Zwischen den Rassen. Heinrich Mann

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Zwischen den Rassen - Heinrich Mann

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vermutlich mit einer Gesellschafterin, auf Reisen. Spanien und Portugal nehme ich mir besonders vor.“

      „Wie willst du als junges Mädchen denn durchkommen? Schon die Sprache!“

      „Meine Muttersprache ist Portugiesisch!“

      „Du hast längst alles vergessen.“

      „Ich kann schon noch etwas.“

      „Sprich mal!“

      Lola blies Rauch aus dem Fenster. Die Tür ward geöffnet, und Ernestes Stimme sagte französisch:

      „Ein Besuch, meine Damen.“

      Süßes Parfüm drang herein, und eine schöne Dame, schwarz und sehr elegant, noch jung, mit glänzend weißem Gesicht und glänzend schwarzen Haarband, trat rasch in den Kreis der jungen Mädchen, die aufstanden. Sie erhob das Lorgnon und sah umher.

      „Da ist sie,“ sagte Erneste und zeigte auf Lola. Die Dame ließ das Lorgnon los; vom Anblick Lolas schien sie betroffen.

      „Die Kinder werden groß,“ bemerkte Erneste. Die Dame lächelte. Lola, die erblasst war, murmelte zitternd:

      „Mai?“

      Die Dame sprach, ganz schnell, etwas Unverständliches; Lola konnte, mit stockender Stimme, nichts erwidern als „Mai, Mai“; und beide standen, die Arme unschlüssig ein Stück erhoben, einander gegenüber. Erneste sagte in ihrem korrekten Französisch:

      „Ist das seltsam, gnädige Frau! Als Ihre Tochter ehemals in dieses Haus eintrat, konnte sie nicht mit mir sprechen; und jetzt nicht mit Ihnen.“

      Zweiter Teil

      I

      Mit glänzend glatten Bandeaus und einem rohseidenen Schlafrock, creme und pfauenblau, kam Frau Gabriel ins Zimmer und fragte:

      „Sind die Sachen da?“

      Lola las, hing dabei aus dem Fenster und hörte nicht. Ermattet seufzend lehnte Frau Gabriel sich in einen Sessel.

      Lolas schlanker, kräftiger Nacken dahinten lag pflaumig blond im Licht. Um ihr Haar her war ein goldiges Geflimmer. Die ungeheure blaue und durchgoldete Weite trug Lolas Schattenriss in sich, bereit ihn dahinzuraffen, aufzuzehren. Drei Palmenblätter nickten mit ihren Spitzen über den Fensterrahmen hinweg. Die Hotelglocke ging. Nun schnaubte ein Dampfer. Von Gesprächen, Musik und Gelächter flatterten Bruchstücke durch Wind und Sonne herbei.

      Frau Gabriel saß und polierte mit dem Taschentuch ihre Nägel. Lola sah sich plötzlich um und fuhr zusammen.

      „Sind die Sachen da?“ fragte Mai geduldig.

      „Da stehen sie doch!“

      Nicht einmal den Kopf konnte Mai wenden: lieber saß sie eine halbe Stunde und wartete. Wenn jemand aber auch gar keine Nerven hatte! Lola stellte die geöffneten Schachteln dicht neben Mai hin.

      „Grade habe ich sie noch bezahlen können. Aber es war fast das Letzte.“

      „Schreibe doch an Nene.“

      „Das sagst du immer. O! Wäre ich erst ausgebildet und selbständig! . . . Weißt du, wieviel wir schon voraus haben? Die Zinsen eines halben Jahres.“

      „Nene verdient aber auch; er wird mit uns teilen.“

      „Er hat schon mit uns geteilt. Mir ist’s sonderbar genug, dass dort drüben ein junger Mann für mich arbeitet, den ich kaum kenne.“

      „Versündige dich nicht, er ist dein Bruder.“

      „Erinnerst du dich, wie ich anfangs, nachdem du herübergekommen warst, nicht wusste, wer Paolo war? Als Kind hatte ich nie gehört, dass er Paolo hieß und dass Nene nur Baby bedeutet.“

      „Der gute Nene.“

      „Wir lassen ihn also für uns verdienen; nur dürfen wir ihn nicht zugrunde richten. Hörst du?“

      „Ihr werdet das schon zusammen ausmachen: ihr seid klüger als ich. Ach, unsere jetzigen Verlegenheiten hat Paolo mir vorausgesagt. Er wollte mich durchaus nicht reisen lassen.“

      „Zum Glück scheint er energisch; sonst könnte es schlimm enden. Ich selbst vergesse mich manchmal. Zum Beispiel war’s sehr unnötig, dass wir hierher kamen. Wir sind genug hinter der Branzilla hergereist. Da sie nun in der Nervenheilanstalt sitzt und für meine Stimmbildung nichts mehr tun kann, hätten wir in Paris bleiben sollen.“

      „Paris war schön!“

      „Unser Leben in Paris kostete schließlich weniger: wir saßen doch manchen Abend zu Hause. Hier lässt man uns nicht.“

      „Du hast recht, es ist schrecklich; nun, Gott wird helfen. Kann ich jetzt die Sachen sehen?“

      „Aber — sie liegen dir doch vor der Nase!“

      „Muss ich sie selbst herausnehmen?“

      Frau Gabriel lächelte zaghaft; die Lippe mit dem Leberfleck im Winkel kräuselte sich und zerstörte die reine Linie der graden Nase; die Augen baten; in das gelassene Madonnengesicht kamen Furcht und Unbeholfenheit eines Schulmädchens. Um ihren guten Willen zu beweisen, tauchte sie eine ihrer kleinen weichen, ungeübten Hände in die Schachtel. Gerührt hob Lola die Kostüme heraus; sah ein wenig von oben herab zu, wie Mai sie bewunderte; fasste selbst Teilnahme; — und bald waren sie im Verein ganz hingegeben an diese Stoffe, an die neuen Erfindungen dieser Töne, dieser Schnitte, die ihnen versprachen, ihre Schönheit umzutauschen und ihnen eine noch nicht gekostete Form von Leben und von Glück zu vermitteln. Zum Schluss verriet Frau Gabriel, welche Züge ihr Glück heute trug; denn sie fragte:

      „Meinst du, dass der Herzog von Fingado mich liebt?“

      Ihre Stimme und ihr Blick waren voll kindlicher Erwartung. Lola sagte tröstend:

      „Gewiss, Mai.“

      „Tatsache ist, dass er neulich auf der Garden-Party sich fast nur um mich kümmerte. Die Bricheau versicherte mir, seine Verlobung sei ins Wanken gekommen. Das wäre mir wahrhaft unangenehm.“

      Aber es klang stolz. Dann, behutsam:

      „Sage mir eins, mein liebes Kind: gibt dir der Herzog kein Gefühl ein? . . . Du brauchst es nur zu sagen.“

      „Nicht das geringste . . . obwohl ich ihn sympathisch finde,“ setzte Lola höflich hinzu. Und Mai, zitternd:

      „Ich würde seine Liebe nicht wollen, wenn du sie wolltest. Gott ist mein Zeuge, dass dein Glück mir höher steht als meins.“

      „Gute Mai, mache dir keine Sorgen!“

      Lola wollte sich entfernen; Mai hielt sie, tränenden Auges, am Rock fest.

      „Ich würde mich dir opfern, weißt du . . . Also du liebst ihn nicht? Schwöre

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