Zwischen den Rassen. Heinrich Mann
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„Böse im Ernst?“
„Nein; denn ich will mir den Spaß nicht verderben . . . Mai! Nicht wahr, wir treffen uns zum Essen bei Durieu? Ich gehe mit Herrn Da Silva einen andern Weg.“
„Allein mit Herrn —?“
Lola erklärte, in Gesellschaft Mais erkenne man sie. Auch habe sie als Amerikanerin das anerkannte Recht, zu gehen mit wem und wohin sie wolle.
„Und dann siehst du doch, dass ich ein Freund des Herrn Da Silva bin. Ja, Mai, Herr Da Silva und ich, wir sind richtige Freunde.“
„Sind wir Freunde,“ sagte Da Silva im Weitergehen, „so müssen Sie mir eine Warnung erlauben. Gestern sind Sie wieder allein ausgegangen. Ich achte Sie zu hoch, um —“
„Ja: früher haben Sie mir wegen solcher Dinge Szenen gemacht. Sie bessern sich;“ und sie wusste: „Er achtet mich höher, seit er mich für seine Braut hält. Ist das echt männlich!“
Er schwieg unzufrieden. Sie richteten sich nach der Musik, die her scholl. Wie sie auf den Platz einbogen, über dessen Palmenhain der Kirchengiebel mächtig ausgriff und der Bronzereiter dahinsprengte, war das Stück zu Ende. Viele fächelnde, die Hüften wiegende junge Frauen mit ihren Mägden und Anbetern, viele prall gekleidete, rauchende junge Männer begannen langsam zu kreisen.
„Sie kennen wohl die Frau gar nicht, die eine Dueña und eine Magd bei sich hat und die Ihnen zulächelt? Das ist die, in deren Schuld sie vorgeblich seit gestern Nacht sind.“
„La Gelida? Aber die habe ich schon oft gesehen und wusste nicht . . . Wie gut ihr die Dämmerung steht! Ihr grau und unsicher gebogenes Profil scheint von dem Auge, das ein großes schwarzes Loch ist, ganz aufgezehrt zu werden. Ihr Lächeln — sehen Sie, ich möchte es erwidern, aber es schüchtert mich ein.“
„So?“ machte Da Silva zornig. „Ich aber rate Ihnen zu der Gelida nicht, denn ich war zugegen, als sie operiert ward. Das nimmt einem manche Lust.“
„Wirklich?“
Aus tiefem Herzen:
„Dann möchte ich Ihren Beruf haben!“
Der junge Mann hieb seinen Stock durch die Luft. Gereizt:
„O, andere entbrennen nur noch heftiger. Einer von uns sezierte seine eigene Geliebte, und als er in ihrem Magen eine unverdaute Speise fand, aß er sie.“
Lola schwieg. Entsetzen, Scham und Vergnügen stritten sich um ihr Herz, und es klopfte. Mit Frohlocken in der Stimme sagte sie dann:
„Würden Sie mir das auch erzählt haben, wenn ich Röcke an hätte?“
„Wenn wir erst verheiratet sind,“ verhieß er, herablassend aus Ärger, „erfahren Sie mehr.“
Sie lachte auf.
„Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich für die freie Liebe eingenommen bin?“
Er schob gequält die Schultern hin und her.
„Ich verstehe Sie nicht. Sind Sie raffiniert, oder was sind Sie?“
„Ach was: ich bin ein junger Mann, wie Sie sehen können, dem alle Frauen zulächeln. Sehen Sie, welch Erfolg? Warum stehe ich, die doch alle hübsch nennen, sonst immer hinter Mai zurück, heute aber errege ich Aufsehen? Ich bin eigentlich ein verkleideter Mann, und jetzt habe ich mich demaskiert. Man hat kaum Zeit, jeder dieser Schönen mit den Wimpern zu winken.“
Da Silva sah rundum.
