Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. Arthur Rosenberg

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Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik - Arthur Rosenberg

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Lage. So hat der Kriegsausbruch zunächst die innerpolitische Kluft überbrückt, aber nicht beseitigt. Je länger der Krieg dauerte und je schwieriger er wurde, um so stärker durchbrachen die vorhandenen Gegensätze die Hülle des »Burgfriedens«, bis dann Krieg und Revolution eins wurden.

      Bismarck war der Ansicht, daß das Hohenzollern-Kaisertum trotz aller Schwierigkeiten seine innerpolitischen Gegner niederhalten könne, wenn nur der Frieden erhalten blieb. Wilhelm II. war ebenfalls bemüht, den Frieden zu bewahren. Hatte er um 1890 den russisch-französischen Krieg als unvermeidlich angesehen, so neigte er später immer mehr zur Überzeugung, daß es gelingen werde, den Frieden zu erhalten. Aber um den Frieden zu verteidigen, dazu genügt nicht die friedliche Gesinnung, sondern dazu ist vor allem eine entsprechende geschickte Politik erforderlich. Wilhelm II., seine Reichskanzler von Caprivi bis Bethmann-Hollweg und seine nähere Umgebung haben niemals den Krieg gewollt. Aber sie haben durch ungeheure Fehler Deutschland in die Situation hineinmanövriert, die zum Juli 1914 führte.

      Innen- und Außenpolitik eines Staates sind voneinander nie zu trennen. Denn beide sind gleichmäßig der Ausdruck der im Staate herrschenden gesellschaftlichen Kräfte. Das innerpolitische Kräfteverhältnis Deutschlands legte die entscheidende Macht in die Hand des Kaisers, auch wenn er zur Diplomatie so wenig befähigt war wie Wilhelm II. Das Planlose und Sprunghafte seines Wesens erregte überall Mißtrauen. Die ausländischen Mächte zweifelten daran, daß es überhaupt möglich sei, mit Deutschland unter Wilhelm II. stabile Politik zu treiben. So wurde das Vertrauen zur deutschen Politik im Ausland, das Wilhelm I. und Bismarck geschaffen hatten, zerstört. Die Neigung Wilhelms II. zu pathetischen und drohenden Worten verstärkte das Mißtrauen, obwohl auf die starken Reden keinerlei Taten folgten.

      Wilhelm II. hat sich redlich bemüht, die Beziehungen Deutschlands zu Rußland und zu England zu bessern, und auch gegen Frankreich hatte er keine feindlichen Absichten. Gelegentliche kaiserliche Kraftausdrücke in den berühmten Randbemerkungen zu den Akten darf man nicht zu ernst nehmen. Trotzdem hat Wilhelm II. für Deutschland keine stabile politische Situation schaffen können. Auf Grund der bestehenden Reichsverfassung war aber die Führung der Außenpolitik, außer durch eine Revolution, dem Kaiser nicht zu entreißen!

      Die preußische Aristokratie hatte an sich gar keinen Grund zu einer imperialistischen, kriegerischen Politik. Denn der ostpreußische Gutsbesitzer trieb keinen Handel mit China und besaß keine Bergwerke in Marokko. Der tiefste Grund der außenpolitischen Schwierigkeiten Deutschlands war vielmehr die wirtschaftliche Expansionskraft des deutschen Bürgertums und die dadurch erzeugten Verstimmungen der Konkurrenten, vor allem in England. Aber hätte Deutschland eine rein bürgerliche Regierung gehabt, so wie England oder Amerika, so hätte das Bürgertum selbst planmäßig seine Expansion organisiert. Das Bürgertum hätte selbst die Verantwortung für seine politischen Interessen tragen müssen. Es hätte sich überlegt, was erreichbar war und was nicht. Es hätte seine Kräfte nicht zersplittert und sich nicht an allen Enden der Welt zugleich Feinde erweckt.

      So aber beeinflußte das Bürgertum unter Wilhelm II. die Außenpolitik nicht planmäßig in politischer Form, sondern die einzelnen im Ausland interessierten Firmen bearbeiteten um die Wette den Kaiser und die Reichsstellen. Der Kaiser und der Reichskanzler hielten es für ihre Pflicht, den Forderungen der Wirtschaft entgegenzukommen. So entstand das Chaos der wilhelminischen Außenpolitik aus zwei Quellen: erstens aus der planlosen und verwirrten Arbeitsweise des Kaisers und zweitens aus dem ebenso planlosen Durcheinander der einzelnen Firmeninteressen.

      Wilhelm II. begann seine selbständige Außenpolitik mit der Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages mit Rußland. Die Folge war der Zweibund Rußland-Frankreich, an dessen Vermeidung Bismarck zwanzig Jahre lang erfolgreich gearbeitet hatte. Auch wenn Rußland und Frankreich keinen militärischen Angriff auf Deutschland unternahmen, war seitdem die Lage Deutschlands außerordentlich verschlechtert. Denn die deutsche Politik geriet so in die Abhängigkeit von dem guten Willen Österreichs und Englands. In der Zeit von 1890 bis zum russisch-japanischen Krieg und bis zur ersten russischen Revolution war der Zweibund noch ebensosehr gegen England wie gegen Deutschland gerichtet. Der historische Wettstreit zwischen Rußland und England um die Herrschaft in Asien schien der Entscheidung entgegenzureifen. Zur selben Zeit kämpfte England mit Frankreich um den afrikanischen Kolonialbesitz, ein Gegensatz, der im Faschoda-Streit seinen Höhepunkt fand.

