Wettbewerbsvorteil Gender Balance. Anke van Beekhuis
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Die Welt hat also prinzipiell schon länger kein Problem mehr damit, dass Frauen arbeiten. Es geht jedoch darum, als was sie arbeiten. Solange es – überspitzt formuliert – nur um »niedere Dienste« ging, wurde der Zuwachs an Arbeitskraft begrüßt – schließlich diente das zu diesem Zeitpunkt ja auch den Männern, die durch körperliche Verausgabung oder Kriegsverwundungen auf das zusätzliche Einkommen ihrer Frauen angewiesen waren.
1958 erfolgte der nächste große Schritt in Deutschland: Ab nun durften Frauen ohne Zustimmung des Ehemanns einer Arbeit nachgehen. Das entsprechende Gesetz lautete: »Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.« Selbstverständlich? Heute vielleicht. In Deutschland durften Frauen bis 1957 ohne Zustimmung ihres Ehemanns nicht einmal ein eigenes Bankkonto eröffnen. Eine weitere Reform erfolgte in den 1960er- und 70er-Jahren. In Deutschland wurde festgelegt, dass die Ehepartner ihre Verbindung so gestalten, »dass die Frau ihre berufliche und gesellschaftliche Tätigkeit mit der Mutterschaft vereinbaren kann«. In Österreich wurden durch die Familienrechtsreform im Jahre 1975 Mann und Frau sogar weitgehend gleichgestellt, und es wurde versucht, geschlechtsspezifische Zuweisungen abzubauen. Im Jahr 1976 wurde in Deutschland dann per Gesetz das »paritätische Ehemodell« beschlossen: »Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung in gegenseitigem Einvernehmen. […] Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein.« Seitdem sind 40 Jahre ins Land gezogen, und wir beschäftigen uns noch immer mit Sexismus. Wer hat »Schuld«, dass die Entwicklung wieder ins Stocken geraten ist? Die Antwort ist einfach: Wir alle! Wir alle sind als Teil von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dafür verantwortlich, dass diese alten Stereotype noch immer existieren und gelebt werden.
Aussagen wie »Die Mutter gehört zum Kind und das Kind zur Mutter« sind auch heute noch allgegenwärtig – ausgesprochen und unausgesprochen. Die Politik nutzt dies gerne, um sich von der Verantwortung zu befreien, zusätzliche Kinderbetreuungsplätze zu schaffen und aufzuklären, wie wichtig die frühe Sozialisierung von Kindern unter Gleichaltrigen ist. Warum gehen denn Kinder in Frankreich, Dänemark, Norwegen, Schweden oder Holland schon sehr früh in den Kindergarten? Die Einstellung unterscheidet sich gravierend: In diesen Ländern gehen Mütter bereits drei bis sechs Monate nach der Geburt ihrer Kinder wieder arbeiten. Wie stehen diese Länder wirtschaftlich da? Sehr gut. Und: Sie weisen keine höhere Kriminalitätsrate auf als andere Nationen. Kinder, die täglich ein paar Stunden in Kindergruppen verbringen, enden also nicht als Schwerverbrecher oder Sozialhilfeempfänger. Ganz im Gegenteil: Sie erlangen durch die Gemeinschaft der Gruppe wichtige Sozialkompetenz. In diesen Ländern wird auf eine Qualität der Kinderbetreuungsplätze geachtet, die die Entwicklung der Kleinen von Anfang an unterstützt und sie zu selbstständigen Menschen heranwachsen lässt.
Diese Sichtweise ist bei uns jedoch noch nicht überall angekommen. Dabei ist es Tatsache, dass zwei berufstätige Elternteile einen multiplizierten Beitrag für die Gemeinschaft und Gesellschaft leisten – da zwei Menschen Sozialbeiträge und Pensionsvorsorgen einzahlen.
