GEGEN UNENDLICH 16. Группа авторов

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GEGEN UNENDLICH 16 - Группа авторов

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nicht auf das Mädchen und fixierte das große, durchscheinende Buch auf dem Pult. Der Schmerz flackerte in ihrem Unterleib, so rot glühend und scharf, dass es ihr den Atem nahm. Mit klopfenden Herzen schleppte die alte Frau sich weiter.

      Die Innenwände bestanden aus einer schwarzen, glatten Steinschicht, die das wenige Licht im Gebäude verschluckte, sodass die Ausmaße des Raumes verschwammen.

      »Ich wandle durch die sternenlose Schwärze«, murmelte der Kapitän.

      Sie bemerkte, dass Aline sie fragend ansah, doch sie hielt den Blick auf das Objekt am anderen Ende des Raums geheftet. Die Schritte auf dem bloßen Steinboden hallten leise wieder.

      Vor dem steinernen Buchständer blieb sie stehen. Obwohl alles in ihr danach rief, in das Buch aus Glas zu schauen, irrte ihr Blick über die Ränder des Buchständers, der aus dem grauen Gestein der Außenwand bestand und nach Alter und Staub roch. Aus der Nähe wirkte die Steinoberfläche porös, wie die verkraterte Oberfläche eines Mondes.

      Ihr Gesicht, von dem sie wusste, dass es keine Regung zeigte, war hart wie das Material um sie herum, aber ihre Augen brannten. Seit Jahren vermochte sie nicht mehr zu schlafen, und sobald sie doch einmal die Augen schloss, waren dort nur Träume zu finden. Bilder, aus lang vergangenen Zeiten, ihrer nordenglischen Heimat, ihres Dorfes, die ihre Ruhephasen durchfurchten wie ein Pflug den Acker. Obwohl sie so weit gekommen war und ein Leben zwischen den Sternen gelebt hatte, kehrten sie während des Schlafes immer wieder in ihre Kindheit zurück. Längst vergessene Details wurden lebendig, als wäre sie erst gestern aufgebrochen. Ihr altes Gehirn ließ sie durch Wälder streifen und Gänseblümchen pflücken, ein junges Mädchen, das sich nie davor gefürchtet hatte, sich zu verlaufen. Und erst das Wecksignal holte sie zurück in die kleine Koje zwischen den kahlen Wänden der Ikarus.

      Der Kapitän beugte sich über das Buch und schlug es auf.

      Es war immer so: Keiner wusste, was ihn erwartete, wenn er in das Gläserne Buch blickte. Jeder sah etwas anderes, und doch war niemand von seinem Inhalt überrascht. Und so war es auch bei ihr.

      Vor ihr erstreckte sich das endlose All und instinktiv stützte sie sich auf dem Buchständer ab, um nicht kopfüber zwischen die Sterne zu fallen. Es war, als hätte man ein Fenster ins Universum geschlagen, das sich unter ihr auftat. Sie stöhnte erschrocken auf, Schwindel erfasste sie und es gelang ihr nur mit Mühe, auf den Füßen zu bleiben. Sie zwang sich, den Blick nicht abzuwenden, während die Sterne sich vor ihren Augen zu bewegen begannen. Sie umklammerte das steinerne Bücherpult so fest, dass sie das Gefühl in ihren Händen verlor. Sie erkannte die Sterne, die ihre noch jungen Augen gesehen hatten, als sie als Offiziersanwärterin auf ihrem ersten Flug von der Erde aufgebrochen war. Ein Eindruck, der sich ihr für immer eingebrannt hatte. Planeten und Sternenbilder zogen vorbei wie die Jahre, die sie zwischen ihnen verbracht hatte, eine lange Zeit für einen Menschen, aber nicht einmal ein Wimpernschlag für die Unendlichkeit. Die alte Frau lächelte, während die vertrauten Bilder an ihr vorüberzogen. Wie im Schnellraffer sah sie ihre Reisen an sich vorüberziehen, und sie lächelte noch immer, als die Sterne ihren Zeitlauf überschritten und in die Zukunft hinforteilten. Der Zeitpunkt kam, an dem ihr irdisches Dasein endete und die Ewigkeit begann. Das Ende ihrer Reise. Aufmerksam sah sie hin, bevor sie sich langsam aufrichtete.

      Sie war ein wenig zitterig, aber sie hatte genug Zeit gehabt, sich auf diesen Moment vorzubereiten, und das Alter hatte sie gelehrt, Unvermeidliches auszuhalten. Aline griff nach ihrer Hand und die menschliche Berührung überraschte sie. Wie lange war es her, dass jemand ihre Hand genommen hatte? Ein wenig unbeholfen tätschelte sie die glatte Haut des Mädchens. Langsam, und ohne ein Wort, kehrte sie zum Eingang zurück. Die Tür stand nun offen und ließ die öde Steinwüste erkennen.

