Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei

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Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme - Galileio Galilei

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sagt mir, bitte, Signore Simplicio, wollt Ihr nicht einräumen, dass beim Übergang von einem Zustande zu einem anderen der Fortgang zu einem näheren naturgemäß leichter und bequemer ist als zu einem entfernteren?

      Simpl. Dies verstehe ich und räume ich ein. Ich zweifle nicht daran, dass z. B. ein glühendes Stück Eisen beim Erkalten von zehn Grad Wärme eher auf neun Grad sinkt als von zehn auf sechs.33

      Sagr. Sehr wohl. Sagt mir sodann: Wenn jene Kanonenkugel von der Kraft des entzündeten Pulvers senkrecht in die Höhe geschossen wird, bewegt sie sich dann nicht fortwährend mit abnehmender Geschwindigkeit, bis sie den höchsten Punkt erreicht und damit zur Ruhe gelangt? Und soll man nicht vernünftigerweise annehmen, dass bei der Abnahme der Geschwindigkeit oder, wenn Ihr lieber wollt, bei der Zunahme der Langsamkeit der Übergang von 10 Grad auf 11 eher stattfindet als von 10 auf 12? und von 1000 auf 1001 eher als von 1000 auf 1002? Kurz, von einem beliebigen Grad eher auf einen benachbarten als auf einen entfernten?

      Simpl. Freilich ist das vernünftig.

      Sagr. Welche Stufe der Langsamkeit liegt aber irgendwelcher Bewegung so ferne, dass nicht der Zustand der Ruhe, also der unendlicher Langsamkeit, nicht noch weiter ab von ihr läge? Darum darf man nicht in Zweifel ziehen, dass besagte Kugel, bevor sie schließlich in den Endzustand der Ruhe gelangt, alle Stufen immer größerer Langsamkeit durchmacht, folglich auch eine solche, bei welcher sie in tausend Jahren keinen Zoll weiterrücken würde. Ist dies aber der Fall – und es ist der Fall – so wird es Euch nicht wundern dürfen, wenn bei der Umkehr nach unten dieselbe Kugel vom Zustande der Ruhe aus ihre Geschwindigkeit dadurch wieder erlangt, dass sie durch die nämlichen Grade der Langsamkeit hindurchgeht, die sie bei der Bewegung nach oben durchgemacht hat, nicht aber dadurch, dass sie alle anderen höheren Stufen der Langsamkeit34, die dem Zustande der Ruhe näher liegen, auslässt und sprungweise zu einer entfernteren übergeht.

      Simpl. Aus dieser Erklärung bin ich weit eher klug geworden als aus den früheren mathematischen Spitzfindigkeiten. Signore Salviati mag daher seinen Faden wieder aufnehmen und seine Schlussfolgerungen fortsetzen.

      Kreisbewegungen bringen ihrer Endlichkeit u. Begrenztheit wegen die Teile der Welt nicht in Unordnung.

      Bei der Kreisbewegung ist jeder Punkt des Umfangs Anfangsund Endpunkt.

      Kreisbewegung allein gleichförmig.

      Kreisbewegung kann ewig fortdauern.

      Geradlinige Bewegung kann von Natur aus nicht ewig sein.

      Geradlinige Bewegung hat die Bestimmung, die Naturkörper in vollkommene Ordnung zu bringen, wenn sie aus dieser entfernt wurden.

      Bloß Ruhe und Kreisbewegung sind geeignet zur Aufrechterhaltung d. Ordnung.

