Liebesaffären zwischen Problem und Lösung. Gunther Schmidt

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Liebesaffären zwischen Problem und Lösung - Gunther Schmidt Hypnose und Hypnotherapie

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zu nutzen für die gewünschten Ergebnisse, für welche Aufträge erteilt werden. Dies ist das Ziel aller Hypnotherapie. Sie kann beschrieben werden als das systematische und gezielte Arbeiten mit Prozessen der Aufmerksamkeitsfokussierung, insbesondere zur Aktivierung von unwillkürlichen Prozessen (gewünschter Art).

      Als Aufmerksamkeitsfokussierung kann die selbst organisierte Form des assoziativen Zusammenfügens von sinnlichen Erlebniselementen bezeichnet werden. Synchron verbunden werden z. B. visuelle Elemente (innere und äußere Bilder, Filme), auditive Elemente, innere und äußere Dialoge, kinästhetische, gustatorische und olfaktorische Eindrücke, Alters- und Größenerleben, Atemmuster, Körperkoordination mit Verhalten, Bewertungen und Bedeutungsgebung. Auch diese Verkopplungen werden als „Muster“ bezeichnet. Erleben ist Ergebnis solcher selbst (auf willkürlicher und unwillkürlicher Ebene) zusammengefügter Muster (für ausführlichere Beschreibungen siehe die Kapitel über Hypnosyste mische Kompetenzentfaltung bzw. Wahrgebungen).

      Die Kenntnis der Art, wie Aufmerksamkeitsfokussierung geschieht, hilft uns sehr dabei, das Phänomen „Hypnose“ und auch „Hypnotherapie“ endlich zu entmystifizieren und den Wust undifferenzierter, total verzerrender Vorurteile über diese Verfahren aufzulösen. Milton Erickson betonte zu Recht immer wieder, dass Hypnotherapie nur völlig natürliche, von allen Menschen permanent im üblichen Alltagsleben praktizierte Prozesse nutzt. In einer Hypnotherapie geschieht grundsätzlich eigentlich gar nichts Neues, es kann niemals von außen etwas „in den Menschen hineingebracht“ werden, was nicht ohnehin schon längst als gelebtes Potenzial gespeichert ist.

      Traditionell wurde in der Hypnotherapie die Fokussierung von Aufmerksamkeit angeregt durch „Suggestionen“, die als direkte Anregungen oder Aufforderungen, oft sogar als eine Art von Befehlen kommuniziert wurden. Zwar erweckte das immer wieder den Eindruck, als ob man von außen jemanden zu etwas bringen könnte, auch gegen seinen Willen (Suggestion kommt von subgerere = unterschieben). Die Autopoieseforschung zeigt aber klar, dass man niemals jemanden von außen zu einem Erleben zwingen kann, die Bedeutung einer Botschaft wird ohne Ausnahme immer vom Empfänger der Botschaft bestimmt, nicht vom Sender. Deshalb hat der Begriff „Suggestion“ in seiner traditionellen Bedeutung keinen Sinn. Jede Fremdsuggestion, so die allgemein geteilte Auffassung im Feld der Hypnotherapie, wirkt immer nur als Selbstsuggestion. Diese Grundannahme veranlasste Milton Erickson dann auch, statt der üblichen direkten „Suggestionen“ viele indirekte Strategien zu nutzen, um Menschen zu selbst organisierten Fokussierungsprozessen anzuregen, z. B. „Einstreutechniken“, Implikationen, auch Konfusionstechniken, Fragen, welche die Aufmerksamkeit auf einen gewünschten Bereich lenken sollten, besonders auch das Angebot von Metaphern und Symbolen und das Erzählen von Anekdoten, welche eigenständige innere Imaginations- und Fokussierungsprozesse anregen sollten.

      Die Theorie lebender Systeme als autonomer, sich selbst organisierender Systeme (Autopoiese) belegt in aktueller wissenschaftlicher Form nur noch einmal, was bei Erickson schon immer selbstverständliche Grundlage der Arbeit war, nämlich dass alle hypnotischen Induktionsprozesse letztlich immer selbsthypnotische Prozesse sind. Dies lässt sich durch unzählige Alltagsbeispiele belegen. Als besonders nützlich erscheint es mir, dafür das übliche menschliche Träumen als Anschauungsmaterial zu nutzen. Denn was während des spontanen Prozesses eines Traums geschieht, ist dem Erleben sehr ähnlich, das sich auch in einer gelingenden Hypnotherapie entwickelt (im Traum wirkt es oft aber noch intensiver).