      Erst als sie gemeinsam vor das heilige Gebäude traten, fand der Kapitän die Worte wieder.

      »Du bist nicht zufällig an Bord gekommen, weißt du«, sagte sie unter dem gigantischen Sternenhimmel zu dem Mädchen. »Ich war ungefähr so alt wie du, als ich mit meiner Ausbildung begann.« Der Kapitän machte eine Pause und musterte die Sternenkonstellation, stockte für einen Augenblick. »Manchmal ist es ein Schiff, das sich seine Menschen wählt.«

      Aline sah sie fragend an.

      »Ich glaube, du würdest gut an Bord der Ikarus passen. Sie hat noch die eine oder andere Reise vor sich und die Mannschaft könnte etwas Nachwuchs gebrauchen.« Der Kapitän lachte ein heiseres Altfrauenlachen. »Wir sind alle nicht mehr die Jüngsten.«

      Aline wirkte überrascht und sah eine Weile zu dem entfernten Raumschiff hinüber, dessen Schatten in der Ferne nur zu erahnen war. Dann nahm sie das kleine Büchlein zur Hand und schrieb etwas hinein.

      »Meine Eltern sind tot«, las der Kapitän.

      Alines Finger, die das Heft hielten, zitterten.

      »Wenn du an Bord eines Raumschiffes dienst«, sagte sie zu dem Mädchen, »bekommst du eine neue Familie. Sie werden auf dich aufpassen und sich um dich kümmern. Es ist leichter, an Bord zu sein, wenn du keine Familie zurücklässt!«

      Der Kapitän aktivierte mit einem Sprachbefehl ein holografisches Terminal, das blauschimmernd zwischen ihnen auftauchte, und sendete eine kurze Nachricht an ihren Stellvertreter an Bord.

      »Bereitet alles für unser neues Crewmitglied vor«, sagte sie. »Schaut, was sie kann, und bildet sie aus. Sie heißt Aline.«

      »Verstanden, Kapitän«, antwortete Marl.

      »Nachdem das erledigt ist, sollten wir …«

      Aline zupfte energisch an ihrem Ärmel und zeigte auf sie.

      »Was meinst du, Kleines?«

      Aline kritzelte einige Wörter in das Büchlein und hielt es der alten Frau entgegen.

      »Was ist mit dir?«, las der Kapitän. »Wie ich schon sagte, das ist meine letzte Reise! Komm mit!«

      Die unweit des Heiligtums in den Felshang führende Höhle war kaum mehr als ein schmaler Gang, der sich erst nach ein paar Schritten weitete. Einige Seitengänge führten tiefer in den Felsen, von dem der Kapitän nicht sagen konnte, ob sie natürlichen Ursprungs waren oder über Jahre mühevoll in den Stein gehauen worden waren. In regelmäßigen Abständen befanden sich Behältnisse mit leuchtenden Steinen an den Wänden, die die Umgebung notdürftig erleuchteten. Der Gang endete in einer kleinen Kammer.

      Der namenlose Mönch kniete vor einem verblichenen Gemälde, das im flackernden Licht einer Feuerschale golden glänzte. Drei Skelette standen neben ihm und musterten sie mit ihren dunklen Augenhöhlen. Der ganze Raum roch nach Weihrauch.

      Der Kapitän erkannte, dass der Mönch ein- und dasselbe Wort immer und immer wieder wiederholte, eine endlose Litanei gemurmelter Silben, die zu einem monotonen Singsang verschmolzen. Bei jedem Ausatmen sprach er das Wort ohne hörbare Gefühlsregung, fast wie ein Hauchen, ohne besondere Betonung. Aber so sehr sich die alte Frau auch bemühte, sie konnte nicht verstehen, um welches Wort es sich handelte. Durch die beständige Wiederholung schien es von Schatten umgeben zu sein, als wäre es von einer übergroßen Deutlichkeit verhüllt.

      Nach einer Weile verstummte der Mönch und drehte sich zu ihnen um. Außer dem leisen Flackern des Feuers war nicht das geringste Geräusch zu hören. Der Mönch nahm seine Kapuze ab und winkte Aline zu sich heran.

      »Geh, mein Kind«, sagte die alte Frau leise.

      Zögerlich ging Aline zu dem knienden Mann hinüber und ließ sich vor ihm nieder. Das schmale Gesicht

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