Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme - Galileio Galilei страница 37
Simpl. Haltet Ihr es denn nicht für einen ausreichenden Unterschied, wenn die absolut einfache Bewegung sehr viel schneller vor sich geht als die durch den vorwiegenden Bestandteil bedingte? Wieviel schneller bewegt sich ein Stück reiner Erde abwärts als ein Stückchen Holz!
Sagr. Gut, Signore Simplicio; wenn nun aber aus diesem Grunde der Begriff der Einfachheit anders gefasst werden muss, so werden erstlich hunderttausenderlei gemischte Bewegungen existieren; sodann aber werdet Ihr nicht mehr imstande sein, die einfache zu definieren. Ja noch mehr: Wenn die größere oder geringere Geschwindigkeit die Einfachheit der Bewegung beeinflusst, so wird niemals ein einfacher Körper eine einfache Bewegung ausführen. Denn bei allen natürlichen geradlinigen Bewegungen nimmt die Geschwindigkeit fortwährend zu und ändert folglich ihre Einfachheit, die, um Einfachheit zu sein, doch unveränderlich sein müsste. Was noch wichtiger ist, Ihr heftet dem Aristoteles einen weiteren Tadel an, dass er nämlich bei der Definition der zusammengesetzten Bewegung der Langsamkeit und Schnelligkeit keine Erwähnung tut, welche Ihr jetzt als ein notwendiges und wesentliches Erfordernis hinstellt. Ein solches Kriterium lässt sich überdies nicht fruchtbar verwerten, weil es gemischte Körper, und zwar recht zahlreiche, geben wird, die sich teils schneller, teils langsamer bewegen als ein einfacher, wie z. B. das Blei und das Holz im Vergleich zur Erde. Welche dieser Bewegungen wollt Ihr da einfach, welche zusammengesetzt nennen?
Simpl. Einfach soll die heißen, welche von einem einfachen Körper, und gemischt die, welche von einem zusammengesetzten Körper ausgeführt wird.
Sagr. Ausgezeichnet fürwahr, was Ihr da sagt, Signore Simplicio! Vor einer Weile habt Ihr festgesetzt, dass die einfache und die zusammengesetzte Bewegung mir darüber Auskunft geben sollen, ob ein Körper einfach oder zusammengesetzt sei, und jetzt soll ich aus der Einfachheit oder Zusammengesetztheit der Körper mir Aufschluss über die Einfachheit oder Zusammengesetztheit der Bewegungen verschaffen: eine vortreffliche Regel, um schließlich weder über die Bewegungen noch über die Körper zur Klarheit zu gelangen. Es genügt Euch nun auch zur Feststellung des Begriffs der einfachen Bewegung nicht mehr die größere Geschwindigkeit; Ihr geht vielmehr so weit, dass Ihr noch eine dritte Bedingung erfüllt wissen wollt, während Aristoteles sich zu diesem Zwecke mit einer einzigen begnügt, nämlich der Einfachheit des zurückgelegten Weges. Nach Eurer Ansicht nämlich ist nunmehr die einfache Bewegung eine solche, welche längs einer einfachen Linie, mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit von einem einfachen beweglichen Körper ausgeführt wird. Nun mag meinetwegen Eure Ansicht richtig sein; wenden wir uns aber zu Aristoteles zurück, der mich belehrt hat, die gemischte Bewegung sei diejenige, welche sich aus der geradlinigen und kreisförmigen zusammensetze, der mir dann aber keinen Körper hat ausfindig machen können, der von Natur eine solche Bewegung ausführte.
Die Kreislinie nach Aristoteles vollkommen, die gerade Linie unvollkommen, und weswegen.
Der Verfasser nimmt an, die Welt sei vollkommen geordnet.
