Ein Granatapfelhaus. Oscar Wilde

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Ein Granatapfelhaus - Oscar Wilde

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der junge König fuhr zusammen, und als er sich umwandte, sah er einen Mann, der war wie ein Pilger gekleidet und hielt einen silbernen Spiegel in der Hand.

      Und er wurde blass und fragte: »Für welchen König?«

      Und der Pilger antwortete: »Blicke in diesen Spiegel, und du wirst ihn sehen.«

      Und er blickte in den Spiegel, und als er sein eigenes Antlitz sah, schrie er laut auf und erwachte, und strahlend floss das Sonnenlicht in das Gemach, und auf den Bäumen im Park und Lustgarten sangen die Vögel.

      Und der Kämmerer und die Großwürdenträger des Staates traten ein und verbeugten sich vor ihm, und die Pagen brachten ihm das Gewand aus gewobenem Gold und setzten vor ihn die Krone und das Zepter.

      Und der junge König schaute nach ihnen, und sie waren schön. Schöner waren sie als irgendetwas, das er je gesehen hatte. Aber er gedachte seiner Träume und sagte zu seinen Würdenträgern: »Nehmt diese Dinge fort, ich will sie nicht tragen.«

      Und die Höflinge waren erstaunt, und einige unter ihnen lachten, denn sie meinten, er scherze.

      Aber er sprach streng zu ihnen und sagte: »Nehmt diese Dinge fort und lasst sie mich nicht sehen. Wenn schon heute der Tag meiner Krönung ist, will ich sie nicht tragen. Denn auf dem Webstuhl der Sorge und von den weißen Händen der Qual ist dies mein Gewand gewoben worden. Blut wohnt im Herzen des Rubins und Tod im Herzen der Perle.« Und er erzählte ihnen seine drei Träume.

      Und als die Höflinge sie gehört hatten, blickten sie einander an und flüsterten: »Gewisslich ist er verrückt; denn was ist ein Traum andres als ein Traum und ein Gesicht weiter als ein Gesicht? Das sind keine wirklichen Dinge, dass einer auf sie achten müsste. Und was haben wir mit dem Leben derer zu tun, die für uns schaffen? Soll ein Mensch kein Brot essen, bis er den Sämann gesehen hat, und keinen Wein trinken, bis er mit dem Winzer geredet hat?«

      Und der Kämmerer sprach zu dem jungen König und sagte: »Hoher Herr, ich bitte dich, lass diese deine schwarzen Gedanken und ziehe dies schöne Gewand an und setze dir die Krone aufs Haupt. Denn wie soll das Volk wissen, dass du ein König bist, wenn du nicht eines Königs Gewand trägst?«

      Und der junge König sah ihn an. »Ist es wirklich so?« fragte er. »Werden sie mich nicht als einen König erkennen, wenn ich nicht eines Königs Gewand trage?«

      »Sie werden dich nicht erkennen, hoher Herr«, rief der Kämmerer.

      »Ich hatte geglaubt, es gäbe Menschen, die königlich sind«, antwortete er, »aber es mag sein, wie du sagst. Und doch will ich dieses Gewand nicht tragen und will nicht mit dieser Krone gekrönt werden, sondern so, wie ich in diesen Palast gekommen bin, so will ich von ihm ausgehn.«

      Und er hieß sie alle ihn verlassen, außer einem Pagen, den er zu seinem Gefährten gemacht hatte, einen Burschen, der ein Jahr jünger war als er selbst. Ihn behielt er zu seinem Dienste; und als er sich in klarem Wasser gebadet hatte, öffnete er eine große bemalte Truhe, und aus ihr nahm er das Lederwams und den rauen Schafpelz, die er getragen hatte, als er am Abhang des Hügels die zottigen Ziegen des Ziegenhirten gehütet hatte. Sie zog er an, und in die Hand nahm er seinen plumpen Schäferstab.

      Und der kleine Page riss verwundert seine großen blauen Augen auf und sagte lächelnd zu ihm: »Hoher Herr, ich sehe dein Gewand und dein Zepter, aber wo ist deine Krone?«

      Und der König pflückte einen Zweig von den Heckenrosen, die über den Balkon kletterten, und bog ihn und machte einen Kranz daraus und setzte ihn sich aufs Haupt.

      »Dies soll meine Krone sein«, antwortete er.

      Und so angetan, trat er aus seinem Gemach in die große Halle heraus, wo die Edlen auf ihn warteten.

