Shake your Life. Ralph Goldschmidt
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Eine Woche später.
Vor mir sitzt Mr. Wodka und nickt mir zu.
»Guten Abend. Möchten Sie einen Double Vision oder einen Double Vision?«
Er lacht laut, die Rüstung bekommt Risse, das Visier klappt hoch. »Hm, dann nehme ich einen Double Vision, oder was meinen Sie?«
»Keine Ahnung. Ich mach Ihnen erst mal einen Double Vision.«
An diesem Abend erfahre ich mehr. Mr. Wodka bleibt am Tresen sitzen und beim zweiten Drink erzählt er.
Er arbeitet in der Pharmabranche. Seine alte Firma wurde vor einem Jahr übernommen. Ganz neue Kultur seitdem. Ich weiß, welche Firma das ist, in der Stadt gibt es da nur eine Möglichkeit. Riesenladen, einer der drei größten weltweit. Sein Metier ist Vertrieb, er ist gerade aufgestiegen, führt fünf Teamleiter und hat insgesamt 70 Leute unter sich. Sein oberster Chef ist neu. Auch das Produkt, das er pushen soll, ist neu. Stressig, das alles. Aber es läuft gut für ihn. Kommt gerade aus dem Büro, es ist kurz vor neun.
»Hm, 70 Leute, Vertrieb, da muss man tough sein, oder?«
»Schon.« Er blickt in sein Glas.
Ich nehme eine Bestellung von drei neuen Gästen auf, mixe ein paar Drinks, komme zurück zu ihm und gehe zum Angriff über. »Ich hab da mal ’ne Frage: Sie sind doch verheiratet, oder? Und wenn ich Sie so anschaue, dann tippe ich darauf, dass Ihre Frau kein Besen ist. Reine Erfahrungssache. In Ihrer Brieftasche ist ein Bild von einem supersüßen Mädchen, höchstens drei Jahre alt. Ich tippe, das ist Ihre Tochter. So, und jetzt will ich von Ihnen wissen: Warum in aller Welt hängen Sie zum wiederholten Male nach Feierabend in einer – zugegebenermaßen äußerst stilvollen – Bar herum und schauen trübe in Ihren Longdrink, anstatt mit Siebenmeilenstiefeln nach Hause zu hüpfen, Ihrer Tochter eine Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen und dann Ihre Frau glücklich zu machen? Hand aufs Herz!«
Ich bleibe kurz stehen und beobachte, wie sich seine Rüstung in Einzelteile auflöst und zu Boden scheppert. Er schaut mich entgeistert an, seine ganze Selbstsicherheit scheint verflogen, er holt Luft und … sagt nichts. Schluckt. Ich drehe mich um, greife zum Kühler und denke: Scheiße, Bruno, zu direkt, der geht jetzt. Warum kannst du auch nicht die Schnauze halten!
Während ich noch innerlich mein latentes Helfersyndrom verfluche, räuspert sich Mr. Wodka. »Also …«
Ich drehe mich zu ihm, schaue ihm gerade in die Augen und sage: »Entschuldige, Mann, ich wollte Ihnen nicht …«
»Schon gut. Nein, ist okay.« Er umfasst sein Longdrinkglas mit beiden Händen, als wäre es sein Sicherungsseil in der Felswand. »Also, ehrlich gesagt, habe ich einfach noch keinen Bock, nach Hause zu gehen.«
»Wieso das denn?«
»Keine Ahnung, ich blick da selbst nicht so ganz durch. Meine Frau ist toll. Aber … ich weiß nicht. Ich check’s selber nicht richtig.«
»Ihnen geht’s scheiße, oder?«
Er schaut mich jetzt an wie ein Hund, dessen Herrchen ihn beim Zerfetzen von Frauchens Strümpfen erwischt.
