Über die Freiheit. John Stuart Mill

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Über die Freiheit - John Stuart Mill Kleine philosophische Reihe

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die hier berührt werden, pochen heute noch kräftiger als damals an die Pforte der Zeit; sie sind indessen allgemeiner, ihre Lösung dringlicher geworden. Was damals in präziser Form kaum mehr als Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen war, ist nunmehr zur Tagesfrage ausgewachsen, die die Menge bewegt und erregt, in der Gesetzgebung, in der Presse, kurz überall in der Öffentlichkeit laut ihr Dasein äußert. Diesem Werke kann daher neben seinem hohen wissenschaftlichen Wert ein bedeutendes aktuelles Interesse nicht abgesprochen werden.

      WIDMUNG

      Dem teuren und schmerzlichen Angedenken derjenigen, die Anregerin und zum Teil Verfasserin des Besten, was in meinen Schriften enthalten ist, war; der Freundin und Gattin, deren hoher Sinn für Wahrheit und Recht für mich die kräftigste Aufmunterung, deren Zustimmung mein höchster Lohn war – widme ich dieses Werk. Wie alles, was ich Jahre hindurch geschrieben habe, gehört auch dieses Buch ihr nicht minder an als mir; in seiner vorliegenden Gestalt hat es aber nur in einem sehr ungenügenden Grade den unschätzbaren Vorzug gehabt, von ihr durchgesehen werden zu können. Einige der wichtigsten Teile waren einer sorgsameren Prüfung bestimmt, die sie nunmehr nicht erhalten sollen. Wäre ich imstande, der Welt auch nur die Hälfte der hohen Gedanken und edlen Gefühle darzulegen, die mit ihr ins Grab gebettet wurden, so wäre ich der Mittler eines größeren Verdienstes, als jemals aus dem entstehen kann, was ich ohne Rat und Tat ihrer unvergleichlichen Weisheit zu schreiben vermag.

      John Stuart Mill

      ERSTES KAPITEL

      Einleitung

      Der Gegenstand dieses Essays ist nicht die sogenannte Freiheit des Willens, welche so unpassend der irrig benannten Lehre von der philosophischen Notwendigkeit gegenüber gestellt wird, sondern die bürgerliche oder soziale Freiheit: die Natur und Grenzen der Macht, welche berechtigterweise von der Gesellschaft auf das Einzelwesen ausgeübt wird. Es ist dies eine Frage, die nur selten aufgeworfen und im Allgemeinen kaum erörtert wurde, die aber die praktischen Kontroversen der Zeit durch ihre verborgene Anwesenheit stark beeinflusst hat und sich für die Zukunft gleichsam als Lebensfrage zu erkennen gibt. Sie ist insofern nicht neu, als sie, in einem gewissen Sinne, die Menschheit seit den frühesten Tagen in Parteien gespalten hat; aber in dem Zustand des Fortschritts, in welchem sich die zivilisierteren Teile der Menschheit nun befinden, äußert sie sich unter neuen Bedingungen und heischt eine unterschiedliche und gründlichere Behandlung.

      Der Kampf zwischen Freiheit und Autorität ist der auffälligste Zug in denjenigen Teilen der Geschichte, mit welchen wir am frühesten vertraut sind, besonders in denen von Griechenland, Rom und England. Aber in alter Zeit bestand diese Gegnerschaft zwischen Untertanen oder einigen Klassen von Untertanen und der Regierung. Freiheit bedeutete Schutz gegen die Tyrannei der politischen Herrscher. Die Herrscher wurden (ausgenommen bei einigen der volkstümlichen Regierungen Griechenlands) als notwendigerweise gegnerisch dem von ihnen beherrschten Volke betrachtet. Sie waren Einzelherrscher oder ein herrschender Stamm, eine herrschende Kaste, die ihre Autorität von Erblichkeit oder Eroberung ableiteten, sie unter allen Umständen nicht zum Vergnügen der Beherrschten gegeben erachteten, und deren Übergewicht man nicht anzutasten wagte, vielleicht auch nicht wollte, welche Vorsichtsmaßregeln auch immer gegen ihre bedrückende Ausübung getroffen werden mochten. Ihre Macht galt als nötig, aber auch als höchst gefährlich, als eine Waffe, die sie geneigt sein könnten gegen ihre Untertanen nicht minder zu – gebrauchen als gegen äußere Feinde. Um die schwächeren Mitglieder der Gemeinschaft davor zu schützen, dass sie nicht die Beute zahlreicher Geier werden, war es nötig, dass ein Raubtier vorhanden sei, das stärker als die andern ist, berechtigt, diese niederzuhalten. Da aber der König der Raubvögel nicht minder als einer der Geringeren geneigt sein mochte, beutegierig auf die Herde zu stoßen, so war es unerlässlich, gegen seinen Schnabel und feine Krallen in stetem Verteidigungszustand zu sein. Das Ziel der Patrioten war daher Schranken zu setzen der Macht, welche der Herrscher über die Gemeinschaft ausübte, und diese Einschränkung war es, was sie unter Freiheit verstanden. Sie wurde auf zweierlei Wegen versucht. Erstens, indem die Anerkennung gewisser unverletzlicher Bestimmungen herbeigeführt wurde, die politische Freiheiten oder Rechte genannt wurden, deren Missachtung als Pflichtbruch des Herrschers betrachtet wurde, so dass in diesem Falle ein besonderer Widerstand oder eine allgemeine Rebellion für gerechtfertigt galt. Ein zweites, allgemein späteres Mittel war die Herstellung konstitutioneller Schranken, wodurch die Zustimmung der Gemeinschaft oder irgendeiner Körperschaft, von der angenommen wurde, dass sie die allgemeinen Interessen vertrete, als notwendige Bedingung für einige der wichtigeren Handlungen der regierenden Macht festgesetzt wurde. Jener ersten Art und Weise der Einschränkung mussten sich die Herrscher der meisten europäischen Länder mehr oder minder unterwerfen. Anders war es mit der zweiten, und diese herzustellen oder sie zu vervollständigen, wo sie bereits einigermaßen vorhanden war, wurde überall der Hauptgegenstand der Freiheitsfreunde. Und solange die Menschheit damit zufrieden war, einen Feind mit dem andern zu bekämpfen und von einem Herrn regiert zu werden, unter der Bedingung, gegen seine Tyrannei mehr oder minder geschützt zu sein, ging sie mit ihren Bestrebungen über dieses Ziel nicht hinaus.

