Sammelband 6 Krimis: Der Killer in den Bergen und andere Krimis für Strand und Urlaub. Alfred Bekker
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Desmond schluckte. "Linda...", murmelte er, während der Inspektor die Hand ausstreckte.
"Ihre Waffe bitte, Desmond!"
Zögernd reichte Desmond sie Inspektor Graves.
Noch bevor Graves an der Waffenmündung gerochen hatte, flüsterte Desmond: "Es ist wahr."
Über den verrückten Fernandez konnte man am nächsten Tag in der Zeitung lesen, daß er mit einem gestohlen Wagen einen Verkehrsunfall verursacht hatte und verletzt worden war. Der Streifenpolizist, der den Unfall aufnahm, hatte ihn festgenommen.
Alfred Bekker
KALT WIE EIS
"Wo soll ich das Zeug hinbringen?" fragte der Eismann und wollte sich schon an Anderson vorbei ins Haus bewegen, aber dort konnte dieser die Eisstangen nicht gebrauchen. "Die Dinger sollen in den Kofferraum vom Wagen." Phil Anderson ging vor dem Eismann her bis sie den Wagen erreichten, machte dann den Kofferraum auf und ließ sich den länglichen Eisblock hineinlegen. "Die anderen auch in den Kofferraum?" vergewisserte sich der Eismann. "Ja", sagte Anderson kühl. Insgesamt drei dicke, quaderförmige Stangen waren es. "Sie werden sich den Wagen damit verderben!" sagte der Eismann, als Anderson bezahlte. "Das lassen Sie mal meine Sorge sein!" kam die nicht gerade freundliche Erwiderung. Der Eismann hob die Hände. "Ist ja schon gut", maulte er. Anderson sah ihm nach, bis er mit seinem Lieferwagen weggefahren war. Dann griff er zu dem Handy, den er in der Jacketinnentasche stecken hatte und wählte die Nummer von Melinda Harris, seiner Sekretärin. "Melinda? Legen Sie nicht gleich wieder auf! Wir müssen miteinander reden!" "Haben Sie es sich überlegt?" fragte Melinda kühl.
"Ich war heute morgen wohl etwas unbeherrscht, wie mir scheint", sagte Anderson. "Entschuldigen Sie das bitte." "Schon gut. Sie wissen, was ich will. Hunderttausend halte ich für angemessen", sagte Melinda. "Wenn die Sache rauskäme, würden Sie nicht nur Ihren Job in der Firma verlieren, sondern wohl auch ins Gefängnis wandern." Anderson seufzte. "Ich habe begriffen, daß Sie am längeren Hebel sitzen, Melinda. Eine Frage: Haben Sie bislang schon irgendjemandem etwas von der Sache erzählt?" "Nein. Glauben Sie, ich will das Geld mit jemandem teilen?" Anderson nickte. "Ich verstehe... Sie können das Geld haben. Ich habe es hier. In bar." Melinda schien erstaunt. "Gut...", murmelte sie. Mit so viel Entgegenkommen schien sie nicht gerechnet zu haben. "Ich bin dafür, daß wir uns jetzt gleich treffen und die Sache über die Bühne bringen..." "Das ist mir auch am liebsten, Phil!" "Ich bin gerade in meinem Wochenendhaus in den Bergen. Sie waren schon mal dort, erinnern Sie sich?" "Ja." "Auf halbem Weg gibt es einen Parkplatz. Man hat dort eine fantastische Aussicht. Als Sie mich damals besuchten, habe ich Ihnen die Stelle gezeigt. Dort treffen wir uns. Wenn Sie gleich losfahren, sind Sie in zwanzig Minuten dort..." Melinda zögerte. Vielleicht witterte sie eine Falle. Jedenfalls schien es ihr reichlich merkwürdig vorzukommen, daß Anderson nun so bereitwillig auf ihre Erpressung einging... "Ja", hörte Anderson sie dann aber doch sagen und auf seinem Gesicht erschien ein Grinsen.