      Und die Edlen machten sich über ihn lustig, und einige unter ihnen riefen ihm zu: »Hoher Herr, das Volk erwartet seinen König, und du zeigst ihnen einen Bettler.« Und andere wurden zornig und sagten: »Er bringt Schande über unsern Staat und ist unwürdig, unser Herr zu sein.« Aber er antwortete ihnen nicht ein Wort, sondern schritt vorbei und ging die glänzende Porphyrtreppe hinab und durch die bronzenen Tore hinaus und ritt dem Dom zu; und der kleine Page lief neben ihm.

      Und das Volk lachte und sagte: »Des Königs Narr reitet vorbei«, und sie verspotteten ihn.

      Und er zog den Zügel an und sagte: »Nein, ich bin der König.« Und er erzählte ihnen seine drei Träume.

      Und ein Mann trat aus der Menge hervor und sprach bitter scharf zu ihm und sagte: »Herr, weißt du nicht, dass aus der Üppigkeit der Reichen das Leben der Armen hervorgeht? Von eurer Pracht werden wir ernährt, und eure Laster geben uns Brot. Für einen harten Meister zu schaffen, ist bitter, aber keinen Meister zu haben, für ihn zu schaffen, ist noch bitterer. Meinst du, die Raben werden uns füttern? Und was sorgst du um diese Dinge? Willst du zum Käufer sagen: ›Du sollst um soundso viel kaufen, und zum Verkäufer: ›Du sollst zu diesem Preis verkaufen? Ich denke, nein. Also geh zurück zu deinem Palast und leg’ deinen Purpur und feines Linnen an. Was hast du mit uns und unseren Leiden zu schaffen?«

      »Sind die Reichen und Armen nicht Brüder?« fragte der König.

      »Jawohl«, antwortete der Mann, »und der Name des reichen Bruders ist Kain.«

      Und die Augen des jungen Königs füllten sich mit Tränen, und er ritt weiter durch das Murren des Volkes hindurch, und der junge Page wurde ängstlich und verließ ihn.

      Und als er an dem großen Portal des Doms angelangt war, streckten die Soldaten ihre Hellebarden vor und sagten: »Was hast du hier zu suchen? Niemand hat Eintritt durch dieses Tor als der König.«

      Und die Röte des Zorns stieg ihm ins Gesicht, und er sagte zu ihnen: »Ich bin der König«, und schob ihre Hellebarden zur Seite und trat ein.

      Und als der alte Bischof ihn in seinem Ziegenhirtenkleid kommen sah, stand er verwundert von seinem Throne auf und ging ihm entgegen und sprach zu ihm: »Mein Sohn, ist dies eines Königs Aufzug? Und mit welcher Krone soll ich dich krönen, und was für ein Zepter soll ich dir in die Hand geben? Wahrlich, dies sollte für dich ein Tag der Freude und nicht ein Tag der Erniedrigung sein.«

      »Soll Freude tragen, was Leid verfertigt hat?« fragte der junge König. Und er erzählte ihm seine drei Träume.

      Und als der Bischof sie gehört hatte, runzelte er die Stirn und sagte: »Mein Sohn, ich bin ein alter Mann und stehe im Winter meiner Tage, und ich weiß, dass viele schlimme Dinge in der weiten Welt getan werden. Die wilden Räuber steigen aus den Bergen herab und schleppen die kleinen Kinder fort und verkaufen sie den Mohren. Die Löwen liegen auf der Lauer, bis die Karawanen kommen, und springen mit einem Satz auf die Kamele. Das Wildschwein wühlt das Korn im Tale auf, und die Füchse fressen die Reben auf dem Berge ab. Die Seeräuber brandschatzen die Küste und verbrennen die Boote der Fischer und nehmen ihnen ihre Netze weg. In den Salzsümpfen leben die Aussätzigen; sie haben Häuser aus geflochtenem Rohr, und niemand darf zu ihnen kommen. Die Bettler wandern durch die Städte und essen ihr Futter mit den Hunden. Kannst du machen, dass diese Dinge nicht sind? Willst du den Aussätzigen zu dir ins Bett nehmen und den Bettler zu deinem Tischgenossen machen? Soll der Löwe tun, was du ihn heißt, und das Wildschwein dir gehorchen? Ist nicht der, der das Elend geschaffen hat, weiser als du? Darum lobe ich dich nicht für das, was du getan hast, sondern ich sage dir, reite zurück zum Palast und mache dein Antlitz froh, und ziehe das Gewand an, das einem König ziemt; und mit der Krone aus Gold will ich dich krönen, und das Perlenzepter will ich dir in die Hand geben. Und an deine Träume sollst du nicht mehr denken. Die Bürde

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