Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. Arthur Rosenberg

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Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik - Arthur Rosenberg

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Erlebnisse in jener Zeit waren so unbedeutend, daß sie mich zu keiner nachwirkenden Voreingenommenheit veranlassen konnten. Ich habe dieses Buch ohne Rücksicht auf irgendeine Parteimeinung oder irgendein Parteiprestige geschrieben. Ich glaube auch nicht, daß meine politische Wirksamkeit im letzten Jahrzehnt mich zu ungerechten Urteilen veranlaßt hat. Ich habe bei der Niederschrift des Buches immer nur einen Feind vor mir gesehen: die historische Legende, ganz gleich ob sei von „rechts“ oder von „links“ kam. Selbstverständlich ist mein Buch auch keine Publikation des Untersuchungsausschusses. Sondern die gesamte Verantwortung für meine Darstellung trage ich allein.

      Die Eigenart der politischen Entwicklung Deutschlands hat es mit sich gebracht, daß bei uns das leere politische Schlagwort, die Illusion und die politische Lebenslüge eine viel größere Rolle spielt als bei anderen Völkern. Wenn ich meinen Lesern im Kampf mit diesen Gespenstern ein wenig helfen könnte, hätte ich alles erreicht, was ich mit meinem Buch beabsichtige.

      Berlin-Zehlendorf, im August 1928.

      Arthur Rosenberg

      Der Text der zweiten Auflage (5.–7. Tausend) ist der alte, bis auf einige kleine Berichtigungen, besonders von Druckfehlern.

      Berlin-Zehlendorf, im Dezember 1929.

      Arthur Rosenberg

      Von Dr. Arthur Rosenberg

      Privatdozent an der Universität Berlin

      Referent des Untersuchungsausschusses des Reichstags

      für die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs

      1930 Ernst Rowohlt Verlag, Berlin

       I. KAPITEL

       Die gesellschaftlichen Kräfte unter Bismarck

      Das Reich Bismarcks, 1871 in Versailles gegründet, ist 1919 im gleichen Versailles zerstört worden. Die in Weimar geschaffene Republik, die darauf folgte, knüpft zwar in vielen bedeutsamen Einzelheiten an das alte System an. Aber sie ist doch etwas im Wesen Neues: die entscheidende Neuerung liegt nicht in der Absetzung des Hohenzollernhauses und der anderen Dynastien. Das Reich Bismarcks wäre mit einem gewählten Reichspräsidenten durchaus denkbar. Das Neue liegt auch nicht darin, daß in der Republik Sozialdemokraten Minister werden können, denn sie wurden es bereits in der letzten Periode des Kaisertums. Ebensowenig machen die Grenzen des Versailler Friedens die entscheidende Veränderung aus: Bismarck hätte sein Reich auch ohne Elsaß-Lothringen gründen und Deutschlands Beziehungen zu den Polen und zu Österreich anders gestalten können. Sondern die entscheidende Neuerung liegt in der Zertrümmerung der alten preußischen Armee durch die militärische Niederlage im Westen, durch die Revolution und durch die Versailler Friedensbedingungen.

      Bismarcks Reich und das preußische Heer gehören untrennbar zusammen. Bismarck hat es immer als seine wichtigste Leistung betrachtet, daß er den König von Preußen und die preußische Armee für die nationale Einheitsidee Deutschlands gewann. Er sah den Fehler von 1848 darin, daß das Bürgertum aus eigener Kraft, ohne Rücksicht auf die deutschen Dynastien und vor allem ohne Rücksicht auf das historisch gewordene Preußen, die Reichsgründung vollziehen wollte. Bismarck ging anders vor: Er hat die militärische Aristokratie Preußens mit dem deutschen Bürgertum vereinigt, an die Spitze des Ganzen das Hohenzollernhaus gesetzt und so das Reich seiner Prägung gegründet1. Die Geschichte des neudeutschen Kaisertums besteht aus der wechselseitigen Anziehung und Abstoßung dieser beiden von Bismarck zusammengefügten Kräfte. Das Ende war da, als der preußische Militäradel 1918 zusammenbrach und das Bürgertum die Herrschaft antrat.