      Stellen wir uns also vor, wir würden nachts zu Bett gehen und uns schlafen legen. Nehmen wir nun an, dass es uns zu diesem Zeitpunkt ausgezeichnet geht. Wir fühlen uns sehr behaglich, sicher, haben das Gefühl, in unserem Leben würde es zurzeit optimal ablaufen, wir fühlen uns sehr zufrieden und auch körperlich optimal im Lot (denkbar wäre ja ein solches Erleben, nicht wahr?). Sicher werden wir nun, wie bei jedem gewöhlichen Schlaf, unsere üblichen REMPhasen erleben und träumen. Träumen heißt ja aber im Grunde nur, dass wir in selbst organisierter Weise eine eigene „Multimediashow“ (auf allen Sinneskanälen) inszenieren. Wir sind dabei Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler, Beobachter etc. in einem. Die Art aber, wohin wir träumen, welchen quasi Traumfilm wir gerade produzieren, entscheidet nun mit machtvoller Konsequenz über das, was wir erleben, ja sogar, zu wem wir ganzkörperlich werden. Wenn wir z. B. nun einen Albtraum träumen würden, dann kann es uns vorher noch so gut gegangen sein, in Sekunden wird sich nicht nur unsere emotionale Reaktion verändern, sondern auch unsere körperlichen Prozesse werden massiv verändert. In kürzester Zeit ändern sich unser Blutdruck, unser Puls, unsere Atmung, sogar das Blutbild und die Hormonsituation werden nachhaltig verändert, möglicherweise (je nach Trauminhalt) erleben wir Todesangst, einen Schweißausbruch etc. Wenn nun aber, was in Träumen ja oft geschieht, plötzlich selbst organisiert ein anderer Trauminhalt eingespielt wird (Szenenwechsel, quasi director’s cut), z. B. eine sehr schöne Szene, dann ändern sich wieder in kürzester Zeit alle diese Prozesse, wir werden wieder schnellstens zu jemand anderem, auch ohne verstanden zu haben, woher das vorherige Erleben kam oder ohne es „durchgearbeitet“ zu haben. Dies alles ist nur ein Ergebnis davon, wohin wir unsere Aufmerksamkeit ausrichten im Traum. Ein zentrales Element kommt allerdings noch hinzu: Es ist sehr entscheidend, aus welcher Beobachterposition wir das alles erleben. Im üblichen Traum sind wir sehr intensiv assoziiert mit dem, was wir im Traum beobachten. Würden wir aber z. B. die Methode des „luziden Träumens“ nutzen (La Berge 1991; Tholey 1989), bei der man einfach lernt, während des Träumens den eigenen Traum zu beobachten, sich also auf eine Art Metaebene zu begeben und sich so vom Traumgeschehen etwas zu dissoziieren (und dabei auch mehr Willkürlichkeit einzuführen), könnten wir sogar den jeweiligen Traum beeinflussen und unser Erleben mehr wunschgemäß gestalten.

      Hypnotherapie macht sich diese natürlichen Prozesse nur zunutze. Dies ist allerdings keine neue Entdeckung. Alle schamanistischen Heilungsprozeduren seit tausenden von Jahren gehen nach dem gleichen Prinzip vor. In der schamanistischen Tradition von Hawai wird dies z. B. kurz zusammengefasst mit dem Spruch: „Energy flows, where attention goes …“ Da, wo die Aufmerksamkeit hingeht, geschehen verwirklichte Physiologie, Denken und Emotion.

      Potenzialhypothese

      Dieses uns so vertraute, selbstverständliche Geschehen im Traum belegt nun aber auch eindeutig eine zentrale Annahme ericksonscher Arbeit. Wenn wir bedenken, welche enormen Veränderungen wir, je nach Trauminhalt und Beobachterposition im Traum, in unterschiedlichste Erlebnisrichtungen erzeugen können (üblicherweise allerdings, außer während des luziden Träumens, auf unwillkürlicher Ebene, denn wir träumen ja unwillkürlich), dann kann das nur klar heißen, dass wir in uns enorme Potenziale der Erlebnisgestaltung tragen. Genau diese Potenziale versucht die ericksonsche Hypnotherapie zu nutzen. So kommt sie auch zu einer entscheidenden Prämisse, die ich gerne die Potenzialhypothese nenne. Die ericksonsche Hypnotherapie geht von der Grundannahme aus, dass in praktisch allen Fällen die Grundkompetenzmuster, die für eine gesunde Lösung von psychischen, psychosomatischen und/oder interaktionellen Problemen verwendet werden, im Erfahrungsspektrum der Beteiligten gespeichert sind (Erickson u. Rossi 1981; Gilligan 1991; Schmidt 1992b). Jedem Menschen steht eine Vielzahl von Erlebnismustern – meist gespeichert in seinem unbewussten Erlebnisrepertoire – zur Verfügung. Jeder Erlebnisprozess fokussiert selektiv auf bestimmte Wahrnehmungsmöglichkeiten; mit diesen erlebt man sich als assoziiert, andere werden ausgeblendet oder treten in der Wahrnehmung zurück, sie werden dissoziiert. Dabei bleiben sie aber, selbst wenn sie „vergessen“ werden, als Potenzial verfügbar. Dies gilt auch für schon einmal erlebte Kompetenzmuster.

      Ein weiteres kleines Beispiel soll diese These untermauern: Milton Erickson erzählte in persönlichen Begegnungen gerne, wie er die Wirkung solcher unwillkürlichen Fokussierung selbst in fast überwältigender Weise erlebt hatte (diese Episode wurde für ihn auch ein wichtiger Startimpuls zur späteren Entwicklung seiner Ansätze). Er war ja durch eine verheerende Polioinfektion im Alter von 17 Jahren (im Jahre 1918) völlig gelähmt. Über viele Monate hinweg lag er völlig ausgeliefert und hilflos im Bett. Seine Eltern, arme Bauern, konnten ihm nicht viel Unterstützung oder teure medizinische Versorgung anbieten. Sie bastelten ihm aber einen Schaukelstuhl,

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