Wettbewerbsvorteil Gender Balance. Anke van Beekhuis
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Mir ist dieser Dialog deswegen so in Erinnerung geblieben, weil es mich frappant an meine Zeit als junge Technikerin erinnert hat. Die Straße zum Erfolg wurde als steiniger Weg gesehen, auf dem man sich hochzudienen hatte. Ein Beispiel von damals: Sagt der Obermonteur zum Lehrling: »Jetzt wirst du einmal zwei Jahre lang brav das Mittagessen holen und dich auf der Baustelle beweisen. Und wenn du es dann einmal geschafft hast, ein Rohr zu schweißen, wirst du irgendwann ein guter Arbeiter.« Sprich: Nur durch Härte kommen die Besten zum Vorschein. Die Praxis zeigt natürlich, dass ein ganz anderer Ansatz viel eher zum Ziel führt. Jene Lehrlinge, die von Anfang an aktiv unterstützt wurden, denen vertraut und einiges zugetraut wurde, waren jene, die am meisten und schnellsten lernten. Sie waren lange vor Abschluss ihrer Lehrzeit eigenverantwortlich tätig und leisteten einen wichtigen Beitrag zum Projekterfolg.
Antworten aus der Praxis
Das Schöne an meiner heutigen Tätigkeit ist, dass ich täglich Gelegenheit dazu habe, Theorie und Praxis zu vergleichen: Ich teste Menschen, warum sie sich wie verhalten. So wurde ich von einem Unternehmen aus der Baubranche mit mehr als 1000 MitarbeiterInnen gebeten zu analysieren, warum nicht mehr Frauen in Führungspositionen kommen. Dazu befragte ich rund 300 Personen in Deutschland, Österreich und der Schweiz schriftlich und teilweise mündlich. Es handelte sich um Männer und Frauen in Führungspositionen, High Potentials, die sich für künftige Führungsaufgaben empfohlen hatten. Die Ergebnisse waren überraschend, weil sie sowohl von Männern als auch von Frauen angegeben wurden: Frauen seien in höheren Managementebenen nur willkommen, solange sie keine Kinder bekommen und so agieren wie Männer. Frauen wie Männer waren also der festen Überzeugung, dass Menschen nur dann Karriere machen können, wenn sie aggressiv, machthungrig, mutig, sachlich (nur ja nicht zu emotional!), durchsetzungsfähig und entschlossen sind. Als hinderlich für eine weibliche Karriere wurde (wiederum von beiden Geschlechtern) angesehen, wenn Frauen empathisch, emotional, kommunikativ und bescheiden sind. Ergänzung: Solche Frauen wären »zu weiblich« für eine Führungsposition. Einhelliger Tenor der Befragten: Das klassische Frauenführungsbild in diesem Unternehmen war eine Frau in weiblichem Körper, aber mit klaren männlichen Verhaltensweisen. Ein derartiges Mischwesen hätte zumindest eine Chance auf eine Spitzenposition in diesem Unternehmen.
Wenn Unternehmen von den Unterschieden zwischen Mann und Frau profitieren wollen, sollten die Unterschiede auch sichtbar und erlebbar sein.
Aber damit sind wir noch nicht mit allen »Schmankerln« meiner Befragung durch. Die weiblichen Befragten gaben weiter an, dass eine Frau an der Spitze meist der »bessere Mann« sei. Die Männer stimmten zu, drückten es aber unverblümter aus: »Toll, wenn eine Frau Eier hat«. »Eier« braucht es für die Frau in diesem Unternehmen allerdings auch bei der Familienplanung. Wenn sie verhindern will, im Falle einer Schwangerschaft fallen gelassen zu werden, muss sie sich auch als Mutter wie ein Mann verhalten. Sprich: sofort zurück an den Arbeitsplatz und den Partner – in diesem Fall den Mann – den Laden zu Hause schmeißen lassen. Doch spätestens an diesem Punkt wird die Geschichte absurd. Denn eigentlich will das gängige Schubladendenken ja, dass der Mann das Geld nach Hause bringt. Also der mit den echten Eiern.
Was zeigt uns diese Achterbahnfahrt durch die Gedankenwelt männlicher und weiblicher Keyplayer eines Unternehmens? Selbst mit gelebten »männlichen« Verhaltensweisen haben es Frauen schwer, ihren Karriereweg zu gehen. Spätestens als Mutter ist schlagartig nicht mehr klar, welche Erwartungen es zu erfüllen gilt, um »erfolgreich« zu sein.
