Melodie der Liebe. Barbara Cartland

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Melodie der Liebe - Barbara Cartland Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland

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Anbruch der Dämmerung, eilte Roberta zu den Ställen. Sie hatte lediglich eine kleine Reisetasche bei sich mit zwei ihrer leichtesten Kleider und den notwendigsten Dingen darin. Die Kleider hatte ihr die Großmutter ausgesucht, und sicherlich fand ihr Vater sie genauso unvorteilhaft wie Roberta selbst und würde ihr etwas Neues anzuziehen kaufen. Das besonders schlichte Reisekleid und der Mantel, den sie darüber trug, machten da keine Ausnahme. In dieser Sonntagskleidung fühlte sie sich immer wie aus dem Waisenhaus. Ihr Hut, ebenfalls in Dunkelblau wie ihre restliche Ausstattung, war mit blauen, bereits fahl gewordenen Bändern besetzt.

      Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, eines der Pferde zu satteln und die Reisetasche vor sich haltend zu Gracie zu reiten. Als sie Gracies Haus erreichte, sah sie Tom Hansons Kutsche bereits davorstehen. Ihr Herz hüpfte aufgeregt. Der Kutscher ging gerade zur Haustür, um zu klopfen. Im Haus brannte Licht, Gracie mußte also fertig sein. Als Roberta, etwas umständlich wegen der Reisetasche, die sie noch immer hielt, vom Pferd stieg, drehte sich Tom Hanson um. Verblüfft sah er sie an.

      »Guten Morgen, M’Lady. Wohin sind Sie denn unterwegs?«

      »Ich fahre mit Gracie mit, Tom. Das ist eine lange Reise, und sie sollte nicht allein fahren in ihrem Alter. Daher werde ich sie begleiten.«

      »Das ist aber sehr freundlich von Ihnen!« rief Tom aus. »Und was machen wir mit dem Pferd?«

      »Das lasse ich im Dorfpark frei, es wird nicht weit fortlaufen. Und vielleicht könntest du es, wenn du vom Bahnhof zurückkehrst, zu uns nach Hause bringen.«

      Der Kutscher kratzte sich am Kopf.

      »Klar, M’Lady. Aber... wieso machen das die Stallknechte nicht?«

      »Weißt du, als ich aufbrach, schliefen die noch«, erwiderte Roberta leichthin. »Es hätte zu lange gedauert, sie erst zu wecken.«

      Tom lachte. Gewiß würde dies ein Witz werden, den sich die Stallknechte wochenlang immer wieder erzählten.

      Sie brachen auf. Es würde mindestens vier bis fünf Stunden dauern, bevor jemand im Hause der Großmutter Robertas Abwesenheit bemerkte. Und dann war es zu spät, sie noch aufzuhalten, selbst wenn die Großmutter gleich vermutete, in welche Richtung sie gefahren war. Sie hatte zwar eine Nachricht zurückgelassen, jedoch klugerweise nicht erwähnt, daß sie zu ihrem Vater reiste; dadurch hatte sie verhindert, daß die Großmutter der Zollstation in Dover telegrafierte, sie nicht außer Landes zu lassen. Sie hatte nur geschrieben, sie habe ganz plötzlich erfahren, eine Busenfreundin von ihr sei erkrankt, und sie sei deshalb mit dem Frühzug zu ihr gefahren in Begleitung von Gracie, da sie, ihre Großmutter, eine Reise allein bestimmt nicht gebilligt hätte. Das klang so einleuchtend daß die Großmutter wohl nicht auf die Idee kommen würde, Roberta unternähme etwas so Unvorstellbares wie eine Reise nach Paris.

      Später, wenn Roberta einmal wieder an den Aufbruch an diesem Morgen zurückdachte, wunderte sie sich oft, daß alles so glatt verlaufen war. Sie erreichten rechtzeitig den Morgenzug nach Dover, und bald nach ihrer Ankunft am Nachmittag fuhr der Dampfer los, der den Ärmelkanal überquerte.

      Da Roberta eine beträchtliche Summe Geld aus dem Safe genommen hatte, konnte sie es sich leisten, komfortabel zu reisen, so daß die Fahrt nicht anstrengend wurde, abgesehen davon, daß sie die ganze Nacht bis Paris unterwegs sein würden.

      Als sie Paris erreichten, sah sich Roberta dem ersten richtigen Problem gegenüber: Sie mußte ihren Vater ausfindig machen. Er schalt sie später, weil sie sich, ohne seine genaue Adresse zu kennen, auf solch ein Abenteuer eingelassen hatte.

