Vom Königsbett zum Schafott. Barbara Beck
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Wenn Agnes Bernauer tatsächlich die Tochter eines Baders oder Barbiers war und selbst als Bademagd arbeitete, entstammte sie einfacheren Verhältnissen. In der mittelalterlichen Gesellschaft gehörten Bader vielfach zu den ehrlosen Ständen, die von vielen bürgerlichen Rechten ausgeschlossen waren. In Augsburg allerdings begannen die Bader und Barbiere seit dem 15. Jahrhundert gesellschaftlich aufzusteigen. Falls Agnes’ Vater als selbständiger Bader arbeitete und ein eigenes Bad besaß, so gehörten er und seine Familie doch eher der ehrbaren mittleren Bürgerschicht der Reichsstadt an.
Die beliebten Badestuben dienten im 15. Jahrhundert nicht allein der Körperreinigung und der medizinischen Versorgung, sondern waren gelegentlich auch Orte der Prostitution. Für Augsburg gibt es jedoch kein Verbot wegen Badeprostitution. Es kann daher nicht verallgemeinernd von Sittenlosigkeit in den Bädern des Mittelalters gesprochen werden, vielmehr waren sie beliebte gesellschaftliche Treffpunkte. Im 15. Jahrhundert ging es in den Bädern sogar eher züchtig zu, völlig nackt badeten oft nur die Kinder.
Wesentlich besser ist erwartungsgemäß der biografische Kenntnisstand bei dem bayerischen Herzogssohn Albrecht, dem man später den Beinamen »der Fromme« gab. Der einzige legitime Sohn des regierenden Herzogs Ernst I. von Bayern-München und der Herzogin Elisabeth, einer Visconti aus Mailand, wurde am 27. März 1401 geboren. Seine standesgemäße Erziehung erhielt er am Prager Königshof bei seiner Tante Sophie, die mit dem böhmischen König Wenzel IV. verheiratet war. Im Alter von etwa sechzehn Jahren kehrte Albrecht an den Münchner Hof zurück. Zeitlebens hatte er eine ausgeprägte Vorliebe für die Jagd, Musik und Literatur, außerdem galt er als »ain liebhaber der zarten frawen«3. In Turnieren und in kriegerischen Auseinandersetzungen tat er sich als mutiger Kämpfer hervor. Bereits 1424 hatte ihm seine Mutter die Grafschaft Vohburg an der Donau zusammen mit Pfaffenhofen an der Ilm, Geisenfeld und Hohenwart abgetreten, weshalb sich Albrecht auch Graf von Vohburg nannte. Im Januar 1433 setzte ihn sein Vater zum Statthalter des 1425/1429 an Bayern-München gefallenen Straubinger Landes ein.
Wo und wann sich die als außergewöhnlich schön bezeichnete Baderstochter und der bayerische Erbprinz erstmals begegneten, darüber informieren die zeitgenössischen Quellen nicht. Da Herzog Albrecht III. als Teilnehmer an einem Turnier im Februar 1428 in Augsburg genannt wird, wird gemeinhin angenommen, dass er bei dieser Gelegenheit Agnes Bernauer wohl bei einem Besuch der väterlichen Badestube kennen lernte und bald darauf nach München holte. In einer in die zweite Hälfte der zwanziger Jahre zu datierenden Münchner Steuerliste taucht unter dem weiblichen Gesinde des herzoglichen Hofs eine »Pernawerin« auf. Tatsächlich ist dies bis heute der erste quellenmäßige Beleg für die Existenz der Agnes Bernauer überhaupt. Aus Äußerungen von Herzog Ernst vom Oktober 1435, dass sein einziger Sohn seit drei oder vier Jahren ein böses Weib gehabt habe, kann man aber auch schließen, dass das Verhältnis zwischen dem Herzogssohn und der Bernauerin erst um 1431/1432 seinen Anfang nahm. Da sich Albrecht zu dieser Zeit überwiegend in München aufhielt, könnte er auch dort eine Beziehung mit Agnes Bernauer angeknüpft haben, die zu dieser Zeit ja bereits ein Mitglied des Hofgesindes war.
