Kapitalismus und politische Demokratie. Joachim Perels
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2 Zum Begriff der geschichtlichen Spezifizierung vgl. K. Korsch, Karl Marx, Frankfurt 1967.
3 G. Lukács, Geschichte und Klassenbewußtsein, Berlin 1923, S. 11.
4 G. W. F. Hegel, Wissenschaft der Logik I, ed. Moldenhauer/Michel, Frankfurt 1969, S. 42 f. Hervorhebungen von Hegel. Vgl. auch T. W. Adorno, Vorlesung zur Einleitung in die Erkenntnistheorie, Frankfurt o. J. (1971), S. 54 f.
5 K. Marx, Lohnarbeit und Kapital, K. Marx/F. Engels, Werke (MEW) Bd. 6, Berlin 1970, S. 397. Hervorhebung von Marx.
6 J. Ritsert, C. Rolshausen, Der Konservatismus der kritischen Theorie, Frankfurt 1971, S. 54.
7 Ebenda.
8 f. Engels, Brief an J. Bloch, MEW Bd. 37, Berlin 1967, S. 463, Hervorhebung von Engels.
9 Vgl. H. J. Krahl, Produktion und Klassenkampf, in: Konstitution und Klassenkampf, Frankfurt 1971, S. 384 ff.
10 K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 175. Vgl. auch das Vorwort des Marx-Engels-Lenin-Instituts zu diesem Band, S. IX.
11 N. Poulantzas, Das Problem des kapitalistischen Staates; R. Miliband, Der kapitalistische Staat: Antwort an N. Poulantzas, Kritische Justiz 2/1971, S. 201 ff. Die Kontroverse bezog sich auf das Buch von R. Miliband, The State in Capitalist Society, London 1969.
12 Vgl. die Rezension des ebenda genannten Buches von Miliband durch J. Ritsert, Kritische Justiz 2/1971, S. 221 ff.
13 J. Habermas, Technik und Wissenschaft als ›Ideologie‹, Frankfurt 1968, S. 48 ff., ders., Bedingungen für eine Revolutionierung spätkapitalistischer Gesellschaftssysteme, in: Marx und die Revolution, Frankfurt 1970, S. 24 ff.
14 C. Offe, Politische Herrschaft und Klassenstrukturen – Zur Analyse spätkapitalistischer Gesellschaften, in: G. Kress/D. Senghaas, Politikwissenschaft, Frankfurt 1969, S. 155 ff.
15 Zur Kritik vgl. J. Ritsert, C. Rolshausen, a. a. O. (Anm. 6), S. 27 ff. und das unveröffentlichte Arbeitspapier von H. Neuendorff/U. Rödel, Projektentwurf. Untersuchung der Funktionen staatlicher Wissenschafts- und Technologiepolitik in spätkapitalistischen Systemen am Beispiel der Bundesrepublik.
I. Warenproduktion und Privatrechtssystem
Die Funktionsweise des Privatrechtssystems kann immanent juristisch nicht zureichend erfaßt werden. Die an das Privatrechtssystem geknüpften Rechtsverhältnisse sind »weder aus sich selbst zu begreifen (…) noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklung des menschlichen Geistes (… sie wurzeln) vielmehr in den materiellen Lebensverhältnissen (…), deren Gesamtheit Hegel (…) unter dem Titel der bürgerlichen Gesellschaft zusammenfaßt«.1 Dem immanent juristischen Selbstverständnis, das die Entwicklung des Rechts als geistesgeschichtliche Parthenogenesis begreift, erscheint das Privatrecht im allgemeinen Willen des Privateigentümers, im jus utendi et abutendi begründet. Dieser »juristischen Illusion«2 steht ein einfacher Tatbestand entgegen: »In der Praxis hat das abuti sehr bestimmte ökonomische Grenzen für den Eigentümer, wenn er nicht sein Eigentum und damit sein jus abutendi in andere Hände übergehen sehen will, da überhaupt die Sache, bloß in Beziehung auf seinen Willen betrachtet, gar keine Sache ist, sondern erst im Verkehr und unabhängig vom Recht zu einer Sache, zu wirklichem Eigentum wird.«3
Privatrecht reduziert sich in unserem Verstande nicht auf den Inbegriff der juristischen Dogmatik, die mit der Regelung der Beziehungen der Privatrechtssubjekte befaßt ist; Privatrecht erscheint vielmehr als die rechtliche Form der sozialen Struktur4 – in dem Sinn wie Marx die Begriffe Produktions- und Eigentumsverhältnisse synonym verwendet.5
