Western Sammelband 4 Romane: Wo die Wölfe warten und andere Western. Alfred Bekker
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„Die Wahrheit also, so, so.“ Der Marshal feixte und sein Gesicht bekam einen bitteren Ausdruck. „Ein seltenes Gut in dieser Gegend hier.“ Er blickte sich nach seinen Leuten um. Alle hörten sie schweigend zu, alle taxierten Grainger mit feindseligen Blicken. „Na gut, Fremder, erzähl deine Story, das gehört ja zu einem Prozess dazu, schätze ich mal. Warten wir ab, ob sie überzeugend klingt, deine Wahrheit – oder wie das Lügenmärchen eines Banditen!“
„Okay, Marshal.“ Grainger nickte langsam. „Nett, dass Sie mir zuhören wollen.“
Der Mann von der U.S. Government Squad konnte den verbitterten McCabe gut verstehen. Es war kein Vergnügen den Stern zu tragen und ständig mit Mord, Raub und Totschlag konfrontiert zu werden.
Die Sheriffs und Town Marshals in der Gegend waren mit ihren herkömmlichen Methoden nicht in der Lage, dem Gesetz die nötige Achtung zu verschaffen. Und an einen Einsatz der Army war vorerst nicht zu denken. Also war man an die U.S. Government Squad herangetreten und die Geheimorganisation hatte ihren besten Mann in den Einsatz geschickt.
„Mein Name ist Grainger und ich bin in diese Gegend gekommen, weil ich selbst auf der Jagd nach dieser Bande bin.“ Damit sagte er noch nicht einmal die Unwahrheit.
„Als einzelner Mann?“, höhnte McCabe. Er wandte sich an den Indianer. „Was sagst du dazu, Cold Blood?“
„Dieser Kerl spricht mit gespaltener Zunge!“
„Sehe ich auch so.“ McCabe drehte sich wieder zu Grainger um. „Cold Blood ist mein Assistant Marshal. Er ist Cherokee und war Scout während des Bürgerkrieges. Vor allem aber hat er die Fähigkeit, einen Lügner nicht nur zu erkennen, sondern auch zum Reden zu bringen, wenn es sein muss...“
„Schön für Sie, McCabe“, sagte Grainger mit rauer Stimme. „Aber er würde seine Kunst an mir verschwenden. Ich kenne die Verbrecher nicht, die Sie jagen.“
Da die Existenz der U.S. Government Squad absolut im Verborgenen bleiben musste, konnte Grainger McCabes Leuten gegenüber schlecht die Karten auf den Tisch legen. Es musste unbedingt geheim bleiben, in wessen Auftrag er in der Gegend um den White Creek unterwegs war. Zwar war auch Grainger auf seine Weise ein Gesetzeshüter, aber einer ohne Stern oder sonst irgendein offizielles Dokument, das ihn als solchen ausgewiesen hätte. Also musste er diesen Männern eine Geschichte erzählen, die überzeugend genug klang, sodass sie ihn am Leben ließen.
„Ich verschwende meine Kunst nie.“ Cold Blood zog seinen Dolch. „Soll ich dem Kerl die gespaltene Zunge wieder zusammenwachsen lassen?“, wandte der Cherokee sich an den Marshal.
McCabe winkte ab. „Das können wir uns für später aufheben.“
„Wie Sie meinen, Marshal.“
„Ist das alles, was Sie zu sagen haben, Grainger?“, fragte McCabe.
Alle Augen waren auf Grainger gerichtet, während er fortfuhr: „Mein Pferd ist etwa eine halbe Meile von hier entfernt in den Sträuchern auf dem Hügel festgebunden", berichtete Grainger. „Schicken Sie einen Ihrer Männer hinauf, damit er es herholt! Und dann durchsuchen Sie die Satteltaschen. Sie werden nichts finden, was mich mit dieser Bande in Verbindung bringt. Keinen Baumwollsack mit den verschwundenen Lohngeldern der Utah Territory Mining Company oder sonst etwas. Aber diese Männer haben einen meiner besten Freunde auf dem Gewissen. Sie haben die Fahrgäste aufgefordert, ihre Wertsachen und Waffen auszuhändigen und als er ihnen sein Zigarettenetui geben wollte, haben sie ihn abgeknallt wie einen tollwütigen Hund.“
„Das ist doch alles Bullshit, was der Kerl da redet!“, meldete sich einer der anderen Männer zu Wort. „Hängen wir ihn doch einfach auf!“
„Jawohl, kurzen Prozess gemacht mit diesem Mörderpack!“ Die Banditenjäger riefen jetzt durcheinander. „Aber vorher soll er uns noch sagen, wo seine Komplizen sind!“
„So ein Mist, dass es hier keine Bäume gibt!“ Der Indianer sah sich um. „Wir ersäufen ihn im White Creek wie eine Katze! Wie wäre es damit?“
„Gute Idee!“ Die anderen stimmten ihm zu.
