Networking für Trainer, Berater, Coachs. Svenja Hofert
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Wir trafen uns in der Nähe von meinem Büro. Sie kam mit einem weißen 80 000-Euro-Cabrio, das sie mitten auf der Straße parkte. Das irritierte mich, weil es so sehr dem Klischee entsprach. Wir setzten uns in ein Café und bestellten Latte Macchiato. Dann fragte sie mich unumwunden aus. Sie bettete ihre Fragen nicht mal weich in Small Talk. Ich fühlte mich wie im Verhör. Ob ich die Preise wirklich durchsetzen könnte, wie viele Kunden ich hätte, was meine Erfolgsrezepte wären, wie viel Gewinn und wie viel Umsatz ich hätte und wie sich das entwickelt habe. Sie war sehr viel jünger als ich und ich fühlte mich wie ihr Mentor – aber trotzdem unwohl. Ihre stecknadelgroßen Pupillen fixierten mich – sympathisch war sie nicht.
Vor allem erschien mir das alles viel zu distanzlos. Immerhin kannte ich die Dame ja gar nicht. Doch der Höhepunkt kam noch: Nach rund einer Stunde Verhör musste ich ihre Latte Macchiato mitbezahlen. Sie hatte kein Geld dabei. In dem Moment war sie bei mir ganz tief unten angekommen und ich bereute dieses Treffen. Ich machte eine ironische Bemerkung zum vergessenen Portemonnaie und ihrem Wagen.
Drei Tage später brauchte ich eine Info zur internen Struktur in einer Werbeagentur. Da dachte ich an sie. Schließlich war sie Personalentwicklerin bei einer der größten Werbeagenturen Deutschlands. Ich sprach auf Ihren Anrufbeantworter und bat um Rückruf. Als dieser nicht erfolgte, schickte ich eine E-Mail. Keine Reaktion.
Regelverstöße
Claudia hatte gleich mehrere Regeln verletzt. Die erste: die Grenzüberschreitung, mich um Informationen zu bitten, ohne mich zu kennen. Die zweite: das Auto. Präsentiere nie einem »Ranghöheren« einen Luxuswagen! Das ist wie das Dolce & Gabbana-Kostüm auf einer Visitenkartenparty oder der Boss-Anzug bei der Bewerbung um einen Trainingsauftrag in der IT-Abteilung eines mittelständischen Betriebes: Offen nach außen getragene Statussymbole machen zum Außenseiter. Gegen all das wäre ich noch relativ unempfindlich gewesen, aber das Ausfragen ging dann doch zu weit. Kann jemand im Ernst erwarten, dass ich einer wildfremden Person Umsatz- und Gewinnverhältnisse erläutere? Regelverstoß Nummer vier war, dass sie mich die Rechnung bezahlen ließ. All das hätte möglicherweise durch einen hohen Nutzwert ausgeglichen werden können, den ich aus dem Netzwerk hätte ziehen können. Doch die Dame hatte kein Interesse, mir einen Gegenwert zu bieten. Damit hat sie gegen den obersten Paragrafen im »Networking- Law« verstoßen: »Du sollst erst geben und dann nehmen.«
Ehernes Gesetz
Sie stehen nirgendwo geschrieben und doch sind sie ein ehernes Gesetz: die Regeln beim Netzwerken. Wer sie nicht kennt, kommt über den Status einer losen Bekanntschaft nie hinaus. Wenn Sie andere unterstützen, werden diese Ihnen auch helfen. Dabei gilt es jedoch für beide Seiten das richtige Maß zu finden. Die Unterstützung darf nicht in der kostenlosen Bereitstellung der eigenen Dienstleistung liegen – diese sollte beim Geben immer tabu sein.
Kontakte, Links, Tipps, Hinweise, ein Anruf, eine Empfehlung: Solches Geben ist erlaubt. Wenn Sie hingegen die erste kostenlose Beratung durchführen, ist ein unausgesprochener Grad überschritten – mit Networking hat dies nichts mehr zu tun. Auch Sie sollten dies beherzigen und von anderen nicht zu viel verlangen: Vom Arzt keine Abenddiagnose, vom Computerfachmann keinen Hausbesuch – und vom Coach kein kostenloses Coaching.
