Mentoring - im Tandem zum Erfolg. Tinka Beller
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Im Umkehrschluss kann diese Wahrnehmung auch negative Folgen haben. Entspricht eine Person aufgrund ihres Aussehens nicht der Norm oder weicht sie in anderen Bereichen vom eigenen Idealbild ab, werden ihr entsprechend weniger positive Merkmale zugeschrieben. So wird (unbewusst!) einer extrem übergewichtigen Person häufig mangelnde Willensstärke oder Durchsetzungskraft zuerkannt, was sich in einem Vorstellungsgespräch durchaus auswirkt. Ob die betreffende Person Experte auf dem eigenen Gebiet ist, wird nicht mehr so stark berücksichtigt, wie es bei einer positiveren Wahrnehmung der Fall wäre. Einem Anwalt, der seine Kanzlei in einer sozial schwachen Wohngegend betreibt, wo die Wände mit Graffiti besprüht sind und die Haustür defekt ist, wird vermutlich nicht die Vertretung eines seriösen Immobilienmaklers angeboten – auch wenn er auf seinem Gebiet eine Koryphäe ist. Ist der Auftraggeber selbst eher alternativ eingestellt, kann das gleiche Umfeld mit entsprechenden Assoziationen (keinerlei Statussymbole, Konzentration auf das Wesentliche, mitten im Leben stehend) wiederum als durchaus positiv wahrgenommen werden. Es liegt also tatsächlich und ausschließlich im Auge des Betrachters, was wahrgenommen wird.
Relevant werden diese Wahrnehmungsfehler erst dann, wenn die Fehlbeurteilung zu einer Irritation führt. Handelt die Person ganz anders als angenommen, wird es schwierig. Stellt sich zum Beispiel die als sympathisch und attraktiv wahrgenommene Person als erfolglos und unzufrieden dar, muss theoretisch die eigene Wahrnehmung als »falsch« erkannt werden. Das Revidieren dieser angenommenen »Fakten« ist etwas, was dem Gehirn schwerfällt. Der Wunsch, die Aussage »Ich hatte recht!« zu bestätigen, ist groß. Besonders schwer lässt sich diese Meinung revidieren oder aktualisieren, wenn noch der Faktor »sich selbst erfüllende Prophezeiung« hinzukommt. Nimmt jemand einen anderen beispielsweise als Egoisten wahr, wird diese negative Zuschreibung überproportional bestätigt. Solche negativen Eigenschaften werden ebenfalls wieder auf andere Bereiche der Persönlichkeit übertragen.
Der Halo-Effekt trägt maßgeblich zur Entstehung von Vorurteilen inklusive deren Konsequenzen bei. So kann zum Beispiel ein Matching, das aufgrund dieses Effekts zustande kam (MentorIn und Mentee konnten sich ihre PartnerInnen selbst auswählen und haben sich aufgrund bestimmter, als sehr positiv empfundener Eigenschaften entschieden), im Verlauf des Programms als negativ wahrgenommen werden. Dies ist dann der Fall, wenn sich herausstellt, dass die angenommenen positiven Eigenschaften nicht wie erwartet auf das Gegenüber zutreffen und dadurch die eigenen Wünsche nicht erfüllt werden. Hier kommt es zu Unzufriedenheit bei beiden PartnerInnen. Und zwar mehr, als es der Fall wäre, wenn das Matching ohne den eigenen Anteil (Selbstverantwortung durch Auswahl der Mentees/MentorInnen) stattgefunden hätte. Beim Matching durch eine objektive Projektgruppe wäre die Enttäuschung geringer als angesichts der Erkenntnis, dass der- oder diejenige nicht den eigenen Erwartungen entspricht. Auch wenn diese Annahme rein auf dem eigenen Gefühl beruhte und keiner sachlichen Überprüfung standgehalten hätte. In der Konsequenz führen das mangelnde »Wir-Gefühl« und der fehlende Erfolg zu einer negativen Wahrnehmung der gesamten Maßnahme. Diese Unzufriedenheit (»Ich habe meine Mentorin ganz anders eingeschätzt!«) kann eine totale Abwehr und Ablehnung (»Mentoring bringt überhaupt nichts!«) provozieren.
Es zeigt sich, dass der Halo-Effekt im Alltag nicht vermeidbar ist. Alle Menschen haben eigene Erfahrungen, die in ihre Bewertung einfließen. Das gilt selbstverständlich auch für Menschen, die im Personalbereich tätig sind. Möglich ist aber eine Sensibilisierung für diese Effekte. Neben einer notwendigen Selbstreflexion und Selbsterfahrung der Verantwortlichen spielt auch die im Vorfeld mehrfach erwähnte größtmögliche Objektivität eine Rolle. Diese kann zum Beispiel durch den Einsatz von externen ExpertInnen und das Mehr-Augen-Prinzip erreicht werden.
