Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei

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Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme - Galileio Galilei

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aus zur Genüge erwiesen, dass es über die drei Ausdehnungen der Länge, Breite und Tiefe hinaus einen Übergang zu einer weiteren nicht gibt und dass darum der Körper, der sie sämtlich besitzt, vollkommen ist?

      Salv. Bei all diesen Erörterungen habe ich mich, offen gesagt, höchstens zu dem einen Zugeständnis bewogen gefühlt, dass dasjenige, was Anfang, Mitte und Ende hat, vollkommen zu nennen ist. Dass aber darum, weil Anfang, Mitte und Ende eine Dreiheit bilden, die Zahl Drei vollkommen wäre und die Fähigkeit besäße, diese Vollkommenheit auf jede Dreiheit von Dingen zu übertragen, dies zuzugeben fühle ich mich nicht im Mindesten bewogen. Ich kann z. B. nicht fassen und verstehen, dass etwa in Ansehung der Beine die Zahl Drei vollkommener wäre als Vier oder Zwei, oder dass die Zahl Vier als Zahl der Elemente unvollkommen sei, der Drei hingegen eine höhere Vollkommenheit zukäme. Besser wäre es also, man überließe derlei Nichtigkeiten Schönrednern und begründete seine Behauptung mit einem strengen Beweise, wie es sich in den deduktiven Wissenschaften gehört.

      Simpl. Ihr nehmt wohl diese Gründe nicht ernsthaft, und doch gehen all derartige Betrachtungen auf die Pythagoreer zurück, die den Zahlen eine so hohe Bedeutung beilegten. Es scheint, als ob Ihr, der Ihr Mathematiker seid und, wie ich glaube, in vielen Fragen Anhänger der pythagoreischen Schule, auf einmal deren Mysterien geringschätzig behandelt.

      Göttlichkeit des menschlichen Intellekts, weil er das Wesen der Zahlen begreift, nach Ansicht Platos.

      Die pythagoreischen Zahlengeheimnisse sind Märchen.

      Salv. Dass bei den Pythagoreern die Wissenschaft von den Zahlen im höchsten Ansehen stand, und sogar Plato11 den menschlichen Intellekt bloß darum bewunderte und ihn als gleichartig mit der göttlichen Vernunft betrachtete, weil er das Wesen der Zahlen begreife, ist mir wohlbekannt, ja ich neige der nämlichen Ansicht zu. Aber ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass die geheimnisvollen Eigenschaften, derentwegen Pythagoras und seine Schule die Zahlenlehre so hoch schätzten, jene Albernheiten sein sollten, die im Volksmunde und in den landläufigen Büchern spuken. Ich weiß vielmehr, dass sie jene Wunder nicht den Schmähungen und der Verachtung des großen Haufens preisgeben wollten, dass sie die Veröffentlichung der tief verborgenen Zahleneigenschaften und der von ihnen entdeckten inkommensurabeln und irrationalen Größen als eine Profanation verurteilten und lehrten, dass, wer sie offenbare, dafür im Jenseits zu büßen habe. Einer oder der andere mag daher, um den gemeinen Mann abzuspeisen und sich seinen Fragen zu entziehen, ihm gesagt haben, die Zahlengeheimnisse bestünden in jenen Spielereien, die sich nachher im Volke verbreiteten. Es war das ebenso vorsichtig und bedacht, wie das Verfahren jenes klugen jungen Mannes, der seiner Mutter oder seiner neugierigen Frau – ich weiß nicht mehr sicher –, die ihn bestürmte, ihr die geheimen Verhandlungen des Senats mitzuteilen, ein Märchen aufband, um ihre lästigen Fragen los zu werden, so dass sie nebst vielen anderen Weibern vor selbigem Senate sich aufs Höchste lächerlich machten.12

      Simpl. Ich gehöre nicht zu denen, welche nach den Mysterien der Pythagoreer sonderlich lüstern sind. Aber ich entgegne, um auf unseren Gegenstand zurückzukommen: Die von Aristoteles vorgebrachten Gründe dafür, dass die Anzahl der Dimensionen mehr als drei weder beträgt, noch betragen kann, erscheinen mir zwingend; auch glaube ich, dass, wenn es einen strengeren Beweis gäbe, Aristoteles ihn nicht verschwiegen hätte.

      Sagr. Setzt wenigstens hinzu, wenn er ihn gekannt oder sich seiner erinnert hätte. Aber Ihr, Signore Salviati, würdet mir einen großen Gefallen tun, wenn Ihr einen augenscheinlichen Beweis beibringen wolltet; nur muss er so fasslich sein, dass ich ihn verstehen kann.