„Wer ist schön? Wenn ich Schönheit noch sehen könnte!“ — und seine Stimme fuhr auf. Nun, mit schmerzlich erbittertem Tonfall:
„Aber Sie halten mich so besessen mit Ihrem Gesicht, mit Ihrer Gestalt, dass ich für die anderen Maß und Sinn verloren habe. Sind sie schön, sind sie hässlich? Ich verstehe nichts, ich sehe nur dies eine kleine unerbittliche Geschöpf, und es erstickt in mir alles, was nicht sein eigen ist.“
Lola bückte sich ein wenig, mit einem Schauer im Nacken, als werde gleich eine Hand hineingreifen. „Immer das Gesicht, immer die Gestalt: immer der Körper,“ dachte sie, auf einmal matt von Widerwillen und Traurigkeit. Er sagte stürmisch:
„Sie sind über alle Vergleiche schön!“
„Ach, wie reizend wär’s,“ meinte sie und ermunterte sich, „wenn alle so dächten! Tatsache ist, dass jeder sich zuerst um mich bemüht; dann erst besinnt er sich und geht zu Mai.“
„Gut für ihn.“
„Danke. Warum blicken Sie mit solcher Wut auf dies arme hübsche Mädchen?“
„Kommen Sie auf die andere Seite: Sie werden sehen.“
Das Mädchen, das ohne Begleitung war, trat in das weitoffene, erhellte Gewölbe eines Tabakladens. Alle Männer wandten den Kopf nach ihr; die Stutzer, die am Ladentisch lehnten, wichen keinen Schritt breit. Das Mädchen verlangte etwas; aber so oft sie den Mund öffnete, ward gepfiffen.
„Sie will Räucherkerzen, man sieht es,“ sagte Lola. „Was hat sie denn begangen, mein Gott?“
Das Mädchen errötete plötzlich tief; die Männer lachten schadenfroh; der, der den Witz gemacht hatte, blähte sich. Das Mädchen stürzte, die Augen verwirrt und nass, ins Freie. Wie sie nahe kam, stieß Da Silva einen Pfiff aus. Sie floh weiter. Lola rief:
„Das ist abscheulich! Ich will Sie nicht mehr kennen! Wenn die Ärmste niemand hat, schließe ich mich ihr an: ich!“
„Vergessen Sie, dass Sie ein Mann sind? Reden Sie sie an, ists grade solche Beleidigung, wie wenn Sie pfeifen.“
Lola blieb ratlos stehen. Zwei blonde Damen mit Spazierstöcken stelzten über das Pflaster und betraten gelassen denselben Laden, — wo alles ihnen Platz machte. Lola sagte sich, dass jeder sie auf die Stufe dieser beiden stellen, ihr die gleichen Rechte einräumen werde; und doch war sie der Misshandlung jener anderen mit einer Angst gefolgt als sei’s eine Drohung, die auch ihr gelte.
„Es ist furchtbar,“ sagte sie, „unter euch eine Frau zu sein. Bei uns ist der Mann unser Kamerad.“
„Bei euch? Sie sind keine Nordländerin. Sie haben etwas von jenem uns so erbitternden Reiz, gewiss. Wir Männer des Südens folgen allzu gern der zweideutigen Herausforderung, die von der befreiten Frau ausgeht. Wozu kommt ihr her? Ihr verderbt unsere Frauen, dass sie sich ohne unseren Schutz auf die Straße wagen und, wenn wir sie ließen, sich im Café mitten unter uns setzen würden. Ihr verderbt auch uns, dass wir den schlaffen Kitzel der Kameradschaft mit euch fühlen möchten, wie eure heruntergekommenen Männer. Ich will’s nicht. Ich will Ihr Herr werden.“
„Manchmal reden Sie wie das Alter, das Sie wirklich haben;“ und Lola lachte gezwungen.
„Nicht nur meine Worte, auch meine Muskeln sind die eines Fünfundzwanzigjährigen. Sie werden es fühlen.“
Lola