So viel zum kleinen Gender-Balance-Utopia. Wie stark wir sozial geprägt sind, wusste ich vor meiner Schwangerschaft nur aus Büchern. Danach erlebte ich es hautnah und unverblümt: Bei mir war körperlich lange nichts davon zu sehen, dass ich schwanger war, weil ich viele der typischen Symptome nicht hatte und ich auch bis einige Tage vor der Geburt voll am Arbeitsleben teilnahm. Als Selbstständige ist es fast unmöglich, sich eine Auszeit zu gönnen. Ich nahm auch davon Abstand, meinen KundInnen von meiner Schwangerschaft zu erzählen, da mir das eine befreundete Unternehmerin empfohlen hatte. Sie hatte mir keine expliziten Gründe für diese Empfehlung genannt. Aber ich sollte bald sehr gut verstehen. Sprung ins Jahr 2013 – von Frau zu Frau:
Ich lege die Hand auf meinen bereits sichtbaren Babybauch, als ich mich mit einer Auftraggeberin bei einem Großgruppenworkshop mit Frauen treffe. Als sie mich sieht, legt sie ihre Stirn in Falten, und ich höre ein erstauntes »Was ist denn da passiert?!«. Ich blicke gespielt überrascht an mir hinunter: »Oh! Ich glaube, da wächst etwas!« Sie schaut mich an und begreift, wie unpassend ihre Aussage war. Dennoch ist sie noch immer sichtlich irritiert und meint: »Warum hast du mir nichts gesagt? Wann ist es denn so weit?« Ich antworte: »Nun, es steht ja nicht im Vertrag, dass ich eine Schwangerschaft ankündigen muss. Der Geburtstermin ist in einem Monat.« Darauf sie: »Aber, was ist, wenn du nicht mehr arbeiten kannst, oder wenn du krank wirst?« Ihre unübersehbare Irritation nervt und belustigt mich zugleich. Jetzt will ich es wissen: »Hättest du mich für dieses große Projekt beauftragt, wenn du das vorher gewusst hättest?« Sie sieht mich an und sagt ohne Zögern: »Sicher nicht!«
Aussagen wie »Die Mutter gehört zum Kind und das Kind zur Mutter« sind auch heute noch allgegenwärtig.
Ich kann es nicht fassen! Diese Frau ist selbst zweifache Mutter und Gender-Beauftragte eines Unternehmens. Wenn sie so denkt, hat dann Gleichbehandlung überhaupt eine Chance? Kurz darauf – ich bin immer noch schwanger – halte ich einen Workshop. Eine Teilnehmerin kommt nach dem Ende der Veranstaltung auf mich zu und gratuliert mir herzlich. Sie ist alleinerziehende Mutter, und wir kommen über unsere vielen Herausforderungen ins Gespräch. Ich sage ihr, dass ich Mütter aufrichtig bewundere, die so vieles alleine organisieren und bewältigen. Sie fragt mich sehr wohlwollend, was das denn jetzt für mich bedeutet, und wie ich beruflich mit der Rolle als Mutter umgehen werde. Ich erzähle ihr von meinem Plan, nach dem Mutterschutz weiterzuarbeiten, da mein Mann einen Teil der Betreuung übernehmen wird. Plötzlich kippt die Stimmung – der Frau steht das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. In abfälligem Ton hält sie mir plötzlich einen Vortrag darüber, was für ein schlechter Mensch ich sei und dass mein Kind ein Recht darauf habe, dass ich rund um die Uhr meinen Pflichten als Mutter nachkomme. Ihre Tirade endet mit dem Satz: »Ihnen ist hoffentlich klar, dass Ihr Kind emotional verwahrlosen wird!«
Woher kommt dieses Klischee? Es begegnete mir auch danach bei einer Reihe weiterer Veranstaltungen als fixe Idee in der geistigen Welt von Frauen und Männern. Ich erinnere mich an eine Diskussionsrunde mit berufstätigen Müttern, in der ein Sozialarbeiter zum Besten gab: »Wenn beide Elternteile arbeiten, tragen sie dazu bei, dass ihre Kinder in einer Wohlstandsverwahrlosung enden. Drogen, Vernachlässigung der Sozialkompetenz …« Er stellte die berufstätige Frau an den Pranger und hing ihr die Schuld für die vermeintliche Verwahrlosung der Kinder um. Ich hinterfragte das natürlich und entdeckte, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Die Tatsachen, dass er in seiner Tätigkeit mit mehr verwahrlosten Jugendlichen konfrontiert ist und es mehr berufstätige Frauen gibt, wurden kurzerhand verkettet – ohne jeglichen wissenschaftlichen Hintergrund. Er konnte keine Zahlen nennen, sondern verwies immer wieder auf Einzelfälle von Familien, in denen Eltern sich nicht um ihre Kinder kümmerten. Ob die Mütter in all diesen Fällen berufstätig waren, wusste er gar nicht.
Es ist mir bis heute ein Rätsel, warum diese Fixierung auf die Mutter als »Bewahrerin der Kinder« sich so lange hält. Es braucht nur etwas gesunden Menschenverstand, um dies aufzulösen: Eine Bergbäuerin verbrachte die meiste Zeit auf dem Feld, ohne dass ihre Kinder verwahrlosten. Ich kenne auch eine Vielzahl von alleinerziehenden Müttern und Vätern, deren Kinder sehr früh lernen mussten, selbstständig zu denken und zu handeln – eindeutig nicht zu ihrem Nachteil. Zudem stellt sich mir die Frage: Warum wird der Mann meist