Fettnäpfchenführer China. Anja Obst

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Fettnäpfchenführer China - Anja Obst Fettnäpfchenführer

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und Einbauküchen. Sie sind aber für den lǎobǎixìng, den einfachen Bürger, finanziell unerschwinglich.

      8

       XIÁ BÙ YǍN YÚ5

      瑕 不 掩瑜

      Peter ist glücklich. Gerade hat er den Vertrag für seine neue Wohnung unterschrieben und steht nun mit dem Schlüssel in der Hand vor der Tür. Der Kleine Li will gleich mit einem Handwerker vorbeikommen, denn ein wenig Farbe kann dem kleinen Häuschen nicht schaden. Vor allem fehlt aber noch das Badezimmer!

       ÜBRIGENS

      Im Gegensatz zu Deutschland, wo meist der Vormieter noch mal beim Auszug renoviert, mietet man in China sozusagen den Rohbau, inklusive Dreck und Sperrmüll vom Vormieter. Das kann erst unangenehm sein, zieht man aber selbst wieder aus, ist man dankbar dafür. Natürlich kann man verlangen, dass der Müll noch weggebracht wird – allerdings können sich auch nützliche Dinge zwischen den Hinterlassenschaften befinden, diese Chance lässt der sparsame Chinese nicht ungenutzt.

      Als Peter den Schlüssel in die rot lackierte Holztür steckt, passiert erst einmal gar nichts. Immer wieder dreht er den Schlüssel nach links, rüttelt an der Tür und versucht es schließlich mit Gefühl. Nichts regt sich. Außer der Nachbarin. Sie steht plötzlich mit ihrem kleinen Kind hinter ihm.

      »Nǐ hǎo«, grüßt sie.

      »Guten Tag«, stottert Peter zurück.

      »Ziehst du hier ein?«

      Peter nickt.

      Sie schaut interessiert zu, wie Peter weiter an dem Schloss herumfuhrwerkt, und leiert nebenbei den ihm bekannten Fragenkatalog zu seiner Person herunter.

      Mühevoll antwortet Peter – sich auf zwei Dinge zu konzentrieren, fällt ihm gerade schwer. Aber, stellt er erfreut fest, diese Antworten kann er in einem schon fast perfekten Chinesisch geben. Wiederholungen üben enorm!

      Seine Nachbarin setzt ihr Kind ab, das sich Halt suchend an ihr Bein klammert, nimmt ungefragt den Schlüssel, dreht ihn nach rechts, um mithilfe eines kleinen Fußtritts die Tür zu öffnen. »Das Holz verzieht sich im Winter, da geht sie schwerer auf«, erklärt sie gelassen.

      Und nebenbei bemerkt, denkt Peter, schließen Türen in China entgegengesetzt zu deutschen auf.

      Er seufzt, bedankt sich und will ihren kleinen Sohn, der wieder zufrieden auf ihrem Arm thront, tätscheln. Doch der dreht sich, nun nicht mehr ganz so zufrieden, weg und strampelt schreiend auf Mamas Arm. Statt des Gesichts lacht Peter jetzt ein nackter Po entgegen. Alle Kinderhosen hier haben statt Hosenboden nur einen langen Schlitz im Schritt. Peter lächelt entschuldigend und wendet sich der neuen Wohnung zu, es gibt ja noch viel zu tun.

       KĀIDĀNGKÙ – SCHLITZHOSEN

      Kein lästiges Wickeln mehr, und ohne die riesige Reisetasche für die lieben Kleinen das Haus verlassen – ein Traum jeder europäischen Mutter. In China tragen die Sprösslinge seit über 60 Jahren Schlitzhosen, mit denen sie sich einfach hinhocken oder von den Eltern über den Bordstein gehalten werden, um sich zu erleichtern. Wund durch Windeln, ein Fremdwort für Chinesen. Die Angst, dass doch mal was daneben gehen kann, ist minimal. Zum einen leben die Kinder in der ersten Zeit praktisch auf dem Arm der Mutter, die jede Regung spürt. So angeblich auch den Harndrang des Nachwuchses. Zum anderen gibt es in den Wohnungen keine Teppiche, auch dort ist ein Unglück also schnell aufgewischt. Die Chinesen behaupten, dass Kinder dadurch schneller sauber werden, weil sie bewusster mit den Ausscheidungen umgehen.