      Salv. Nicht nur Ihr, auch Signore Simplicio wird ihn verstehen, ja er ist Euch, wenn auch unbewussterweise längst bekannt.13 Zu besserem Verständnis wollen wir Papier und Feder benutzen, die ich für solche Gelegenheiten hier schon bereit sehe, und eine kleine Zeichnung entwerfen. Wir markieren zunächst zwei Punkte A und B; verbinde ich dieselben einmal durch die krummen Linien A C B und A D B, dann durch die Gerade A B, so frage ich Euch, welche dieser Linien nach Eurer Meinung die Entfernung zwischen den Endpunkten A und B bestimmt und weshalb?

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      Sagr. Nach meiner Meinung die gerade Linie und nicht die krummen, teils weil jene die kürzeste ist, teils weil sie einzig in ihrer Art und bestimmt ist, während es von den anderen unzählige gibt, die untereinander ungleich und länger als die gerade Linie sind; jede Messung aber muss nach meiner Ansicht von dem ausgehen, was einzig in seiner Art und selber bestimmt ist.

      Salv. Wir haben also in der geraden Linie ein Maß für die Strecke zwischen zwei Punkten. Fügen wir jetzt eine andere gerade Linie hinzu, welche der Linie A B parallel ist und C D heißen möge, so dass zwischen beiden eine Fläche gelegen ist; ich möchte, dass Ihr mir die Breite derselben angeben wolltet. Sagt mir also, nach welchem Punkte und in welcher Weise Ihr, von dem Endpunkte A ausgehend, zu der Linie C D gelangen wollt, um mir die Breite des zwischen beiden Linien enthaltenen Flächenstücks anzugeben; ich meine, ob Ihr dieselbe bestimmen wollt mittels der Länge der Kurve A E oder der Geraden A F oder ...

      Simpl. Mittels der Geraden A F und nicht mittels der krummen Linie, da die krummen Linien zu solchem Zweck bereits als untauglich sich erwiesen haben.

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      Sagr. Was mich betrifft, so würde ich weder die eine noch die andere benutzen; denn, wie ich sehe, geht die Gerade A F in schiefer Richtung. Ich möchte vielmehr eine Linie ziehen, die rechtwinklig auf C D steht; denn diese und diese allein scheint mir die kürzeste zu sein im Gegensatz zu den unendlich vielen größeren und unter sich ungleichen, welche von dem Endpunkte A nach anderen und anderen Punkten der gegenüberliegenden Linie C D sich ziehen lassen.

      Salv. Eure Wahl und der Grund, den Ihr dafür anführt, scheinen mir vortrefflich. Wir haben also bis jetzt das Ergebnis, dass die erste Dimension durch eine gerade Linie bestimmt wird; die zweite, nämlich die Breite, ebenfalls durch eine gerade Linie, die mit jener anderen, die Länge bestimmenden einen rechten Winkel bildet. So also haben wir die zwei Dimensionen der Fläche bestimmt, die Länge und Breite. Wenn Ihr nun aber eine Höhe zu bestimmen habt, wie hoch z. B. die Decke dieses Zimmers über dem Fußboden sich befindet, so kann man doch von einem beliebigen Punkte der Decke unendlich viele teils gerade, teils krumme Linien, alle von verschiedener Länge, nach unendlich vielen Punkten des darunter befindlichen Bodens ziehen. Welche von genannten Linien würdet Ihr nun zu Eurem Zwecke benutzen?

      Sagr. Ich würde an der Decke einen Faden befestigen und ihn durch eine daran hängende Bleikugel sich ungehindert ausdehnen lassen, bis er den Boden berührt. Die Länge dieses Fadens, als einer geraden Linie und zwar der kürzesten von allen Linien, die von selbigem Punkte nach dem Boden sich ziehen lassen, würde ich als die wahre Höhe des Zimmers betrachten.

      Salv. Ganz richtig. Wenn Ihr dann von dem Punkte des Fußbodens, der durch das Ende des hängenden Fadens bezeichnet ist – der Boden als waagrecht angenommen, nicht etwa als geneigt – zwei andere gerade Linien ausgehen lasset, eine in Richtung der Länge, die andere in Richtung der Breite des Bodens, welche Winkel werden diese mit dem Faden bilden?

      Sagr. Sie werden selbstverständlich rechte Winkel bilden, wenn der Faden lotrecht und der Boden ganz eben und genau waagrecht ist.

      Salv. Wenn Ihr also irgendeinen Punkt zum Anfang und Ausgangspunkt der Messung macht und von ihm eine gerade Linie ausgehen lasst, die zur Bestimmung der ersten Ausdehnung, der Länge, dienen soll, so wird notwendigerweise diejenige, welche die

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