Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei

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Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme - Galileio Galilei

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Pflegeväter4, welche die arme Waise als Kind ihres eigenen Geistes annahmen. Damit nun nicht dereinst ein Fremder, mit unseren eigenen Waffen kämpfend, vor uns hintrete und uns schelte wegen der geringen Aufmerksamkeit, die wir einer so wichtigen Naturerscheinung gewidmet hätten, habe ich es für richtig gehalten, die Gründe darzulegen, welche die Sache plausibel machen unter der Annahme, dass die Erde sich bewege. Diese Untersuchungen werden hoffentlich der Welt beweisen, dass andere Nationen zwar in größerem Umfange Schiffahrt betreiben mögen, dass wir ihnen aber in wissenschaftlicher Forschung nichts nachgeben; dass, wenn wir uns bescheiden die Unbeweglichkeit der Erde zu behaupten und die gegenteilige Annahme nur als eine mathematische Grille betrachten, dies nicht aus Unkenntnis der Ideen anderer geschieht; dass wir vielmehr, von anderem abgesehen, dies aus den Gründen tun, welche die Frömmigkeit, die Religion, die Erkenntnis der göttlichen Allmacht und das Bewusstsein von der Unzulänglichkeit des Menschengeistes uns an die Hand geben.

      Ich dachte weiter, es sei von großem Vorteil, diese Gedanken in Form eines Gesprächs zu entwickeln, weil ein solches nicht an die strenge Innehaltung der mathematischen Gesetze gebunden ist und hie und da zu Abschweifungen Gelegenheit bietet, die nicht minder interessant sind als der Hauptgegenstand.

      Ich besuchte vor vielen Jahren des Öfteren die Wunderstadt Venedig und verkehrte daselbst mit dem Signore Giovan Francesco Sagredo5, einem Manne von vornehmster Abkunft und ausgezeichnetem Scharfsinn. Eben dahin kam aus Florenz Signore Filippo Salviati, dessen geringster Ruhm sein edles Blut und sein glänzender Reichtum war; ein erhabener Geist, der nach keinem Genusse mehr trachtete als nach dem des Forschens und Denkens. Mit diesen beiden unterhielt ich mich oft über die erwähnten Fragen und zwar im Beisein eines peripatetischen Philosophen, dem scheinbar nichts so sehr die Erkenntnis der Wahrheit erschwerte, als der Ruhm, den er durch seine Auslegungen des Aristoteles erworben hatte.

      Jetzt, nachdem der grausame Tod den Städten Venedig und Florenz jene beiden erleuchteten Männer in der Blüte ihrer Jahre geraubt hat, habe ich versucht, soweit meine schwachen Kräfte es vermögen, sie zu ihrem Ruhme auf diesen Blättern fortleben zu lassen, indem ich sie als redende Personen an den vorliegenden Gesprächen sich beteiligen lasse. Auch der wackere Peripatetiker soll nicht fehlen; wegen seiner übermäßigen Vorliebe für die Kommentare des Simplicius schien es passend unter Verschweigung seines wahren Namens ihm den seines Lieblingsautors zu belassen. Mögen die Seelen jener beiden großen Männer, die meinem Herzen stets verehrungswürdig bleiben werden, das öffentliche Denkmal meiner nie ersterbenden Liebe hinnehmen; möge das Andenken an ihre Beredsamkeit mir behilflich sein, der Nachwelt die versprochenen Untersuchungen klar darzulegen.

      Es hatten gelegentlich allerlei Unterredungen zwischen genannten Herren stattgefunden, die, wie es zu gehen pflegt, willkürlich herausgegriffene Punkte betrafen. Dadurch aber wurde der Durst nach Erkenntnis in ihren Geistern nur entflammt, nicht gelöscht. Sie fassten daher den klugen Entschluss, sich an einigen Tagen zusammenzufinden, um unter Ausschluss jedes anderen Geschäftes in geordneterer Weise der Betrachtung und Verehrung der himmlischen und irdischen Wunderwerke Gottes obzuliegen. Als die Gesellschaft im Palaste des erlauchten S. Sagredo beisammen war, hub nach den üblichen, aber kurzen Begrüßungszeremonien S. Salviati folgendermaßen an:

      ERSTER TAG

      P e r s o n e n :Salviati, Sagredo und Simplicio.

      Kopernikus betrachtet die Erde als einen Ball gleich den Planeten.

      Himmlische Substanzen notwendig unveränderlich, elementare veränderlich nach Ansicht des Aristoteles.