Das moderne bürgerliche Privatrechtssystem ist bezogen auf die ökonomische Struktur einer warenproduzierenden Gesellschaft; »der Aufstieg der Bedeutung des privatrechtlichen Kontrakts im allgemeinen (stellt) die juristische Seite der Marktgemeinschaft dar.«6 Diesen Zusammenhang hat Marx im »Kapital« analysiert. »Die Waren können nicht selbst zu Markte gehen und sich nicht selbst austauschen. Wir müssen uns also nach ihren Hütern umsehen, den Warenbesitzern. Die Waren sind Dinge und daher widerstandslos gegen den Menschen. Wenn sie nicht willig, kann er Gewalt brauchen, in anderen Worten, sie nehmen. Um diese Dinge als Waren aufeinander zu beziehen, müssen die Warenhüter sich zueinander als Personen verhalten, deren Willen in jenen Dingen haust, so daß der eine nur mit dem Willen des anderen, also jeder nur vermittels eines, beiden gemeinsamen Willensakts sich die fremde Ware aneignet, indem er die eigene veräußert. Sie müssen sich daher wechselseitig als Privateigentümer anerkennen. Dies Rechtsverhältnis, dessen Form der Vertrag ist, ob nun legal entwickelt oder nicht, ist ein Willensverhältnis, worin sich das ökonomische Verhältnis widerspiegelt. Der Inhalt dieses Rechts- oder Willensverhältnisses ist durch das ökonomische Verhältnis selbst gegeben.«7
Die Grundpfeiler des Privatrechtssystems: Eigentumsfreiheit mit ihren konnexen Freiheitsrechten8 Vertragsfreiheit, Vererbungsfreiheit, Gewerbefreiheit etc. sind Garanten des kapitalistischen Warenverkehrs und Mittel zu seiner Regelung.
Das bürgerliche Privatrecht hatte die feudalen Privilegien und zunftmäßigen Beschränkungen zersetzt. »Das Gewerbe war, soweit es handwerksmäßig betrieben wurde, durch die Zunftschranken, durch die bis ins einzelne genauen Vorschriften über die Art der Produktion, über die Zahl der Gesellen, über die Betriebsgröße usw. eingeengt. Soweit das Gewerbe Großbetrieb war, waren die vielen staatlichen Schranken aufgerichtet, die das Wesen der sog. merkantilistischen Wirtschaftspolitik ausmachten. Der Staat hatte nicht nur eine große Anzahl von Unternehmungen in seiner Hand, sondern auch die sog. freien Gewerbe waren durch alle möglichen staatlichen Reglementierungen, Privilegierungen, Konzessionierungen in ihrer Wirtschaftsführung unfrei; bis zur staatlichen Kontrollierung und Fixierung der Preise ging diese (…) Wirtschaftspolitik. Durch viele Regalien, wie das Forst-, Jagd-, Bergwerksregal, waren wichtigste Produktionsmittel der Verfügungsgewalt des Staates überliefert (…). Das alles wurde durch die umwälzende rechtliche Neuerung, die in der folgenden Zeitepoche geschaffen wurde, geändert.«9
Alle Menschen werden zu juristisch gleichen »Personen«, die sich der Gestaltungsmöglichkeiten des Privatrechts bedienen können. Die formale juristische Gleichheit fungiert aber als Vehikel ökonomischer Ungleichheit; die Garantie des Privateigentums, das gerade dadurch existiert, daß es für die meisten nicht existiert,10 und der an es geknüpften konnexen Freiheitsrechte dienen der gesellschaftlichen Minderheit der Besitzer der Produktionsmittel, die allein von den juristischen Möglichkeiten auch Gebrauch machen können.
Dies zeigt sich auf dem Arbeitsmarkt. Gleichberechtigt stehen sich auf ihm der Arbeiter, der nur über seine Arbeitskraft verfügt, und der Besitzer der Produktionsmittel gegenüber. Beide »Personen« schließen einen »freien« Arbeitsvertrag, der durch keine vom Staat oder den Zünften festgelegten Regelungen vorherbestimmt ist. Der Inhalt des Vertrages wird durch den Produktionsmittelbesitzer festgesetzt. Auf ihre Bedingungen muß der Arbeiter, »(gezwungen) durch die Hungerpeitsche«11, eingehen. Koalitionsverbote, die im Frühliberalismus erlassen werden12, verhindern, daß die Arbeiter ihren Interessen kollektiv Ausdruck verleihen können.
Während in der Phase der Kleinwarenproduktion die Arbeitsmittel den Produzenten gehörten, Hersteller und Aneigner der Produkte identisch waren, nimmt das Privateigentum auf der Basis ökonomischer Ungleichheit, welche sich in der Periode der »ursprünglichen