Das Ergebnis dieser Befragung lässt sich auch noch eine Spur deutlicher ausdrücken: Frauen, die sich wie Mütter verhalten und sich Zeit für ihre Kinder nehmen wollen, enden als Sekretärinnen. Nur wenige haben verantwortungsvolle Positionen. Einerseits, weil sie dafür gar nicht mehr vorgesehen werden, und andererseits, weil die Frau durch die gelebte Mutterrolle »mehr Frau« wird. Eierstock statt Eier quasi. Und das wird ja – wie erwähnt – ganz und gar nicht als Führungsqualität erlebt.
Die Quintessenz der Analyse noch einmal ganz klar auf den Punkt gebracht:
• Verhält sich eine Frau wie ein Mann, darf sie Führungskraft werden.
• Verhält sich eine Frau wie eine Frau, wird es schwierig bis unmöglich, es »nach oben« zu schaffen.
Solche Ergebnisse sind keine Seltenheit. Wenn Unternehmen von den Unterschieden zwischen Mann und Frau bzw. von den Denk- und Handlungsweisen beider Geschlechter profitieren wollen, sollten die Unterschiede auch sichtbar und (er-)lebbar sein.
Meist werden nach einer Analyse die Ergebnisse mittels eines »Rückspiegelungsworkshops« dem Vorstand vor Augen geführt. Daran nehmen wenige Frauen in Führungspositionen teil. Diese Frauen waren dann auch bei der vorangegangenen Befragung mit von der Partie. Als wir den Vorständen die oben genannten Ergebnisse rückmeldeten, waren sie komplett irritiert und stellten erst einmal die angewandten Methoden infrage. Auch das begegnet mir im Zuge meiner Arbeit leider sehr oft. Wahrheit tut manchmal weh. Bei Zweifeln genügt meist eine Frage, um für klare Verhältnisse zu sorgen: »Wie sehen das die Damen in der Runde?« Erfahrungsgemäß können diese ihre Erschütterung über die Reaktionen der männlichen Vorstandsmitglieder fast nicht mehr bändigen. Erst wenn die männlichen Vorstände die Reaktion der – im Unternehmen geschätzten – Frauen unmittelbar erleben, wird sichtbar, dass es diese unreflektierten Haltungen im Unternehmen tatsächlich gibt.
Die Erkenntnis von zwei Vorständen nach einem ereignis- und diskussionsreichen Workshop-Tag war: »Es stimmt. Eigentlich wollen wir mehr Frauen. In Wahrheit dürfen aber nur männliche Verhaltensweisen an die Spitze, egal ob sie in einem weiblichen oder männlichen Körper stecken.« Zu diesem Zeitpunkt grinste ich in mich hinein und mir fiel das Sprichwort »Selbsterkenntnis ist der beste Weg zur Besserung« ein. Für viele Unternehmen ist dieser Moment ein Durchbruch. Weil zum ersten Mal allen klar wird, worum es bei Gender Balance und gelebter männlicher Unternehmenskultur wirklich geht: Unterschiede bringen nur etwas, wenn sie auch gelebt werden dürfen.
Die Unterschiede machen den Unterschied
Zehn Jahre Beratung zeigen mir: Empowerment für Frauen, also ihre Stärkung im Bereich der Selbstdarstellung und im Auftreten, ist gut und wichtig. Aber diese Maßnahme alleine reicht nicht aus, um einen Paradigmenwechsel in Unternehmen zu bewirken. Top-Management und Führungskräfte müssen zuerst verstehen, was das »Mehr« bei »Mehr Frauen« bedeutet und wie das Unternehmen davon profitiert.
Ich wecke dieses Verständnis für Unterschiede gerne in Form eines klassischen Beratungsworkshops. Die Ausgangssituation ist klar: Wenn ich nur meine Verhaltensweise kenne, dann bin ich die Messlatte für alle anderen. Kenne ich aber auch andere Verhaltensweisen (von Frauen und Männern) und verstehe ich, wie sie im Arbeitsalltag eingesetzt werden und die Kommunikation beeinflussen, kann ich auch die Vorteile dieser Vielfalt erkennen. Spätestens dann werde ich mich gedanklich für Gender Balance öffnen (müssen). Der Umkehrschluss: Wenn uns jemand fremd ist, gehen wir eher in den Widerstand und tun uns schwer, die andere Sichtweise zu verstehen – egal ob Mann oder Frau.
Es ist wichtig, über Unterschiede zu sprechen, wenn unterschiedliche Verhaltensweisen im Unternehmen zur Geltung kommen sollen. Es gilt Führungskräfte dafür zu »sensibilisieren«, um Verständnis