Eine Liebesaffäre zwischen einem noch unverheirateten Adeligen und einer Frau aus einfacheren Verhältnissen hätte an sich kaum größeres Aufsehen erregt, da eine Geliebte einer standesgemäßen Heirat und damit erbberechtigtem Nachwuchs nicht im Wege stand. Die Beziehung zwischen Albrecht III. und Agnes Bernauer nahm aber einen überraschenden, die gesellschaftlichen Konventionen sprengenden Verlauf. Das Auftreten der jungen Frau fiel aus dem gewohnten Rahmen und sorgte für Misstöne. Im Sommer 1432 mischte sie sich selbstbewusst in die Beziehungen zwischen dem Herzog und der Stadt München ein, als sie dafür sorgte, dass ein vor dem Zugriff der städtischen Schergen in die Alte Veste, die herzogliche Residenz, geflohener Pferdedieb festgenommen werden konnte. Sie veranlasste nämlich, dass die Stadt einen Boten an den abwesenden Herzog schickte und um die Herausgabe des Diebes nachsuchte. Albrechts Schwester Beatrix reagierte bei einem Besuch in München empört über dieses in ihren Augen anmaßende Benehmen und sprach öffentlich zornig von »der hoch und grosfaisten Bernawerin«4 (= der hochmütigen und aufgeblasenen Bernauerin). Eventuell war Agnes Bernauer zu diesem Zeitpunkt bereits mit Albrecht verheiratet und sah sich deshalb zu diesem Verhalten berechtigt. Die zeitgenössischen Quellen liefern allerdings keine eindeutigen Beweise für eine Eheschließung, es spricht aber einiges für eine geheim gehaltene Ehe. Vielfach wird der am 7. Januar 1433 urkundlich belegte Kauf einer Hube und Hofstatt in Niedermenzing durch Agnes Bernauer als Morgengabe Albrechts interpretiert, der ihr diesen Kauf ermöglichte. Ein eindeutiger Beweis für eine Eheschließung ist dieser Grunderwerb aber nicht, da solche Käufe häufig zu den üblichen Versorgungsleistungen für eine fürstliche Geliebte gehörten. In dem in der Nähe gelegenen Schloss Blutenburg lebte Albrecht nachweislich ungefähr zwei Jahre mit Agnes Bernauer zusammen. Dass es sich nicht nur um eine uneheliche Verbindung gehandelt haben kann, dafür spricht am eindeutigsten Agnes Bernauers tragischer Tod, da ihre Ermordung sonst weitgehend sinnlos gewesen wäre. Eine solche unebenbürtige Ehe verstieß aber gegen die Standesschranken der mittelalterlichen Gesellschaft. Damals bildeten sich selbst innerhalb des Adels Heiratsschranken aus. Wie sehr diese Verbindung zwischen einem Mitglied des Hochadels und einer Frau »aus dem Volk« dem adeligen Standesbewusstsein widersprach, wird durch die verächtliche Behandlung Albrechts bei einem Turnier am 23. November 1434 in Regensburg deutlich, als ihm die Teilnahme am Turnier verwehrt wurde. Der Herzog wurde »wegen seiner Geliebten, deretwegen er, wie man glaubte, es verschob, eine rechtmäßige Frau zu heiraten, angegriffen und geschlagen«5. Albrechts Mesalliance verstieß gegen die von Gott gewollte Ordnung der Ständegesellschaft.
Während quellenmäßige Belege für einen längeren zusammen verbrachten Aufenthalt des Paares in der Grafschaft Vohburg ebenso fehlen wie für eine gemeinsame Nachkommenschaft, sieht die Überlieferung für Straubing besser aus. Seit 1434/1435 trat Agnes Bernauer in Straubing als »Herzogin« an der Seite Albrechts auf, der nur noch selten nach München kam. Der bedeutende bayerische Geschichtsschreiber Aventinus schrieb etwa hundert Jahre später, dass sich die Bernauerin selbst als »Gemahlin des bayerischen Fürsten und Herzogin von Bayern«6 bezeichnet habe. Wie Agnes Bernauer selbst ihre Position in Straubing verstand, verrät ihre Altarstiftung im Kloster der Karmeliten zu Straubing. Da das Kloster mit seiner Kirche als Grablege für die Straubinger Wittelsbacher, die wohlhabenden Bürger und den niederbayerischen Adel diente, wollte sie hier ebenfalls im Kreuzgang ihre letzte Ruhestätte finden. Ganz offensichtlich fühlte sie sich als legitime Herzogsgemahlin.
Als Herzog Albrecht im Straubinger Land zunehmend nach einem unabhängigeren Regiment strebte und mehrmals den schuldigen Gehorsam seinem Vater verweigerte, löste dies wachsendes Missfallen bei Herzog Ernst I. aus. Für weiteren Konfliktstoff sorgte Albrechts Wunsch nach Herausgabe des gesamten mütterlichen Erbes. Dass Herzog Ernst hinter dem neuen, für ihn unerfreulichen Verhalten seines Sohnes, der früher wenig Interesse an der Mitregierung in München gezeigt hatte, als die eigentlich Schuldige die Bernauerin vermutete, dafür sprechen seine späteren Ausführungen gegenüber Kaiser Sigismund. Wahrscheinlich hatte Herzog Ernst