Ein Granatapfelhaus. Oscar Wilde
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Читать онлайн книгу Ein Granatapfelhaus - Oscar Wilde страница 3
Die Sklaven waren nackt bis auf ein zerfetztes Lendentuch, und jeder war an seinen Nachbarn angekettet. Die heiße Sonne schien strahlend auf sie, und die Neger liefen den Gang zwischen den Reihen auf und ab und schlugen die Sklaven klatschend mit Ochsenziemern. Sie streckten ihre mageren Arme aus und schlugen die schweren Ruder durchs Wasser. Der salzige Schaum sprühte von den Ruderblättern.
Zuletzt erreichten sie eine kleine Bucht und schickten sich an, vor Anker zu gehen. Ein leichter Wind blies vom Ufer und hüllte das Deck und das große Rahsegel in seinen roten Staub. Drei Araber, die auf wilden Eseln saßen, ritten heran und warfen Speere nach ihnen. Der Herr der Galeere nahm einen bemalten Bogen zur Hand und schoss einem von ihnen in die Kehle. Er fiel schwer in die Brandung hinein, und seine Gefährten sprengten fort. Ein Weib, das in einen gelben Schleier gehüllt war, folgte langsam auf einem Kamel und blickte dann und wann nach dem Leichnam zurück.
Sowie sie Anker geworfen und die Segel niedergeholt hatten, gingen die Neger in den Schiffsraum hinab und brachten eine lange Strickleiter herauf, die mit schweren Bleistücken belastet war. Der Herr der Galeere warf sie über Bord und befestigte die Enden an zwei eisernen Ständern. Dann ergriffen die Neger den jüngsten der Sklaven, lösten ihm die Fesseln, verstopften seine Nasenlöcher und Ohren mit Wachs und banden einen großen Stein um seinen Leib. Er kletterte mühsam die Leiter hinunter und verschwand im Meer. Ein paar Blasen stiegen auf, wo er versunken war. Ein paar von den andern Sklaven sahen neugierig über Bord. Am Bug der Galeere saß ein Haifischbeschwörer, der eintönig auf eine Trommel schlug.
Nach einiger Zeit stieg der Taucher wieder aus dem Wasser hervor und kletterte keuchend mit einer Perle in seiner rechten Hand die Leiter empor. Die Neger entrissen sie ihm und warfen ihn wieder ins Wasser. Die Sklaven fielen über ihren Rudern in Schlaf.
Wieder und wieder kam er herauf, und jedes Mal brachte er eine schöne Perle mit. Der Herr der Galeere wog sie und legte sie in eine kleine Tasche aus grünem Leder.
Der junge König wollte sprechen, aber die Zunge schien ihm am Gaumen zu kleben, und seine Lippen wollten sich nicht regen. Die Neger schwatzten miteinander und fingen an, über eine glänzende Perlenschnur miteinander zu streiten. Zwei Kraniche flogen immer rund um das Schiff.
Dann kam der Taucher zum letzten Mal empor, und die Perle, die er mitbrachte, war schöner als alle Perlen von Ormuzd, denn sie hatte die Gestalt des Vollmonds und war glänzender als der Morgenstern. Aber sein Antlitz war seltsam bleich, und als er auf das Deck fiel, brach ihm das Blut aus Ohren und Nasenlöchern hervor. Er zuckte eine kleine Weile, und dann war er still. Die Neger zuckten mit den Schultern und warfen den Leichnam über Bord.
Und der Meister der Galeere lachte, streckte die Hand aus und nahm die Perle; und als er sie sah, drückte er sie an seine Stirne und verbeugte sich. »Sie soll«, sagte er, »für das Zepter des jungen Königs sein«, und er machte den Negern ein Zeichen, den Anker zu lichten.
Und als der junge König das hörte, schrie er laut auf und erwachte; und durch das Fenster sah er die langen, grauen Finger der Dämmerung, die sich nach den verbleichenden Sternen krümmten.
Und wieder überkam ihn der Schlaf, und er träumte, und dies war sein Traum.
Ihm war, als wanderte er durch einen düsteren Wald, in dem seltsame Früchte hingen und schöne Giftblumen wuchsen. Die Nattern zischten nach ihm, als er vorbeiging, und die bunten Papageien flogen kreischend von Zweig zu Zweig. Riesige Schildkröten lagen schlafend auf dem heißen Schlamm. Die Bäume wimmelten von Affen und Pfauen.
