Fettnäpfchenführer Korea. Jan-Rolf Janowski
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»Ja, dafür bin ich da. Von mir aus können wir gleich morgen loslegen.«
»Super, und dann können wir morgen vielleicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und auch noch ein Bankkonto eröffnen.«
»Ja gerne. In Korea heißt diese Redensart übrigens ›zwei Vögel mit einem Stein erlegen‹.«
Gwaenchana! – Passabel!
Grundsätzlich ist dieses Gespräch ja ganz harmonisch abgelaufen und Julia konnte eine Menge lernen. Zwischendurch war sie aber aus doppelter Unwissenheit recht schnell mit ihrem Urteil, dass es als Ausländer in Korea schwerer sein muss als in Deutschland.
Die Geschichte der Einwanderung nach Korea ist eine kurze, sie hat erst mit dem Wohlstand des Landes und der Öffnung für die Welt in den 1990ern begonnen. Auch heute wird Dunkelhäutigen und dem großen Heer an Arbeitsmigranten aus Südostasien vielfach mit Ressentiments begegnet. Oft ist es aber nicht Rassismus, sondern schlicht Unwissenheit, wie man mit einem Ausländer umzugehen hat und wie das Leben im Ausland aussieht. Julia wiederum, als hellhäutige, westliche Ausländerin in Korea, noch dazu aus dem hoch entwickelten Deutschland, kann eher mit einem Bonus und einer positiven Diskriminierung rechnen. Was sie bislang an »Problemen« erlebt hat, ist nun wahrlich nichts, worüber sie sich allzu sehr beschweren kann. Vor tätlichen Übergriffen oder Beschimpfungen ist sie in Korea so gut wie sicher.
Trotz Willkommenskultur und Multikulti – Hunderte Erfahrungsberichte koreanischer Austauschstudenten in Deutschland zeigen, dass auch Asiaten in Deutschland längst nicht so normal begegnet wird, wie man sich das vorstellt: Schiefe Blicke, rassistische Beschimpfungen bis hin zu tätlichen Übergriffen sind auch heute in Deutschland – leider – keine Seltenheit. Auch Sewons Deutschlandbild scheint einige Kratzer abbekommen zu haben. Viele Koreaner kommen zum Studium nach Deutschland, weil es vergleichsweise wenig kostet und internationales Ansehen genießt. Selbst wenn sie nicht diskriminiert werden, sind sie dabei dann oft von der abweisenden, kalten Art der Deutschen und der Reguliertheit des Lebens regelrecht abgeschreckt. Andersherum kritisieren sie oft die Regellosigkeit und Oberflächlichkeit ihrer eigenen Landsleute, wenn sie zurückkehren: Wer beide Systeme gut kennt, ist mit keinem richtig zufrieden.
Auch viele Auslandskoreaner (gyopo) schweben zwischen den Welten, ohne sich wirklich irgendwo heimisch zu fühlen. Gleichzeitig ist es eine ungemeine Bereicherung, beide Arten des Lebens kennengelernt zu haben, da es immer wieder anregt, über scheinbar selbstverständliche Dinge nachzudenken. Gleichzeitig muss man auch verstehen, dass viele Koreaner, obwohl sie nach Innen die Fehler ihres Landes sehr gut kennen und es auch schonungslos, geradezu brutal kritisieren, vor Ausländern vor solcher Kritik zurückschrecken und lieber ein manchmal überhöht positives Bild zeichnen. Man fällt ja auch nicht beim ersten Date mit den dunklen Seiten seiner Familiengeschichte durch die Tür. Je mehr Gemeinsamkeiten das Gegenüber mit einem selbst findet, desto offener wird man über die Unterschiede sprechen können.
9
DAS EINLEBEN
ALIEN IN DER SARDINENBÜCHSE
Auf einem Baum nach Fleisch suchen
Julia und Sewon treffen sich am nächsten Morgen vor dem Haupttor der Uni, um den Schlachtplan für Julias Wohnungssuche auszuarbeiten. Julia schildert gerade ausführlich, wie sie sich ihre Traumwohnung vorstellt, da wird sie von Sewon jäh auf den Boden der Tatsachen geholt.