      Im Laufe des menschlichen Fortschrittes kam jedoch eine Zeit, wo die Menschen es nicht mehr für eine Naturnotwendigkeit hielten, dass ihre Herrscher eine unabhängige Macht seien, deren Interessen den ihrigen entgegenständen Es dünkte sie viel besser, dass die verschiedenen Staatsbehörden ihre Bevollmächtigten oder Abgeordneten seien, die beliebig abberufen werden könnten. Derart schien ihnen eine vollkommene Sicherheit gegeben, dass die Herrschermacht nicht zu ihren Ungunsten je missbraucht werde. Allmählich wurde diese neue Forderung nach gewählten und zeitweiligen Herrschern der Hauptgegenstand der Volkspartei, wo eine solche vorhanden war, und ersetzte in beträchtlicher Ausdehnung die früheren Bemühungen die Herrschermacht einzuschränken. Als nun der Kampf um die Abhängigkeit der Herrschermacht von der periodischen Wahl der Beherrschten sich kräftiger äußerte, neigten sich manche der Meinung zu, man habe der Beschränkung dieser Macht selbst zu viel Bedeutung beigelegt. Jene war (mochte es scheinen) ein Hilfsmittel gegen Herrscher, deren Interessen regelmäßig denen des Volkes entgegenstanden. Was jetzt nötig schien, das war, dass die Herrscher mit dem Volk Eins seien, dass ihr Interesse und Wille denen des Volkes gleichkämen. Das Volk brauchte gegen seinen eigenen Willen nicht beschützt zu werden. Es war nicht zu befürchten, dass es sich selbst tyrannisieren werde. Lasst die Herrscher dem Volke tatsächlich verantwortlich sein, lasst ihm die Möglichkeit, sie rasch zu entfernen, und es kann sie mit einer Macht ausrüsten, deren Gebrauch es ja selbst vorzuschreiben vermag. Die Macht der Herrscher ist dann nur die angesammelte und für die Ausübung in geeignete Form gebrachte Macht des Volkes selbst. Diese Weise zu denken – oder vielleicht zu fühlen – war unter der letzten Generation des europäischen Liberalismus allgemein und scheint auf dem europäischen Festlande noch vorzuherrschen. Diejenigen, die eine Beschränkung dessen, was die Regierung tun darf, zugeben – ausgenommen solcher Regierungen, die ihres Erachtens nicht bestehen sollten –, stehen als glänzende Ausnahmen unter den politischen Denkern des Kontinents. Eine ähnliche Empfindungsweise würde jetzt auch in England vorwiegen, wenn die Umstände unverändert geblieben wären, die eine Zeitlang dafür sprachen.

      In politischen und philosophischen Theorien aber, wie auch bei einzelnen Personen, deckt der Erfolg Fehler und Schwächen auf, die bei einem Misserfolg der Beobachtung wohl verborgen geblieben wären. Die Meinung, dass das Volk nicht nötig habe, die Macht einzuschränken, die es über sich selbst ausübt, konnte als feststehend gelten, solange Volksherrschaft nur ein Traumgebilde war oder solange man nur von ihr las, sie habe in irgendeiner weit zurückliegenden Vergangenheit bestanden. Diese Ansicht wurde nicht notwendigerweise gestört durch zeitweilige Abweichungen, wie die Französische Revolution, deren Ärgstes das Werk einer usurpierenden Kleinzahl war und zumeist nicht aus der anhaltenden Wirksamkeit volkstümlicher Einrichtungen hervorgegangen ist, sondern ein plötzlicher und krampfhafter Ausbruch gegen monarchischen und aristokratischen Despotismus war. Indessen hat sich aber eine demokratische Republik über einen großen Teil der Erdoberfläche ausgebreitet und macht sich als eines

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