      Seit ein paar Jahren geht der Trend der städtischen Mittelklasse nun aber doch zur Windel. Nicht etwa aus Angst vor Krankheiten, die Höschen gibt es schließlich auch in der wattierten Winterversion. Nein, zivilisiertes Verhalten und Hygiene sind die Hauptgründe dafür. Die Windelindustrie freut’s.

      Die Wände sind grau und dreckig, der Boden besteht aus blankem Beton, und, wie gesagt, das Badezimmer fehlt. Die Duschbrause hängt lose an der Wand, unten im Boden ist ein Ablauf. Peter erinnert sich, dass es auch beim Kleinen Li kein Duschbecken oder gar Duschvorhang gab. In China duscht man also direkt über der Toilette.

      Gäbe es denn eine, denkt Peter.

      Der Kleine Li erscheint, mit ihm kommt Meister Bo, der Handwerker. Er hat auch gleich drei Helfer mitgebracht, die nach kurzen Anweisungen beginnen, die Pinsel zu schwingen. Mit Rahmen abkleben oder den Boden mit Plastik auslegen halten sie sich gar nicht erst auf. Der Boden ist sowieso schon mit Farbklecksen übersät. Sie spritzen und kleckern also munter drauflos.

      Meister Bo prüft die vorhandenen Rohrleitungen, spricht mit Peter die Stellen für Wanne und Toilette ab und beginnt, den Boden aufzureißen, um die Anschlüsse vorzubereiten. Heißwasser oder eine Gasleitung gibt es nicht, nur einen kleinen Durchlauferhitzer im Bad und die große Gasflasche in der Küche zum Kochen, allerdings noch ohne Gasherd. Zwei alte Porzellanwaschbecken auf Metallständern sind praktisch die einzigen Einrichtungsgegenstände in dem ganzen Häuschen.

      Der Kleine Li hat von einem Bekannten eine kleine Badewanne und einen Kühlschrank besorgt, die Toilette bringt Meister Bo am nächsten Tag mit.

      »Übermorgen sind wir fertig«, brummelt er in das Abflussrohr auf Peters Frage, wie lange alles wohl dauern würde. Zwei Tage für Renovieren und Badezimmer installieren, das ist ja flott!

      »Nie Papier in die Toilette werfen, sie verstopft!«, warnt er Peter noch.

      Meister Bo zeigt ihm das Rohr, welches tatsächlich einen schmalen Durchmesser hat. »Früher gab es in keinem Haus eine Toilette oder ein Badezimmer, deswegen wurden gar nicht erst dicke Rohre verlegt. Wozu?«, erklärt Meister Bo mit der chinesischen Logik, nach der das Nötigste schon reichlich ist. »Und groß machst du am besten auch nur auf der öffentlichen Toilette«, fügt er mahnend hinzu.

      Hm, das war ja nicht in Peters Sinne. Er befindet aber mit seinem laienhaften Blick, dass das Rohr durchaus groß genug für ›groß‹ ist. Er wird es einfach drauf ankommen lassen. Die Telefonnummer von Meister Bo hat er ja.

      Mit dem Kleinen Li misst er die Zimmer aus, er möchte Laminat verlegen, und stutzt. Wo sind eigentlich die Heizkörper?

      »Es gibt keine«, bestätigt der Kleine Li. »In den meisten Hofhäusern wird mit Gas geheizt. Du, äh, musst wohl mit Stromradiatoren heizen.«

       ÜBRIGENS

      Die meisten Hofhäuser wurden früher mit Kohle beheizt. Im Winter lagen wahre Kohleberge vor den einzelnen Wohnungen im Innenhof, die per Lastenfahrrad geliefert und Stück für Stück hineingetragen wurden.

      Um den Smog in Peking zu verringern, hat die Regierung 2017 den Austausch von Kohleheizungen mit Gas- oder Stromheizungen forciert. Das Ergebnis war ein Lieferengpass für Gas, und zudem kamen die Heizungsbauer nicht mit der Verlegung der Rohre hinterher. Es wurden ja nicht nur die Hofhäuser mit den eigenen Kohleöfen, sondern auch die Wohnungen in den Hochhäusern umgestellt. Um nicht frieren zu müssen, haben viele Hofhausbewohner einfach den alten Kohleofen wieder aktiviert, bis auch sie endlich eine modernere Heizung

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