Agrarwende jetzt! (Telepolis). Susanne Aigner
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Etwa zehn Jahre lang diskutierten die zuständigen Behörden über ein Verbot von mehr als 50 Pestiziden. Nun soll die Zulassung des Wirkstoffes Glufosinat am 31. Juli 2018 auslaufen. Unverständlicherweise dürfen Restbestände des hochgiftigen Cocktails innerhalb einer "Übergangsfrist" bis Mitte 2019 aufgebraucht werden.
Bereits seit 2013 ist der Glufosinat-Einsatz innerhalb der EU eingeschränkt, weil Herstellerstudien dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zufolge "die Bedenken nicht entkräften" und somit ein Risiko für Säugetiere und Insekten "nicht ausgeschlossen werden" konnten.
Glufosinat - als Ersatz für Glyphosat?
2014 hatte Bayer CropScience eine Erneuerung der Zulassung für Glufosinat nach dem 31. Juli 2018 beantragt. Diesen Antrag zog der Konzern am 20. Dezember 2017 zurück - fünf Tage, nachdem die EU grünes Licht für Glyphosat für weitere fünf Jahre gegeben hatte.
Grund hierfür seien "anhaltende regulatorische Unwägbarkeiten innerhalb der EU" gewesen. Hat Bayer diese Entscheidung getroffen, um einer Ablehnung zuvorzukommen?
Dieses Verhalten wäre untypisch für den ehrgeizigen Mega-Konzern. Zweifellos sollte Glufosinat im Fall eines Glyphosat-Verbotes als Ersatz-Herbizid bereitstehen. Wegen der verlängerten Glyphosat-Zulassung wird Glufosinat - zumindest in der Europäischen Union - nun nicht mehr gebraucht.
Im Gegensatz zu den Wirkstoffen werden die anwendungsfertigen Präparate nicht von der EU, sondern nationalstaatlich zugelassen. So lief die Zulassung des glufosinathaltigen Mittels "Basta" in Deutschland bereits 2015 aus.
Auch hier durften Restbestände innerhalb der der folgenden zwei Jahre aufgebraucht werden. 2017 schließlich wurde "Basta" auch in Frankreich von der zuständigen Lebensmittelbehörde verboten.
In anderen EU-Staaten hingegen blieb das Mittel bei Ackerfrüchten, die im Binnenmarkt frei gehandelt werden dürfen, bis dato erlaubt. Nebenbei bemerkt: Allein die Setzung von jahrelangen "Fristen", um Restbestände verbotener Ackergifte aufzubrauchen, ist aus ökologischer Sicht kontraproduktiv und inkonsequent - auch wenn es sicher die billigste Form der Entsorgung ist, giftige Chemikalienreste auf die Äcker zu kippen.
Bayers Deal mit der BASF
Verbot hin oder her - das Geschäft mit Glufosinat geht munter weiter. So kann, wie es aussieht, trotz aller Proteste eine Mega-Fusion der Agrarkonzerne offenbar nicht mehr verhindert werden. Bayer schluckt Monsanto für 62,5 Milliarden Dollar und mutiert damit zum weltweit größten Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut.
Um die Transaktion durchführen zu dürfen, muss der Konzern allerdings seine Geschäfte mit Soja, Baumwollsaat - und auch mit Glufosinat - an den deutschen Chemiekonzern BASF verkaufen.
Bereits im Oktober 2017 unterzeichnete die BASF eine Vereinbarung zwecks Erwerb großer Teile der Saatgut- und nicht-selektiven Herbizid-Geschäfte von Bayer. Darüber hinaus umfasst der Kauf auch Glufosinat-Ammonium, das unter den Marken Liberty®, Basta® und Finale® vermarktet wird sowie die Saatgutgeschäfte für wichtige Feldkulturen wie Raps-Hybride in Nordamerika, ferner Raps in Europa, Baumwolle in Amerika und Europa sowie Soja in Nord- und Südamerika.
Außerdem übernimmt die BASF u. a. die Produktionsstandorte für Glufosinat-Ammonium in Deutschland, in den USA und in Kanada. Für diesen Deal strich Bayer knapp sechs Milliarden Euro ein.
Sollte die BASF Glufosinat innerhalb der EU tatsächlich nutzen wollen, müsste das Unternehmen einen Neuantrag stellen - und ein jahrelanges Verfahren in Kauf nehmen. Experten halten dies für unwahrscheinlich.
Amerika - Abladeplatz für verbotene Ackergifte?
Somit - und dies ist der eigentliche Skandal - wird sich der Einsatz von Glufosinat auf die Länder außerhalb der EU verlagern. Denn in den restlichen Teilen der Welt darf das Gift weiter gespritzt werden.
Die Nachfrage nach glufosinathaltigen Unkrautvernichtungsmitteln steigt - vor allem dort, wo Unkräuter gegen Glyphosat ("Roundup") resistent werden - insbesondere in den USA und in weiten Teilen Südamerikas.
Bereits 2013 hatte Bayer, während die EU die Verwendung des Wirkstoffes einschränkte, seine Glufosinat-Produktion in den USA erweitert.
Dass die BASF ähnlich leichtfertig mit Pestiziden und deren Nebenwirkungen umgeht wie Bayer, ist wenig beruhigend. So richtete das Herbizid Dicamba beim Ausbringen auf herbizidresistentem Gen-Soja von Monsanto in den USA auf benachbarten Feldern immense Schäden an.
Glaubt man den Angaben des gen-ethischen Netzwerks soll die Abdrift im vergangenen Jahr nicht resistente Pflanzen auf einer Fläche von insgesamt 1,4 Millionen Hektar zerstört haben.
Geschädigt werden Pflanzen, Tiere, Boden - und nicht zuletzt der Mensch. So hat in Südamerika der Anbau von Gen-Soja mit glyphosathaltigem Roundup tausende Menschen krank gemacht. Bis sich Glufosinat auf Mensch und Natur ähnlich schädlich auswirken wird, ist es nur eine Frage der Zeit.
Geheimniskrämerei bei der Zulassung
Bei all dem scheint die Bayer-Monsanto-Fusion das Machtgefüge der Mega-Konzerne weiter zu festigen. Bald üben immer weniger und mächtigere Agrarkonzerne immer mehr Kontrolle über die globale Lebensmittelproduktion aus, während immer neue gentechnisch veränderte Pflanzen zunehmend Resistenzen gegen Herbizide hervorbringen.
Die Abhängigkeit der Landwirte von Pestiziden wächst, die Artenvielfalt wird dezimiert, die menschliche Gesundheit gefährdet. Konzerne wie Bayer und BASF kümmert dies nicht - so lange der Profit stimmt. Sie verdienen das große Geld mit "innovativen" Produkten. Unter Verwendung positiv besetzter, aber abgenutzter Begriffe wie "Nachhaltigkeit" versuchen sie, die giftigen Cocktails gewinnbringend zu vermarkten.
Selbst bei konkreten Hinweisen auf Risiken für Mensch und Umwelt bleiben giftige Wirkstoffe jahrzehntelang zugelassen. So teilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf Anfrage der Bürgerinitiative Campact e. V.