      »Da waren zwei Dinge, die ich nie vergessen habe«, entgegnete Roberta daraufhin unbeeindruckt. »Erstens, daß ich damals, als du mit Mama in Paris warst, meine Briefe an euch an den Traveller Club schickte, und zweitens, daß du mir einmal erzählt hast, daß deine Bank in Paris sich in der Rue de la Paix befindet.«,

      »Daran hast du dich noch erinnert?« fragte der Earl erstaunt.

      »Ja, wohl deswegen, weil ihr auf eine so begeisterte Art von der Rue de la Paix spracht. Es hörte sich an, als sei das die aufregendste Straße der ganzen Welt.«

      »Ja, für deine Mutter war sie das auch!« lachte der Earl. »Dort hat nämlich Mr. Worth sein Geschäft, und keine Frau, die Paris besucht, widersteht der Versuchung, gleich eine seiner Kreationen zu erstehen.«

      Das kann ich verstehen, dachte Roberta, denn die Kleider, die ihre Mutter bei Worth gekauft hatte, waren das Wundervollste, was sie je zu Gesicht bekommen hatte.

      Weil die Bank bei ihrer Ankunft in Paris noch geschlossen war, ging sie mit Gracie, die inzwischen so erschöpft war, daß sie schon keine Fragen mehr stellte, in ein Hotel in der Nähe des Bahnhofs. Dort frühstückten sie erst einmal ausgiebig und warteten dann in dem gemütlichen Gesellschaftsraum bis kurz nach acht.

      Als sie sich schließlich auf dem Wege in die Rue de la Paix befanden, sank Gracies Kopf vor Müdigkeit immer wieder vornüber, obwohl sie einen Großteil der Zugfahrt verschlafen hatte. Roberta war hingegen so hellwach wie die Vögel, die jetzt in den Parkanlagen ihr Morgenlied zwitscherten.

      In der Bank erklärte Roberta dem Direktor, wer sie war, und er gab ihr die Adresse ihres Vaters ohne Umschweife.

      Um halb zehn Uhr hielt die Kutsche, die Roberta und Gracie gemietet hatten, vor einem hohen, vornehm wirkenden Haus in einer ruhigen Seitenstraße der Champs-Elysees. Der Earl of Wentworth saß beim Frühstück, als das französische Dienstmädchen, das sich nicht erst die Mühe machte, den Besuch anzukündigen, die Tür öffnete und Roberta hereinbat.

      Ihr Vater starrte sie fassungslos an, als glaube er zu träumen. Roberta lief auf ihn zu, und er sprang auf und rief: »Mein Gott, Roberta, bist du es wirklich!?«

      »Ja, Papa, ich bin es! Erkennst du mich noch?« Sie lächelte glücklich, doch war ihr, als müsse sie gleich weinen, weil diese aufregende Reise nun ein Ende hatte.

      Sie fiel dem Vater in die Arme, und er drückte sie an sich, küßte sie auf die Wange und fragte: »Warum bist du hier? Was ist passiert? Wieso hast du mich nicht benachrichtigt?«

      »Ich bin fortgelaufen, Papa«, antwortete Roberta atemlos, »wie du damals. Ich hörte, daß du wieder allein bist. Ich konnte Großmutters und Tante Emilys Gejammer und Gezeter nicht länger ertragen. Es ist alles wieder von vorn losgegangen, seit Lady Bingham zu ihrem Mann zurückgekehrt ist. Sie schimpfen dauernd auf dich und machen dich schlecht, und ich halte das nicht mehr aus!«

      Der Vater preßte sie an sich.

      »Mein Mädchen! Das ist wirklich unglaublich, aber schön! Ich freue mich so, dich zu sehen! Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich dich vermißt habe!«

      »Und ich dich, Papa!« Nun rollten ihr plötzlich Tränen die Wangen hinunter, und sie küßte ihren Vater immer wieder, als könne sie nicht glauben, daß sie ihn wirklich wieder hatte.

      Sie setzten sich und begannen zu plaudern. Es gab so viel zu berichten, so viele Fragen, so viele gemeinsame Erinnerungen. Und was für den Earl so typisch war - er akzeptierte Robertas Entscheidung, weil sie es so wollte, und machte ihr nicht mehr den Vorschlag, nach England zurückzukehren.

      »Ist dir klar, daß du, wenn du bei mir bleibst, niemals bei Hof eingeführt wirst, wie es in unseren Kreisen üblich ist?« fragte er. »Man würde dich bestimmt nicht im Buckingham Palace empfangen.«

      »Für mich ist nur wichtig, daß ich bei dir bleiben darf«, erwiderte sie. »Wenn ich bei Großmutter leben müßte,

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