Bei Bewerbungsverfahren hilft eine Standardisierung, etwa, dass Unterlagen ohne Foto eingesendet werden, um eine Typisierung aufgrund des Aussehens zu vermeiden. Inwieweit Fotos bei der Bewerbung für einen Platz im Mentoring-Programm relevant sind, muss die jeweilige Projektgruppe entscheiden. Dabei geht es primär um die Sorgfalt, die ersichtlich ist (Passfoto, Urlaubsschnappschuss hinter Palmen oder ein professionelles Bewerbungsfoto?), und nicht um das Aussehen der Person. Handelt es sich bei den Verantwortlichen für die Bewerbungen und das Ranking um externe ExpertInnen, ist ein Foto spätestens vor dem Interview hilfreich, um zu wissen, mit wem man sich trifft. Zu diesem Zeitpunkt sind die BewerberInnen jedoch schon in der engeren Wahl und eine potenzielle Diskriminierung aufgrund des Aussehens kann nahezu ausgeschlossen werden.
Same gender oder Cross-Gender? Pro und kontra gemischte Tandems und Gruppen
Geschlechtsunterschiede bestehen in jedem Lebensbereich. Doch während man sich im Privatleben die Menschen, mit denen man seine Zeit verbringen möchte, in den meisten Fällen aussuchen kann, muss man im Berufsleben mit Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzten und/oder MitarbeiterInnen unabhängig von Geschlecht und persönlicher Sympathie leben. Professionalität im Umgang mit Unterschieden ist notwendig, um erfolgreich miteinander arbeiten zu können.
Aufgrund der allseits bekannten Unterschiede von männlichen und weiblichen Teilnehmern stellt sich vor jedem Programm die Frage: »Same gender« oder »Cross-Gender«? Bestehen die Tandems jeweils aus »Frau und Frau« beziehungsweise »Mann und Mann« oder funktionieren auch Kombinationen wie »Frau und Mann« und »Mann und Frau«? Anhand der möglichen Vor- und Nachteile der jeweiligen Konstellationen können Sie sich für die passende Maßnahme entscheiden.
Es gibt Programme, in denen ausschließlich Frauen mit Frauen als Mentorinnen oder Männer mit Männern als Mentoren gematcht werden.12 Abgesehen davon, dass wir primär die Themen der Mentees berücksichtigen und danach einen Mentor oder eine Mentorin identifizieren, ist die zurzeit noch häufigste Tandem-Konstellation »weibliche Mentee mit männlichem Mentor«. Dies lässt sich simpel erklären: Mentoring wird häufig als »Frauenfördermaßnahme« verstanden und eingesetzt, wodurch der höhere Anteil der weiblichen Mentees begründet ist. Da zwischen Mentor und Mentee mindestens zwei Hierarchiestufen liegen sollen, bewegen wir uns in der Wahl der Mentoren und Mentorinnen in der Regel in oberen Führungsebenen – wo Frauen noch deutlich unterrepräsentiert sind. So ist die Erklärung für die Überzahl der männlichen Mentoren ebenso einfach wie bedauerlich.
Erfreulicherweise findet hier eine Entwicklung statt: Wäre vor 15 Jahren ein rein weibliches Mentoring-Programm (Mentee und Mentorin) mangels weiblicher Führungskräfte definitiv zum Scheitern verurteilt gewesen, steigt die Anzahl der Frauen, die als Mentorinnen zur Verfügung stehen, signifikant. Das heißt, ein Matching »Frau und Frau« wäre in den meisten Fällen möglich, wenn es gewünscht ist. Ob es ratsam und zielführend ist, den Wünschen der Mentees (»Ich möchte aber unbedingt eine Frau als Mentorin!«) oder dem vermeintlichen Expertinnen-Status (»Mein Thema ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das kann nur eine Frau beantworten!«) zu folgen, haben wir bereits angesprochen.
Neben der Frage, ob die Tandems dem gleichen Geschlecht angehören sollen, stellt sich die gleiche Frage bei der Zusammensetzung der Mentee-Gruppe: Ist es sinnvoll, reine Frauengruppen im Mentoring zu begleiten? Oder können männliche und weibliche Mentees voneinander profitieren? Wenn es nicht um die originäre Förderung einer bestimmten Zielgruppe (weiblicher Führungskräftenachwuchs, junge (werdende) Väter usw.) geht, kann die Zusammenstellung von Männern und Frauen in Mentee-Gruppen aus Sicht der Autorinnen sehr bereichernd sein. Einige Verhaltensweisen können zu großen Lerneffekten auf beiden Seiten führen. Dass junge Männer sehr viel weniger Zweifel an ihren (großartigen! überragenden!) Fähigkeiten haben als junge Frauen, hat vermutlich jeder, der im weitesten Sinne mit Personal (oder Kolleginnen und Kollegen) zu