Salv. Ich kehre also zu Aristoteles zurück, der seine Untersuchung so schön und methodisch begonnen hat. Da er aber mehr die Absicht hatte, auf ein seinem Geiste schon vorschwebendes Ziel loszusteuern und es zu erreichen, als dahin zu gelangen, wohin ihn geradewegs seine Schlüsse führten, reißt er den Faden ab und schlägt einen Seitenpfad ein. Er teilt uns als etwas allgemein Bekanntes und Zugestandenes mit, dass die auf- und abwärts gerichteten Bewegungen dem Feuer und der Erde eigen sind; es müsse also notwendigerweise außer jenen uns zugänglichen Körpern noch ein anderer in der Natur vorhanden sein, dem die Kreisbewegung zukomme. Dieser sei sodann in demselben Maße vollkommener, als die Kreisbewegung im Vergleich zu der geradlinigen vollkommener sei. Wieviel mal aber jene die letztere an Vollkommenheit übertreffe, bemisst er nach der Vollkommenheit des Kreises gegenüber der geraden Linie, wobei er jenen vollkommen, diese unvollkommen nennt: darum nämlich unvollkommen, weil sie entweder im Falle der Unendlichkeit keinen Abschluss und keine Grenze hat, oder im Falle der Endlichkeit nach einem außerhalb derselben gelegenen Punkte verlängert werden kann. Das ist der Grundstein, die Basis, das Fundament des ganzen aristotelischen Weltgebäudes, worauf sich alle die übrigen Merkmale gründen, des Nicht-Leichten und Nicht-Schweren, des Unentstandenen, des Unvergänglichen und – abgesehen von der Ortsveränderung – des Unveränderlichen u. s. w. Alle diese Eigenschaften, versichert er, kommen dem einfachen, kreisförmig sich bewegenden Körper zu, während er die entgegengesetzten Affektionen der Schwere, Leichtigkeit, Vergänglichkeit u. s. w. den von Natur sich geradlinig bewegenden Körpern zuweist. Sobald also in dem bisher Festgestellten sich ein Mangel zeigt, darf man begründeterweise an allem Übrigen, das sich darauf aufbaut, Zweifel hegen. Ich stelle nicht in Abrede, dass die von Aristoteles bisher aus allgemeinen Grundprinzipien gewonnenen Ergebnisse im weiteren Fortgang durch spezielle Gründe und Erfahrungen nochmals bekräftigt werden; diese müssen sämtlich einzeln geprüft und erwogen werden. Da aber schon bei dem bisher Vorgebrachten sich viele nicht unbedeutende Schwierigkeiten in den Weg stellen – und doch sollten die ersten Prinzipien und Grundlagen unerschütterlich fest und sicher sein, damit man ohne Zagen auf ihnen weiterbauen kann –, so wird es wohl am geratensten sein, bevor die Menge der Zweifel zu sehr anwächst, einmal auf gut Glück zu versuchen – und ich glaube, es ist möglich – auf anderem Wege vorzudringen, auf dem es sich kürzer und sicherer geht, und nach besser erwogenen Bauregeln die ersten Fundamente zu legen. In dem Augenblicke jedoch, wo wir einstweilen die Entwicklungen des Aristoteles verlassen, um sie seiner Zeit wieder aufzunehmen und eingehend zu prüfen18, erkläre ich mich einverstanden mit einer seiner bisherigen Behauptungen, dass nämlich die Welt mit allen Dimensionen ausgestattet und darum von höchster Vollkommenheit ist. Ich setze hinzu, dass sie als solche durchaus gesetzmäßig ist, d. h. aus Teilen besteht, die nach höchsten und vollkommensten Gesetzen angeordnet sind. Ich glaube, dieser Annahme werdet weder Ihr noch sonst jemand widersprechen.
Simpl. Wer sollte da widersprechen! Denn erstens rührt sie von Aristoteles selbst her; dann aber scheint schon der Name Kosmos von nichts Anderem hergenommen zu sein, als von der im Weltall herrschenden höchsten Ordnung.19
In der wohlgeordneten Welt kann es unmöglich eine geradlinige Bewegung geben.
Geradlinige Bewegung ihrer Natur nach unendlich.
Geradlinige Bewegungen von Natur unmöglich.
Die Natur versucht nicht zu leisten, was unmöglich zu leisten ist.
Geradlinige