      Damals um die Jahrhundertwende war die englische Politik zu einem Bündnis mit Deutschland bereit. Man empfand zwar in England die wachsende Konkurrenz des deutschen Kaufmannes unangenehm. Aber die Gefahr, daß der Zar eines Tages China und Indien erobern und damit der britischen Weltgeltung den Todesstoß versetzen würde, war größer. So entstand Chamberlains Projekt des Bundes Deutschland-England-Japan gegen Rußland-Frankreich. Die Stellung Deutschlands in einem solchen Bunde mit England wäre keine sehr erfreuliche gewesen. Deutschland hätte gezwungen werden können, in einem Weltkrieg an der Seite Englands wesentlich für englische Interessen zu kämpfen, ohne vor plötzlichen Wendungen der englischen Politik sicher zu sein, wie sie sich jederzeit durch einen Ministerwechsel in London maskieren ließen. Immerhin hat auch Bismarck in der letzten Zeit seiner amtlichen Tätigkeit ein Zusammengehen des Dreibundes mit England gegen die russisch-französische Gefahr erwogen. Die Situation Deutschlands im Bunde mit England wäre nicht ideal gewesen, aber doch unendlich besser als die Lage von 1914.

      Wilhelm II. und seine Ratgeber lehnten das Bündnis mit England ab. Für eine solche Haltung ließen sich gute Gründe anführen. Aber wenn die deutsche Politik entschlossen war, den wirtschaftlichen und maritimen Wettkampf mit England aufzunehmen, so war nur eine Folgerung möglich: nämlich die Verständigung mit Rußland und Frankreich zur Schaffung eines kontinentalen Blocks gegen die englische Seemacht. Der Bau der deutschen Flotte konnte doch nur den Sinn haben, daß die deutsche Marine, im Bunde mit der französischen, England gewachsen sein sollte. Eine deutsche Flotte zu schaffen, die zugleich gegen England, Frankreich und Rußland kämpfen konnte, war völlig unmöglich. Ein Zusammengehen Deutschlands und Frankreichs wäre trotz Elsaß-Lothringens möglich gewesen, wenn Wilhelm II. im Sinne der Tradition Bismarcks alle kolonialen Pläne Frankreichs unterstützt hätte. So aber fand Frankreich bei seinem wichtigsten Kolonialprojekt, in Marokko, den schärfsten deutschen Widerstand. Um ein paar deutsche Privatinteressen zu fördern, sind die entscheidenden Kombinationen der deutschen Außenpolitik zerstört worden.

      Ebenso sinnlos war das Auftreten Wilhelms II. gegen Rußland. Der Kaiser sparte zwar keine persönliche Liebenswürdigkeit gegen den Zaren. Aber wo Rußland außenpolitisch einen Erfolg anstrebte, fand es den deutschen Konkurrenten vor. In der Zeit, als Rußland alle seine Kräfte auf Nordchina konzentrierte, besetzte Deutschland Kiautschou und marschierte die Waldersee-Expedition nach Peking. Als sich Rußland dem Nahen Osten zuwandte, traf es die deutsche Konkurrenz in Persien, und die asiatische Türkei stand im Zeichen der deutschen Bagdad-Bahn. Und als Rußland wieder eine aktive Balkanpolitik einleitete, unterstützte Deutschland mit allen Kräften Österreich, ja darüber hinaus trat Deutschland mit seinen Militärmissionen als selbständiger Faktor in der Türkei auf. Bismarck hatte die Verstimmungen und Konflikte mit Rußland immer dadurch ausgleichen können, daß er niemals ein reales russisches Interesse schädigte. Wilhelm II. störte überall die russische Politik oder trat ihr offen entgegen.

      Dabei lag Wilhelm II., Bülow und dem Geheimrat Holstein, der im Auswärtigen Amt die Fäden in der Hand hatte, nichts ferner, als mit Rußland oder Frankreich einen Krieg zu provozieren. Die drei Männer, die in so verhängnisvoller Weise die deutsche Außenpolitik bestimmten, wollten nur Deutschlands sogenannten »Platz an der Sonne« verteidigen. Moralisch hatte Deutschland ohne Zweifel dieselbe Berechtigung, sich in China, Marokko usw. zu betätigen wie die anderen Mächte, aber eine solche Konkurrenzpolitik Deutschlands gegen Frankreich und Rußland hatte doch nur dann einen Sinn, wenn Deutschland auf die englische Rückendeckung rechnen konnte. Andernfalls war es ein leichtfertiges Spiel, das mit der Verständigung Englands, Frankreichs und Rußlands gegen Deutschland enden mußte.

      Dabei waren die realen Erfolge der Politik Wilhelm II. gering, weil der Kaiser immer dann nachgab, wenn

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