      War der Gedanke Bismarcks, das historische Preußen in den Dienst der deutschen Einheitsidee zu stellen, an sich falsch? War 1871 die Situation so, daß das Deutsche Reich lebensfähig nur als ein rein bürgerlicher Staat auf liberal-parlamentarischer Grundlage hätte gegründet werden können und nicht anders? Standen »Junkertum« und Bürgertum zueinander wie Feuer und Wasser, zwischen denen ein Kompromiß unmöglich war? Ist Bismarck einem romantischen und dynastischen Phantom nachgejagt und hat er ihm seine bessere Überzeugung zum Opfer gebracht? Diese Fragen bejahen wäre sehr einfach, aber auch sehr falsch. Die Revolution von 1848/49 hatte bewiesen, daß das deutsche Bürgertum nicht imstande war, aus eigenen Kräften zu siegen. Die agrarischen und militärischen, die dynastischen und bürokratischen, und selbst die kirchlichen Gewalten der alten Ordnung waren doch in Deutschland viel stärker, als es im Jubel der Märztage erschien. Und hinter dem Bürgertum tauchte als neue politische Klasse das städtische Proletariat auf. Es war bereit, zusammen mit dem Bürgertum gegen die herrschenden feudalen Gewalten zu kämpfen. Aber es hatte daneben seine eigenen Ziele, die nicht die Ziele der bürgerlichen Liberalen waren. Die Explosivkräfte, die in der Arbeiterbewegung steckten, sind damals von außenstehenden Beobachtern vielfach klarer erkannt worden als von den Arbeitern selbst.

      Unter diesen Umständen lag für einen sozial-konservativen Realpolitiker wie Bismarck der Gedanke nah, das Bürgertum durch ein vernünftiges Kompromiß mit den alten Gewalten zu versöhnen, durch das gemeinsame Wirken beider Kräfte die nationale Einigung zu schaffen, und so zugleich dem »roten« Umsturz ein festes Bollwerk entgegenzusetzen. Wer so 1871 in Bismarcks Position kalkulierte, schätzte die vorhandenen Kräfte Deutschlands gar nicht so falsch ein. Die deutsche Arbeiterklasse hat selbst unter den für sie beispiellos günstigen Voraussetzungen vom November 1918 die Staatsmacht nicht übernehmen können. Ebensowenig hätte sie es früher in anderen Situationen tun können. Und im deutschen Bürgertum war von einem die Kronen und Adelsprivilegien wegfegenden Jakobinergeist bis zum Vorabend der Revolution 1918 nicht viel zu merken. Bismarcks Idee brauchte also weder am Widerstand der Arbeiter noch des Bürgertums zu scheitern. Trotzdem war das Bismarcksche Reich von Anfang an todkrank. Der Glanz der militärischen Siege und der wirtschaftliche Aufschwung konnten nur notdürftig über die politische Dauerkrise hinwegtäuschen, die vom Kulturkampf bis zur Regierung Max von Baden reichte, eine Krise, die niemals gelöst wurde, die immer neue Formen und Gestalten annahm und die am Ende das ganze Werk Bismarcks vernichtete.

      Wo liegt die Ursache dieser Dauerkrise des deutschen Hohenzollernkaisertums? Es ist Bismarck nicht gelungen, die verschiedenen Kräfte, die im deutschen Volke vorhanden waren, organisch miteinander zu verbinden. Er hat nicht einmal einen ernsten Versuch dazu gemacht. Sondern die auseinanderstrebenden Klassen und Gewalten Deutschlands sollten durch die Übergewalt des Kaisertums zusammengehalten werden. Bis 1890 waren Bismarcks Gewalt und die Kaisergewalt identisch. Die persönliche Diktatur lebt und stirbt mit dem Diktator selbst. Als 1890 der alte Diktator abtreten mußte, als er seinen Donnerkeil in den schwächlichen und hilflosen Händen Wilhelms II. sah, da war die Katastrophe besiegelt. Ihr Eintreten war nur noch die Frage der Zeit und der Umstände. Von Friedrichsruh aus hat Bismarck das Verhängnis für sein Werk kommen sehen; ohne die Möglichkeit, etwas daran zu ändern. Man sagt vielfach, daß die Epigonen Bismarcks die Schöpfung des Meisters verdorben hätten. Das ist so weit richtig, als die Bismarcksche Verfassung ohne einen Bismarck nicht bestehen konnte. Aber so gesehen liegt darin auch die schärfste Kritik an Bismarck selbst.

      Das deutsche Kaisertum war nicht darum lebensunfähig, weil es auf dem Kompromiß zwischen dem deutschen Bürgertum und dem preußischen Militäradel beruhte, sondern weil es das Kompromiß in der Form des bonapartistischen Selbstherrschertums verwirklichte. Dabei sollte der König von Preußen berufsmäßig und erblich der Bonaparte sein, wenn er es nicht vorzog, seine Gewalt dem Reichskanzler zu übertragen. Daß Bismarck die politische Existenz des deutschen Volkes auf seine Person, ja auf sein persönliches Verhältnis zu Wilhelm I. zuschnitt, bleibt ein historischer Fehler von ungeheuerem Ausmaß. Aber es gibt Umstände genug in der so eigenartigen deutschen Situation von 1871, die Bismarcks Fehler zwar nicht aus der Welt schaffen, die ihn jedoch begreiflich machen können.

      Zur

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