Weiter und weiter ging er, bis er den Saum des Waldes erreichte, und da sah er eine ungeheure Menge Männer, die in dem Bett eines ausgetrockneten Flusses schwere Arbeit taten. Sie schwärmten auf der Felsenklippe wie Ameisen. Sie gruben tiefe Löcher in den Grund und stiegen in sie hinab. Einige von ihnen zerspalteten die Felsen mit großen Äxten, andere wühlten im Sand. Sie rissen den Kaktus mit den Wurzeln aus und zerstampften die scharlachroten Blüten. Sie sprangen herum, riefen einander zu, und keiner war untätig.
Aus dem Dunkel einer Höhle wachten Tod und Gier über sie, und der Tod sagte: »Ich bin müde; gib mir den dritten Teil von ihnen und lass mich gehen.«
Aber die Gier schüttelte ihren Kopf. »Sie sind meine Knechte«, antwortete sie.
Und der Tod sagte zu ihr: »Was hast du in deiner Hand?«
»Ich habe drei Körner«, antwortete sie; »was liegt dir daran?«
»Gib mir eines davon«, rief der Tod, »es in meinen Garten zu pflanzen; nur eines, und ich will fortgehen.«
»Ich will dir gar nichts geben«, sagte die Gier, und sie versteckte ihre Hand in den Falten ihres Gewandes.
Und der Tod lachte und nahm einen Becher und tauchte ihn in einen Pfuhl; und aus dem Becher stieg Seuche auf. Sie schritt durch die große Menge, und der dritte Teil von dieser fiel tot um. Ein kalter Dunst folgte ihr, und die Wasserschlangen glitten an ihrer Seite.
Und als die Gier sah, dass der dritte Teil der Menge tot war, schlug sie sich an die Brust und weinte. Sie schlug ihren vertrockneten Busen und schrie laut auf. »Du hast den dritten Teil meiner Knechte erschlagen«,rief sie, »hebe dich weg. Es ist Krieg in den Bergen der Tatarei, und die Könige rufen auf beiden Seiten nach dir. Die Afghanen haben den schwarzen Ochsen erschlagen und ziehen in den Kampf. Sie haben mit ihren Speeren auf ihre Schilde geschlagen und haben ihre eisernen Helme aufgesetzt. Was liegt dir an meinem Tal, dass du in ihm säumen solltest? Hebe dich weg und komm nie mehr hierher.«
»Nein«, antwortete der Tod, »ehe du mir nicht ein Korn gegeben hast, will ich nicht gehen.«
Aber die Gier verschloss ihre Hand und knirschte mit den Zähnen. »Ich will dir gar nichts geben«, murrte sie.
Und der Tod lachte und hob einen schwarzen Stein auf und warf ihn in den Wald, und aus dem Dickicht des wilden Schierlings kam das Fieber in einem Flammengewand. Es schritt durch die Menge und rührte sie an, und jeder, den es berührte, starb. Das Gras welkte unter seinen Füßen, wo es dahinschritt.
Und die Gier schauderte und streute Asche auf ihr Haupt. »Du bist grausam«, rief sie, »du bist grausam. Hunger ist in den steinernen Städten Indiens, und die Zisternen von Samarkand sind ausgetrocknet. Hunger ist in den steinernen Städten Ägyptens, und die Heuschrecken sind aus der Wüste herbeigekommen. Der Nil ist nicht über seine Ufer getreten, und die Priester haben Isis und Osiris verflucht. Hebe dich weg zu denen, die dich brauchen, und lass mir meine Knechte.«
»Nein«, antwortete der Tod, »solange du mir nicht eines der Körner gegeben hast, werde ich nicht gehen.«
»Ich will dir gar nichts geben«, sagte die Gier.
Und der Tod lachte wieder, und er pfiff durch die Finger, und ein Weib kam durch die Luft geflogen. Pest war ihr auf die Stirn geschrieben, und ein Schwarm magerer Geier umschwebte sie. Sie überschattete das Tal mit ihren Schwingen, und niemand blieb am Leben.
Und die Gier floh schreiend durch den Wald, und der Tod sprang auf sein rotes Pferd und sprengte hinweg, und schneller als der Wind sauste er dahin.
Und aus dem Schlamm auf dem Grunde des Tales krochen Drachen und Ungeheuer mit Schuppen, und die Schakale kamen durch den Sand getrottet und schnüffelten mit ihren Nüstern in die Luft.
Und der junge König weinte und sagte: »Was sind das für Männer gewesen, und was haben sie gesucht?«
»Rubinen