Wer die Regeln des Networkings nicht kennt, kommt über den Status einer losen Bekanntschaft nie hinaus.
DIE PARAGRAFEN
Das erste Gesetz haben Sie nun bereits kennengelernt. Es ist eines von insgesamt acht Regeln.
NETWORKING-GESETZE
§1 Du sollst erst geben, dann nehmen.
Abs. 1 Nimm nie die ganze Hand, wenn ein Finger gereicht wird.
Abs. 2 Erkenne Grenzen, die nur in den Köpfen sind und nirgendwo beschrieben.
Abs. 3 Wenn du nicht zuerst geben kannst, weil du nichts hast, musst du deinen Kontakt als Experten ansprechen oder ihm mindestens einen Kaffee anbieten.
§2 Denke immer zuerst an den Nutzen des anderen.
Abs. 1 Sei kreativ dabei, für den anderen Hilfen zu finden.
Abs. 2 Handle sofort, wenn du eine gute Idee hast, sonst ist sie vergessen.
§3 Du sollst dich immer für Unterstützung bedanken.
Abs. 1 Dies kann schriftlich oder mündlich erfolgen.
§4 Du sollst Grenzen beachten.
Abs. 1 Du kannst als Existenzgründer nicht gleich in ein Star-Trainer-Netzwerk eintreten.
§5 Du sollst immer an deine wichtigsten Netzwerkpartner denken.
Abs. 1 Mehrmals im Jahr solltest du dich melden.
Abs. 2 Du kannst dabei alle Medien nutzen, am besten gemischt (Telefon, E-Mail, Brief).
§6 Du sollst neugierig sein und interessiert.
Abs. 1 Schreibe dir wichtige Fakten zu deinen Kontakten am besten auf.
Abs. 2 Erkundige dich regelmäßig nach den neuesten Entwicklungen bei deinem Kontakt.
§7 Du sollst Kontakte vernetzen.
Abs. 1 Überlege immer, wer zu wem passt und wer wem Nutzen bringen könnte.
§8 Du sollst höflich sein und dich für alles bedanken.
Abs. 1 Vergiss nie, auf Mails zu antworten.
Abs. 2 Netzwerkpartner, die dir Geld gebracht haben, verdienen ein kleines Geschenk.
Spaßfaktor nicht vergessen
Gibt es noch mehr Regeln? Ja, es kursieren zumindest viele. Es gibt beispielsweise Empfehlungen, auf Veranstaltungen nie länger als fünf Minuten mit einer Person zu sprechen. Hier wird eindeutig auf Quantität der Kontakte gesetzt – ich halte nichts davon. Es widerspricht auch dem Spaßfaktor am Netzwerken. Wenn ich Lust habe, mit jemandem länger zu reden, tue ich das. Ich bin kein Kontaktesammler. Die gibt es auch, und sie sind mitunter nicht minder erfolgreich. So ist mir auf einem Netzwerktreffen einmal ein Berater begegnet, der jeden Mensch, dem er einmal die Hand geschüttelt hat, in eine Access-Datenbank aufgenommen hat. Als er mich traf, hatte er bereits 10 000 Kontakte. Wunderbar, wenn man per Knopfdruck nach Themen sortieren kann und weiß, wen man im Fall des Falles ansprechen darf. Erinnern wird dieser sich vermutlich jedoch nicht an einen. Macht aber vielleicht auch nichts – immerhin gibt es einen Anknüpfungspunkt, das erleichtert das Gespräch. Und der andere wird überrascht sein, weil er sich nicht ans Gespräch und das Händeschütteln erinnert, sein Gesprächspartner aber mit seinem guten Gedächtnis beeindruckt.
Für sinnvoller halte ich dagegen die Regel, auf Veranstaltungen nie mit denen zu reden, die man eh schon kennt. Setzen Sie sich einfach zu fremden Personen und reden Sie mit diesen. Dies ist die beste Methode, intensivere Kontakte zu sammeln – ob diese Sie weiterbringen,