*
PHIL ANDERSON WAR ALS erster bei dem Parkplatz. Er sah ungeduldig auf die Uhr. Das Eis machte ihm sorgen. Wenn Melinda zu spät kam, wäre es geschmolzen. Aber das Eis spielte in dem Mordplan, den er sich zurechtgelegt hatte, eine entscheidende Rolle. Es gibt keinen anderen Weg! sagte er zu sich selbst. Melinda hatte per Zufall davon erfahren, daß Anderson über Jahre hinweg Gelder aus der Immobilienfirma, für die er arbeitete, abgeschöpft hatte. Und daraus wollte sie jetzt Kapital schlagen. Hunderttausend waren eine Summe, die er aufbringen konnte, aber Anderson war sich sicher, daß es damit nicht zu Ende sein würde. Melinda würde ihn nach kurzer Zeit erneut bluten lassen. Nein, die Sache mußte beendet werden. Ein für allemal. Anderson zog sich seine dünnen Lederhandschuhe an. Ein Motorengeräusch brauste auf. Das war Melinda. Sie parkte ihren roten Sportflitzer und stieg aus. Melinda strich sich die lange gelockte Mähne zurück und kam gleich zur Sache. "Wo ist das Geld?" fragte sie. Anderson kam ein paar Schritte näher. "Hören Sie, Melinda...", begann er. Er hatte sie fast erreicht, da erstarrte er plötzlich mitten in der Bewegung. Er blickte abwärts in Höhe seines Bauchs und bemerkte den blanken Lauf eines Kleinkaliber-Revolvers, den Melinda plötzlich in ihrer Hand trug. "Bleib, wo du bist", sagte sie. "Melinda, was soll das? Wir wollten uns doch einigen!"
"Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, Phil!" erklärte sie. "Ich weiß, daß du mit allen Wassern gewaschen bist und dir kein Trick zu schmutzig wäre..." Anderson lächelte schwach. "Melinda..." "Keine Tricks! Ich will das Geld." "Es ist im Wagen!" "Dann holen wir es jetzt..." Sie bedeutete ihm mit einem Handzeichen, sich umzudrehen. Mit ihrem Revolver im Rücken ging er dann vor ihr her und er fragte sich, was er tun konnte. Er hatte kein Geld für sie und außerdem ging sein ganzer Plan den Bach hinunter. Anderson öffnete den Kofferraum seines Wagens. Melinda stand hinter ihm und sah auf die Eisstangen. "Was soll das?" murmelte sie. Jetzt oder nie! dachte Anderson. Diesen Moment der Überraschung nutzte er und wirbelte herum. Der Handkantenschlag traf ihre Kehle und ließ sie augenblicklich in sich zusammensacken. Die Waffe hielt sie fest umklammert, aber sie kam nicht mehr dazu, sie abzudrücken. Anderson sah zufrieden auf sie herab. Sie war tot.
Jetzt durfte er keine Zeit verlieren. Er packte sie und trug sie zu ihrem Wagen. Dann setzte er die Tote ans Steuer. Nun schob er den Wagen an den Rand des Parkplatzes. Dort ging ein Hang recht steil hinab. Anderson schob den Wagen so weit es ging dorthin und zog die Bremse. Anschließend holte Anderson aus seinem Wagen die erste Eistange. Er legte sie so unter die Vorderräder von Melindas Sportwagen, das das Eis wie ein Bremsklotz wirkte. Die beiden anderen Stangen plazierte er ähnlich. Dann löste er sehr vorsichtig die Handbremse und lächelte. Das Eis würde schmelzen und der Wagen in die Tiefe rasen. Etwas weiter unterhalb kam ein Plateau und dann ging die Felswand fast senkrecht in die Tiefe. Der Wagen würde vielleicht explodieren und wenn nicht, dann würde man die Verletzung an Melindas Kehle als Unfallfolge deuten. Wahrscheinlich konnte man in der Umgebung den Aufprall weithin hören. Gut so, dachte Anderson. Denn wenn es so weit war, würde er sich viele Kilometer entfernt befinden und dafür sorgen, daß sich genügend Zeugen an ihn erinnerten... Anderson stieg in den Wagen und brauste davon. Er kehrte erst spät in sein Haus in den Bergen zurück und war ziemlich überrascht, als jemand vor der Haustür auf ihn wartete. "Ich bin Inspektor Jarvis von der Kriminalpolizei", sagte der etwas beleibte Mann und zeigte Anderson seine Marke. "Ich habe es schon einmal versucht, aber da waren Sie nicht zu Hause..." "Kommen Sie herein", sagte Anderson und rieb sich die Hände. Es war ziemlich kalt geworden. "Was ist denn passiert?" "Kennen Sie Melinda Harris?" "Meine Sekretärin. Warten Sie, ich mache die Heizung an..." "Sie ist hier in der Nähe ermordet worden." "Ermordet?" fragte Anderson. Etwas mußte schief gelaufen sein und er fragte sich verzweifelt was es wohl war. Der Inspektor nickte. "Von Ihnen, Mr. Anderson. Sie hatten einen genialen Plan. Eigentlich hätte man von dem Eis keinerlei Spuren finden dürfen und wir hätten dann auch niemals bei den Eislieferanten der Umgebung nachgefragt, wer sich heute drei große Stangen hat liefern lassen... Wir wären nie auf Sie gekommen, Mr. Anderson, wenn Sie das Wetter hier in den Bergen in Ihre Überlegungen mit einbezogen hätten. Drastische Temperaturschwankungen sind hier nichts ungewöhnliches und heute hat