»Wie viel wolltest du denn ausgeben?«
»So 200 Euro im Monat, dachte ich.«
Sewon schüttelt den Kopf. »Nein, ich meine, wie viel Kaution.«
»Na ja, drei Monatsmieten halt.«
»So selbstverständlich ist das hier nicht. Wir haben in Korea ein anderes Mietsystem oder vielmehr zwei Systeme, jeonse und wolse. Bei jeonse zahlt man einen hohen Betrag als Kaution, mehr als die Hälfte des Wohnungswertes, dafür aber eine geringe Monatsmiete. Bei wolse zahlt man eine niedrige Kaution und höhere Mieten.«
»Oh, das wusste ich nicht. Dann kommt wohl nur wolse für mich infrage.«
»Gut, dann lass uns mal schauen, was der Immobilienmakler zu bieten hat.«
Auf dem Weg zum Maklerbüro malt sich Julia bereits jedes Detail ihrer neuen Bleibe aus. Voller Spannung betritt sie zusammen mit Sewon das Büro des Immobilienmaklers, der sie begrüßt, indem er kurz von seinem Computerbildschirm aufschaut und schüchtern »Hello« sagt. Auf Koreanisch stellt Sewon ihm Julia vor, erklärt ihm, dass sie gerade angekommen sei und eine Wohnung suche.
»Kein Problem. Wenn sie schon registriert ist und ein Konto hat?« Der Makler blickt Julia fragend an.
Autsch! Da haben beide nicht dran gedacht und Julia hat sich schlicht auf Sewon verlassen. Aber nur weil Sewon Buddy ist und die deutsche Gründlichkeit am eigenen Leib erfahren hat, heißt das noch lange nicht, dass er sich mit den ganzen Formalitäten auskennen muss. Da hilft jetzt nur dranbleiben und durchbeißen.
Also geht es zur Bank, um ein Konto zu eröffnen. Da wollten sie ja sowieso im Laufe des Tages noch hin. Die betont freundliche Mitarbeiterin erklärt gleich das nächste Problem: Julia ist nicht registriert und hat keinen Wohnsitz.
»Ich wollte ja einen Wohnsitz …«, setzt Julia an, realisiert dann aber, dass das wohl nichts bringen wird.
Waren Makler und Bank noch in der Nähe, ist die Ausländerbehörde etwas weiter entfernt. So lernt Julia das Seouler U-Bahn-Netz besser kennen. Besonders fallen ihr in den U-Bahnen die vielen verschiedenen Plakate auf; mal geht es um Nasenkorrekturen, mal darum, Spione anzuzeigen, und mal wird auch einfach nur ein besonders schmackhaftes Curry angepriesen. Dank Sewons Erklärungen und dem Sitzplatz, den sie diesmal haben, vergeht die Fahrt wie im Flug.
Bei der Ausländerbehörde dann das nächste Problem: Julia habe kein Konto und keinen Wohnsitz und außerdem habe sie vergessen, ihre Studienbescheinigung mitzubringen. Julia will schon gar nicht mehr mit der Dame argumentieren, da interveniert Sewon: »Moment mal, Julia. Ihr Deutschen seid zu, wie nennt ihr das noch gleich? Obrigkeitshörig?«
»Warum? Es war doch mein Fehler, müssen wir eben zurück zur Uni und die Studienbescheinigung holen.«
»In Korea ist es egal, ob es dein Fehler war oder nicht. Man findet eine Lösung. Wir sagen immer: In Korea gibt es nichts, was auf Anhieb geht. Aber es gibt auch nichts, was nicht geht. Wir sind das Land der begrenzten Unmöglichkeiten.«
Obwohl sie das eigentlich ganz witzig fand, ist ihr gerade nicht nach lachen zumute: »Was schlägst du also vor?«
»Es gibt zwei Vorgehensweisen: lieb sein, auf die schleimige Tour. Alternativ ginge es auf die herrische Art mit viel Schreien und Zetern. Was willst du?«
»Liebe Tour, natürlich.«
»Na gut, guck zu.«