Marshal McCabe aber verengte die Augen. Er trat auf Grainger zu und hob die Hand. Damit brachte er seine Leute zum Schweigen. Er wandte sich an Cold Blood. „Such sein Pferd. Ich will mir hinterher keinen Fehler vorwerfen lassen müssen!“
Der Indianer senkte den Kopf. „In Ordnung. Ich muss ohnehin noch meinen eigenen Gaul herholen.“ Er zog ab.
„Sie glauben dem Kerl doch nicht etwa, Marshal?“, rief ein stiernackiger Kerl mit roten Haaren.
„Das wird sich herausstellen, O’Flaherty!“, erwiderte McCabe. Er musterte Grainger abschätzig. „Geben wir ihm doch ruhig noch ein paar Minuten.“
Der große Mann hatte bereits eine Ahnung davon, was den Umschwung in der Haltung des Townmarshals von Ogden bewirkt haben könnte. Die U.S. Government Squad hatte ihrem Agenten über einen ihrer Mittelsmänner umfassend informiert. Dazu hatten auch nähere Angaben zu einem Überfall gehört, der erst vor kurzem auf der Strecke zwischen Ogden und Bear River City von der Bande verübt worden war.
„Wie hieß Ihr Freund, den die Banditen angeblich umgebracht haben?“, fragte McCabe.
Es wurde augenblicklich still. Man hätte in dieser Sekunde einen Aschenkegel von einem Zigarillo fallen hören können. Das aufgebrachte Stimmengewirr, das gerade noch geherrscht hatte, verstummte.
Grainger war sehr bewusst, dass von der richtigen Beantwortung dieser Frage sein Leben abhing. „Er hieß Owen Jennings und betrieb einen Werkzeughandel in Minneapolis. Im Bürgerkrieg hatte Owen seine rechte Hand verloren. Deswegen trug er eine Holzprothese. Er wäre gar nicht in der Lage gewesen, eine Waffe zu ziehen, geschweige denn abzudrücken. Aber das hat diese Kerle nicht gekümmert. Ich war dabei, als man seiner Witwe Marjorie das Telegramm mit der traurigen Nachricht überbrachte. Die Arme ist seitdem nicht mehr dieselbe!“
„Alles Gewäsch!“, polterte der rothaarige O’Flaherty. „Der Kerl denkt sich irgendetwas aus, um davonzukommen.“ Er spuckte vor Grainger auf den Boden. „Gleichgültig, ob er einen Prozess bekommt oder wir ihn gleich töten, er sollte nie wieder ein Pferd besteigen!“
„Bringt ihn um!“ Wieder erhob sich Palaver. Grainger wurde heiß und kalt. „Eine Kugel ist für diesen Bastard noch zu schade!“
Der Town Marshal von Ogden hob erneut die Hand und wieder trat Stille ein. „Nein, es stimmt, was er sagt!“, widersprach McCabe. Er wandte sich an seine Männer. „Ich habe tatsächlich ein Telegramm an die Witwe von Mr. Jennings geschickt. Und ihr Name ist wirklich Marjorie. Ich muss also annehmen, dass dieser Mann die Wahrheit sagt.“
Er drehte sich nach seinen Leuten um. „Oder hat einer von euch eine bessere Erklärung, warum er all diese Einzelheiten weiß?“ Schweigen und betretene Gesichter, sonst nichts. O’Flaherty trat von einem Fuß auf den anderen und nagte an seiner Unterlippe herum.
McCabe aber wandte sich wieder an Grainger. „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Mr. Grainger.“
„Nichts für ungut, ist ein verdammt harter Job, den Sie tun.“
„Sie