»Ähm, ich weiß nicht, wie’s mir geht. Ich weiß nur, dass es nicht so ist, wie es sein soll.«
»Inwiefern?«
»Na, ja. Früher hat mir das alles Spaß gemacht. Aber seit einer Weile quäle ich mich morgens nur noch aus dem Bett und habe überhaupt keine Lust, zur Arbeit zu fahren. Den ganzen Tag gibt es dort Druck von oben. Verkaufszahlen, Kundenzufriedenheitsquote, Responsezeiten, alle möglichen Kennzahlen, es wird irgendwie immer mehr. Dann schwierige Mitarbeiter, Umstrukturierungen. Am Abend bin ich nur noch platt. Keine Energie mehr für die Kinder. Meine Frau ist dann auch anstrengend. Wenn ich nach Hause komme, wollen irgendwie alle was von mir. Und keiner fragt, was ich will. Kann ich noch mal einen Drink haben, bitte?«
»Klar.« Ich räume sein leeres Glas ab. »Erzählen Sie weiter.«
Dann erzählt er von seiner Frau, die tatsächlich super aussehen muss. Sie verstehen sich gut. Sie ist seine zweite Frau, hat einen neunjährigen Sohn mit in die Ehe gebracht, gemeinsam haben sie die kleine Tochter, deren Bild ich gesehen hatte. Allen geht es gut, der Alltag ist bestens organisiert. Sie ist stolz auf ihn und seinen beruflichen Erfolg. Sie fährt einen schicken BMW. Trägt Designerklamotten. Genießt ihren Status und zeigt ihn gerne. Urlaub machen sie im Robinson-Club. Überall erzählt sie, was für ein toller Hecht er doch ist. Alle denken: Wie toll so eine Patchworkfamilie funktionieren kann.
Aber wenn er sich fragt, ob er lieber kommt oder lieber geht, merkt er: Im Moment geht er weder gerne zur Arbeit noch kommt er gerne heim. Er fragt sich, was das kleinere Übel von beiden ist.
Zu Hause wie im Büro ist es einfach nur anstrengend. Immer muss er sein Image aufrechterhalten, den starken Mann spielen. Dabei ist er einfach nur müde. Saumüde. Auf dem besten Weg, in den Club der Smiling Depressives aufgenommen zu werden. Er würde sich so gerne mal wieder gut fühlen, Spaß haben, Energie spüren.
»Und woran liegt das? Sie müssten doch eigentlich auf Wolke sieben schweben. Ich meine, Sie haben doch alles, was man so haben will, oder? Aber trotzdem scheint Ihnen was zu fehlen. Also: Was ist es?«
»Das ist es ja!« Jetzt bekommt er wieder diesen harten Ausdruck im Gesicht. »Ich habe keine Ahnung! Ich habe kein Problem, weißt du … äh, wissen Sie!«
»Schon okay, ich heiße Bruno.« Ich gebe ihm die Hand.
»Victor. Angenehm.« Er zieht einen Mundwinkel hoch, wieder ganz der Lässige. Das hat er echt gut drauf.
Ich lege den Pfeil auf, spanne den Bogen, ziele und: »Also, woran liegt’s? Redet ihr nicht miteinander? Geht’s ums Geld? Um Status? Traust du dich nicht mit ihr zu streiten? Klappt’s nicht in der Kiste? Hast du den falschen Job? Traust du dich nicht ihn zu ändern?«
Jetzt hält er die Luft an. Treffer, versenkt.
Des Geldes wegen
kriseln viele Beziehungen. Das Thema birgt riesiges Konfliktpotenzial und ist einer der häufigsten Gründe für Krach. Er hält es zusammen, sie gibt es aus. Oder umgekehrt. Sie liebt Statussymbole – Dior-Kette, Yohji-Yamamoto-Kleid, Christian-Louboutin-Pumps, Cayenne Turbo, Haus am See, Kitzbühel, Trakehnerhengst, Golfclub … – er könnte auch gut und gerne darauf verzichten. Oder umgekehrt. Sie braucht Sicherheit durch gut angelegtes Vermögen. Ihm wäre es nicht wichtig. Oder umgekehrt.
Noch schlimmer aber, als über Geld zu streiten, ist es, wenn darüber geschwiegen wird. Denn Geld ist zwar wichtig, aber nicht in Bezug auf unser Glück. Jedenfalls nicht in den Einkommensregionen von Victor Wodka. Mit anderen Worten: Sie können mit Geld glücklich sein oder ohne. Ganz egal. Eine der schlimmsten Fallen unserer Zeit ist die Vorstellung, eines Tages, wenn genügend Geld da ist, um diesen oder jenen Traum zu verwirklichen, glücklich zu sein. Entweder Sie sind auch ohne das viele Geld glücklich und zufrieden gewesen,