      Salv. Bei unseren gestrigen Gesprächen sind wir schließlich übereingekommen, heute so klar und eingehend als möglich diejenigen natürlichen Gründe6 auf ihre Beweiskraft hin zu prüfen, welche zu Gunsten der einen und der anderen Ansicht von den Verehrern der aristotelisch-ptolemäischen Lehre einerseits und von den Anhängern des kopernikanischen Systems andererseits bisher vorgebracht worden sind. Da nun Kopernikus die Erde zu den bewegten Himmelskörpern rechnet und demgemäß sie als einen Ball gleich den Planeten betrachtet, so werden wir zweckmäßig zunächst untersuchen, wie es um die Triftigkeit und Überzeugungskraft derjenigen peripatetischen Schlüsse steht, welche erweisen sollen, eine solche Annahme sei schlechthin unmöglich, insofern in der Natur zweierlei verschiedene Substanzen zu unterscheiden seien, eine himmlische und eine elementare7, jene unveränderlich und unzerstörbar, diese veränderlich und vergänglich. Diesen Gegenstand behandelt er8 in der Schrift »Über den Himmel«, indem er zuerst seine Ansicht von gewissen allgemeinen Gesichtspunkten aus wahrscheinlich zu machen sucht und sie dann durch speziellere Erfahrungen und Beweise stützt. Ich will den Gegenstand in der nämlichen Reihenfolge behandeln und dann meine Ansicht freimütig mitteilen; ich lasse mir dabei gerne Eure Kritik gefallen, insbesondere die des Signore Simplicio, eines so eifrigen Kämpen und Verteidigers der aristotelischen Lehre.

      Aristoteles hält die Welt für vollkommen, weil sie dreidimensional ist.

      Das erste Glied in der Schlusskette der Peripatetiker besteht darin, dass Aristoteles die Vollständigkeit und Vollkommenheit der Welt durch den Hinweis dartut, dieselbe sei nicht eine einfache Linie noch auch eine bloße Fläche, sondern ein Körper mit Länge, Breite und Tiefe; da es nun nicht mehr als diese drei Ausdehnungen gebe und die Welt dieselben besitze, so besitze sie alle und sei aus eben diesem Grunde vollkommen. – Dass nun aber aus der Linie, welche definiert ist als eine bloß der Länge nach ausgedehnte Größe, durch Hinzufügung der Breite sich die Fläche ergibt und durch weitere Hinzufügung der Höhe oder Tiefe daraus der Körper entsteht, dass sodann über diese drei Ausdehnungen hinaus kein Übergang zu einer weiteren möglich ist, mit diesen dreien also die Vollständigkeit, ich möchte sagen die Allheit, erschöpft ist: Dafür hätte ich von Aristoteles gerne einen strengen Beweis gehört, umso mehr als sich ein solcher recht klar und ohne Schwierigkeit führen lässt.

      Aristotelische Beweise dafür, dass es nicht mehr als drei Ausdehnungen gibt.

      Berühmtheit der Dreizahl bei den Pythagoreern.

      Simpl. Was habt Ihr denn an den wunderschönen Beweisen auszusetzen, die im zweiten, dritten und vierten Paragraphen gleich auf die Definition der Stetigkeit folgen?9 Steht da nicht erstlich, dass es keine anderen als jene drei Ausdehnungen gibt, weil die Drei alles, die Dreiheit allseitig ist?10 Wird dies nicht durch die Autorität und die Lehre der Pythagoreer bekräftigt, wonach alles durch die Drei, nämlich durch Anfang, Mitte und Ende bestimmt ist, diese also anzusehen ist als die Zahl der Allheit? Und vergesst Ihr denn ganz den weiteren Grund, dass nämlich gewissermaßen nach einem Naturgesetz besagte Zahl bei den Opfern für die Götter Anwendung findet, dass man, der Weisung der Natur vollkommen entsprechend, bei Dingen, die in der Dreizahl vorkommen, nicht aber bei einer geringeren Zahl, vona l l e nspricht? Denn wenn es sich um zwei Dinge handelt, sagt manb e i d eund nichta l l e ;wohl aber sagt man so bei dreien. Diese ganze Entwicklung findet Ihr im zweiten Paragraphen. Im dritten liest man ad pleniorem scientiam10, dass die BegriffeJ e d e s ,A l lundV o l l k o m m e n e sbegrifflich identisch sind, dass also von den ausgedehnten Größen der Körper allein vollkommen ist, da nur er durch die Drei bestimmt ist, welche der Ausdruck der Allheit ist. Da er ferner in dreierlei Richtung geteilt werden kann, so ist er in allen Richtungen teilbar, während von den beiden anderen Größen die eine bloß auf eine, die andere auf zwei Weisen teilbar ist. Es entspricht nämlich die Teilbarkeit und Stetigkeit der Zahl der Dimensionen; daher ist die Linie nur in einer Richtung, die Fläche in zweien stetig, der Körper hingegen in allen. Gibt er sodann für die in Rede stehende Behauptung im vierten Paragraphen, nach einigen anderen Lehrsätzen, nicht noch einen weiteren Grund an? Jeder Fortschritt, sagt er, hat einen bisher vorhandenen Mangel zur Voraussetzung – und daher ist es ein Fortschritt, wenn man von der Linie zur Fläche übergeht, da jene der Breite ermangelt –, das Vollkommene kann aber nicht mangelhaft sein, da es allseitig ist; man kann also

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