      Salv. Wir werden also zu unserem ursprünglichen Gegenstande zurückkehren und da wieder anknüpfen, wo wir abgeschweift sind. Wenn ich mich recht erinnere, waren wir dabei, festzustellen, dass die geradlinige Bewegung unter Voraussetzung einer wohlgeordneten Welt nutzlos sein muss; wir haben weiter hervorgehoben, dass die Sache bei den kreisförmigen Bewegungen anders liegt: Denn die Bewegung des Körpers um sich selbst hält ihn ja stets an derselben Stelle fest, und die Bewegung auf dem Umfange eines Kreises um dessen unverrückt festes Zentrum hat keine Aufhebung der Ordnung, weder für ihn selber noch für benachbarte Körper im Gefolge. Eine solche Bewegung ist nämlich endlich und begrenzt, und nicht bloß das, es gibt auch keinen Punkt auf dem Umfang des Kreises, der nicht zugleich Anfangs- und Endpunkt der Kreisbewegung wäre; beim Fortgang seiner Bewegung auf dem ihm zugewiesenen Kreise lässt der Körper allen übrigen Raum innerhalb und außerhalb desselben frei für die Bedürfnisse anderer Körper, ohne ihnen jemals hinderlich oder störend zu werden. Da es sich hier um die Bewegung handelt, die den Körper beständig vom Ziele entfernt und ihn beständig zu ihm hinführt, so kann zunächst nur sie gleichförmig sein; denn die Beschleunigung der Bewegung entsteht, wenn sich der Körper nach einem erstrebten Ziele hin bewegt, und die Verzögerung tritt ein durch die Abneigung, sich von jenem Ziele zu trennen und zu entfernen. Da er aber bei der Kreisbewegung sich stets von dem natürlichen Ziele trennt und wieder zu ihm hinbewegt, so sind bei ihm Abneigung und Neigung gleich; aus dieser Gleichheit geht eine weder verzögerte noch beschleunigte Geschwindigkeit hervor, d. h. eine gleichförmige Bewegung. Aus dieser Gleichförmigkeit und Begrenztheit ergibt sich die Möglichkeit einer ewigen Fortdauer, indem die Umläufe sich stets wiederholen; auf einer unbegrenzten Linie hingegen und bei einer fortwährend verzögerten oder beschleunigten Bewegung ist von Natur aus eine solche Fortdauer unmöglich. Ich sage: von Natur aus; denn die verzögerte gradlinige Bewegung ist gewaltsam, kann also nicht von ewiger Dauer sein35; die beschleunigte Bewegung hingegen gelangt notwendig einmal ans Ziel, wenn ein solches vorhanden ist; ist aber keines vorhanden, so kann auch keine Bewegung zustande kommen, weil die Natur niemals dahin treibt, wohin es unmöglich ist zu gelangen. Demgemäß schließe ich, dass nur die Kreisbewegung von Natur aus den das Weltall zusammensetzenden Naturkörpern zukommen kann, sobald diese sich in vollkommener Ordnung befinden; die geradlinige Bewegung hingegen kann höchstens dann von der Natur ihren Körpern und deren Teilen zugewiesen werden, sobald sie sich außerhalb der ihnen vorgeschriebenen Plätze in verkehrter Anordnung befinden und daher auf dem kürzesten Wege in die natürliche Lage zurückgebracht werden sollen. Danach scheint mir der Schluss völlig gerechtfertigt, dass behufs Aufrechterhaltung der vollkommenen Ordnung die beweglichen Teile der Welt notwendig sich kreisförmig bewegen, die etwa nicht kreisförmig bewegten notwendig unbeweglich sein müssen; denn nur die Ruhe und die Kreisbewegung sind geeignet, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Auch wundere ich mich sehr, dass Aristoteles, der doch glaubte, die Erdkugel sei in den Mittelpunkt der Welt gesetzt und verharre dort unbeweglich, die natürlichen Körper nicht eingeteilt hat in von Natur bewegliche und von Natur unbewegliche, zumal da er früher die Natur als Ursache der Bewegung und der Ruhe definiert hat.36

      Sinnliche Erfahrungen verdienen den Vorzug vor menschlichen Spekulationen.

      Wer die Sinneserfahrungen leugnet, ist wert, der Sinne verlustig zu gehen.

      Die Sinneserfahrung zeigt, dass das Schwere sich nach der Mitte, d. Leichte nach der Wölbung der Mondsphäre bewegt.

      Simpl. Aristoteles, der trotz seines ungemeinen Scharfsinnes seinen Geist nicht ungebührlich überschätzte, glaubte, dass die sinnliche Erfahrung vor jeder vom Menschengeiste angestellten Spekulation den Vorzug verdiene37, und sagte, diejenigen, welche die Sinneserfahrungen leugneten, seien würdig, dafür mit dem Verlust ihrer Sinne zu büßen. Wer ist nun so blind, dass er nicht die Teile der Erde und des Wassers als schwere Körper sich von Natur abwärts bewegen sähe, d. h. in der Richtung nach dem Mittelpunkte des Weltalls, welcher von der Natur selbst der geradlinigen Bewegung deorsum als Ende und Ziel angewiesen ist? Wer sähe nicht gleichfalls, dass das Feuer und die Luft sich gerade nach oben bewegen zu der Wölbung der Mondsphäre hin, dem natürlichen Ziele der Bewegung sursum? Wo nun dies so klar am Tage liegt, und wo wir wissen, dass eadem est ratio totius et partium, wie kann man da in Abrede stellen, dass die Lehre von der natürlichen geradlinigen Bewegung der Erde ad medium und des Feuers a medio eine offenbar richtige Behauptung sei?

      Ob die fallenden schweren Körper eine gerade Linie beschreiben, ist zweifelhaft.

      Die Erde ist kugelförmig infolge des Zusammenstrebens der Teile nach d. Mittelpunkte hin.

      Die Sonne steht mit größerer Wahrscheinlichkeit im Mittelpunkte der Welt als die Erde.

      Salv. Vermöge des von Euch Bemerkten könntet Ihr allerhöchstens auf das Zugeständnis Anspruch erheben, dass, gerade wie die Teile der Erde nach ihrer Trennung vom Ganzen, d. h.

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