskeln pressten ihn nieder, hinderten ihn daran, sich zu bewegen. Heißer Atem strich über sein Ohr.
»Was haben wir denn hier?«, grollte die Stimme. »Einen Hühnerdieb?«
Hinrich wand sich wie die Henne vorhin, nur weniger erfolgreich. Alles, was es bewirkte, war, dass der Mann auf seinem Rücken ihn noch fester packte. Hinrichs Handgelenke drohten, zu brechen.
»Verzeiht!«, wimmerte er. »Ich hatte Hunger! Ich wollte nicht …«
»Hunger, ja?!« Der Mann über ihm schnaubte. Er roch nach frischem Schweiß. Nicht unangenehm. In Hinrichs Lenden breitete sich ein angenehmes Gefühl aus, trotz seiner misslichen Lage.
»Ich habe seit drei Tagen nichts gegessen«, flüsterte er, die schändlichen Gefühle unterdrückend, die in ihm aufstiegen. Das feurige Sehnen, das seine Männlichkeit zum Schwellen brachte. Darauf stand der Galgen, das durfte er nicht …
»Armes Kerlchen«, höhnte sein Angreifer und drückte seine Stupsnase in Hinrichs Locken. »Dann will ich dir mal was zu essen geben. Was Großes.«
»Wirklich?« Hinrich zögerte. Der Mann klang grausam. Was … Oh. Hinrich begriff. Stählerne Härte drückte gegen seine Kehrseite. Rieb sich in kleinen, kreisenden Bewegungen gegen die festen Backen. Hinrich schluckte. Widersprüchliche Gefühle rasten durch seinen Körper.
»Ich lasse dich jetzt los«, grollte die raue Stimme. »Versuch gar nicht erst, wegzulaufen klar?«
»Ja«, wimmerte Hinrich und wurde aus dem Griff entlassen. Schmerzende Glieder bogen sich zurecht. Seine Männlichkeit scheuerte gegen den groben Stoff seiner Beinkleider und lechzte nach Erlösung. »Bitte, edler Herr …«
»Edler Herr«, höhnte der Grobian. »Kannst mich gern so nennen, aber das bringt dir nichts. Mund auf!«
Entsetzt, erschüttert und erregt beobachtete Hinrich, wie der Kerl die Verschnürung seiner Hose öffnete und sich breitbeinig vor ihm …
Entsetzt, erschüttert und erregt nahm Valentin die Hände von der Tastatur. Was schrieb er sich da zusammen? Das war … das war nicht nur Pornografie der billigsten Sorte, wie höchstens Rob sie zustande brachte. Nein, der Bauernsohn hätte Hinrich