Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus. Alexandre Dumas
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus - Alexandre Dumas страница 4
Es war noch wohlfeiler, als er glaubte, denn er hatte nicht bloß seine Frau zurückgekauft, sondern auch das Kind, mit dem sie ihn ein halbes Jahr nachher beschenkte.
Wir plauderten eine Stunde mit Frau Polnobokow, die einen prächtigen Perserteppich unter den Füßen hatte. Sie lud uns für den Abend zum Tee ein, und ihr Gemahl versprach, uns zwei Kosaken zur Bedeckung zu senden.
Vor der Tür fanden wir die Droschke des Kommandanten. Eine so zarte Aufmerksamkeit findet man nur in Russland.
Der Wagen führte mich nach Hause. Ich wollte die Stiefel wechseln, um mich zu dem Polizeimeister zu begeben. Er erwartete mich jedoch bereits in meinem Zimmer.
Ich bat ihn um Entschuldigung, meinen Besuch so lange aufgeschoben zu haben und zeigte ihm meine bis an die Waden mit Kot bedeckten Stiefel.
Der Polizeimeister beschämte uns durch seine Zuvorkommenheit; wir hatten seine Güte schon missbraucht, wir hatten ihn um nichts mehr zu bitten, sondern ihm nur zu danken.
Vier bis fünf Flaschen Wein, die am Fenster standen, waren ein neuer Beweis seiner Freundlichkeit.
Er versprach uns, sich abends beim Kommandanten einzufinden.
Um halb acht Uhr hielt die Droschke des Kommandanten vor der Tür. Zwei Laternenträger gingen voran. In ihren Gürteln sah man die Pistolenkolben und die Griffe der Handschare blitzen. Zwei mit Säbeln und Karabinern bewaffnete Kosaken ritten auf beiden Seiten der rasch durch Wasser und Kot fahrenden Droschke. Unterwegs glaubte ich, einige Schüsse zu hören.
Wir waren die ersten der erwarteten Gäste. Die Dame des Hauses hatte uns am Morgen empfangen, ohne zu wissen, wer wir waren; mein Geleitschein und zumal mein Anzug hatte sie getäuscht; sie hatte mich wie andere für einen französischen General gehalten und war aus bloßer Gastfreundschaft so artig gewesen, dass ich glaubte, sie könne nicht freundlicher sein.
Ich irrte mich. Jetzt, da sie erfahren hatte, dass ich der Mann sei, dem sie ihre beste Unterhaltung zu verdanken glaubte, wusste sie nicht, wie sie mir für die geistigen Genüsse danken sollte, die ich ihr angeblich bereitet hatte.
Fünf bis sechs Personen, die sich bald darauf einfanden, sprachen gut Französisch, besonders die Damen.
Ich sah mich nach dem Kommandanten um. Frau Polnobokow kam meiner Frage zuvor.
»Haben Sie auf dem Wege hierher keine Schüsse gehört?«, fragte sie.
»Jawohl, drei Schüsse«, antwortete ich.
»Ganz recht; sie fielen in der Richtung des Terek, und dort haben sie immer eine gefährliche Bedeutung. Mein Mann ist beim Polizeimeister. Ich glaube, man hat Kosaken abgeschickt.«
»Dann werden wir bald etwas Näheres darüber erfahren.«
»Gewiss, sehr bald.«
Die übrigen Gäste schienen an die Schüsse nicht im Mindesten zu denken; man plauderte und lachte wie in einem Pariser Salon.
Bald kam der Kommandant mit dem Polizeimeister, und beide nahmen am Gespräch teil, ohne dass sie im Mindesten zerstreut oder aufgeregt schienen.
Zum Tee wurde verschiedenes armenisches Backwerk gereicht, das wegen der Zutaten einen sonderbaren, für europäische Gaumen fremdartigen Geschmack hatte.
Ein Diener, der mit einer Tscherkesska bekleidet war, flüsterte dem Kommandanten etwas zu. Dieser gab dem Polizeimeister einen Wink, und beide entfernten sich.
»Ist die Antwort angekommen?«, fragte ich die Frau des Hauses.
»Wahrscheinlich«, antwortete sie. »Nehmen Sie noch eine Tasse Tee?«
»Sehr gern.«
Ich tat Zucker in meine Tasse, schüttete Rahm auf den Tee und begann langsam zu schlürfen, denn ich wollte nicht neugieriger scheinen als die anderen. Aber mein Blick war beständig auf die Tür gerichtet.
Der Kommandant kam allein zurück.
Da er kein Französisch sprach, so musste ich warten, bis Frau Polnobokow meine Neugierde befriedigte. Sie erriet meine Ungeduld, die sie wahrscheinlich für übertrieben hielt.
»Man hat zweihundert Schritte von Ihrer Wohnung die Leiche eines Mannes gefunden«, sagte sie; »er ist von zwei Kugeln getroffen worden; aber da er völlig ausgeplündert war, so weiß man nicht, wer er ist. Es ist vermutlich ein Kaufmann, der heute seine Waren in der Stadt feilgeboten und sich verspätet hat. Heute Abend vergessen Sie nicht Ihre Fensterläden zu schließen, wenn Sie Licht behalten; man könnte durchs Fenster auf Sie schießen.«
»Was könnte es aber einem Räuber nützen?«, erwiderte ich; »die Tür ist doch verschlossen.«
»Er würde es vielleicht zum Zeitvertreib tun. Es sind sonderbare Leute, die Tataren.«
Ich schrieb einige Verse in das Album und dachte an den Toten nicht mehr als die anderen.
Vierzehn Tage nachher begriff ich diese Gleichgültigkeit, die mich anfangs so in Erstaunen gesetzt hatte.
Um elf Uhr gingen alle Gäste fort. Die Abendgesellschaft hatte länger gedauert als üblich; man war vielleicht seit Jahr und Tag nicht so lange beisammengeblieben.
Das Vorzimmer sah aus wie eine Wachstube; jede der zum Tee geladenen Personen war mit einem bis an die Zähne bewaffneten Diener gekommen.
Die Droschke des Kommandanten hielt wieder vor dem Haus mit den beiden Laternenträgern und den beiden Kosaken. Sie kostete mich drei Rubel: einen für den Kutscher, einen für die zwei Laternenträger und einen für die zwei Kosaken; aber die Sache war mir neu, das Geld reute mich nicht.
Ich brauchte meine Fensterläden nicht zu schließen. Unser junger Wirt, der ungemein aufmerksam war, hatte schon dafür gesorgt.
Ich legte mich auf meine Bank und hüllte mich in meinen Pelz. Mein Mantelsack diente mir als Kopfkissen.
DIE GAWRIELOWITSCHE
Wenn man sich abends auf ein Brett gelegt und nur einen Teppich als Matratze und einen Pelz als Decke hat, so steht man morgens nicht ungern auf. Ich verließ bei Tagesanbruch mein Lager, wusch mir Gesicht und Hände indem in Kasan gekauften kupfernen Waschbecken – denn ein solches findet man in Russland nur selten – und weckte meine Reisegefährten.
Die Nacht war ruhig verlaufen.
Wir mussten in aller Eile frühstücken und schleunigst abreisen; denn bis nach Schukowaja, unserem nächsten Nachtquartier, hatten wir einen weiten und teilweise äußerst gefährlichen Weg zurückzulegen.
Die gefährlichste Stelle war ein Wald, der sich von der Landstraße bis ans Gebirge erstreckt. Erst vor acht oder zehn Tagen war ein Offizier, der auf der Station