Über die Freiheit. John Stuart Mill

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Über die Freiheit - John Stuart Mill Kleine philosophische Reihe

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der Freiheit mit den Ketzern im Allgemeinen gemeinschaftliche Sache zu machen. Der einzige Fall, wo dieser höhere Standpunkt nicht nur von einzelnen grundsätzlich angenommen und beharrlich behauptet wurde, ist der des religiösen Glaubens: ein nach mehreren Richtungen hin lehrreicher Fall, der ein höchst treffendes Beispiel von der Fehlbarkeit dessen bildet, was sittliches Gefühl genannt wird. Das Odium theologicum eines aufrichtigen Glaubenseiferers ist eines der entschiedensten Fälle von Moralgefühl. Diejenigen, die zuerst das Joch der Kirche brachen, die sich selbst »universell« (katholisch) nennt, waren im Allgemeinen ebenso wenig wie diese Kirche selbst geneigt, eine Abweichung der religiösen Meinung zu gestatten. Als aber die Hitze des Kampfes vorüber war, ohne dass eine der Parteien einen vollständigen Sieg erfochten hätte und jede Kirche oder Sekte ihre Hoffnungen darauf beschränken musste, das bereits eingenommene Gebiet zu behaupten, fanden sich die Minderheiten genötigt, weil keine Aussicht vorhanden war, dass sie zu Mehrheiten werden könnten, diejenigen, die sie nicht bekehren konnten, um Duldung ihres abweichenden Glaubens zu ersuchen. Fast nur auf diesem Kampffelde allein sind daher die Rechte des Einzelwesens gegen die Gesellschaft auf der breiten Grundlage von Prinzipien vertreten worden und der Anspruch der Gesellschaft, eine Autorität über Abweichungen auszuüben, offen bestritten worden. Die großen Schriftsteller, denen die Welt alles, was sie an religiöser Freiheitbesitzt, verdankt, haben die Gewissensfreiheit als ein unantastbares Recht hingestellt und entschieden geleugnet, dass ein menschliches Wesen dem andern Rechenschaft über seine religiöse Überzeugung geben müsse. Allein so natürlich ist dem Menschen in allem, was ihn näher berührt, die Unduldsamkeit, dass die Glaubensfreiheit kaum irgendwo sich praktisch verwirklicht hat, ausgenommen dort, wo religiöse Gleichgültigkeit, die ihren Frieden nicht von theologischem Gezänke stören lassen wollte, ihr Gewicht in die Waagschale geworfen hat. Bei allen religiösen Leuten, selbst in den duldsamsten Ländern, wird die Pflicht der Toleranz im Inneren nur mit einem stillen Vorbehalt zugegeben. Der eine ist wohl geneigt, eine abweichende Meinung über die Kirchenleitung zu dulden, nicht aber über Dogmen; der andere kann alles ertragen, nur nicht einen Papisten oder einen Unitarier; ein dritter wieder ist jedem geneigt, der an die geoffenbarte Religion glaubt; einige wenige dehnen ihre Nächstenliebe noch weiter aus, aber nur soweit der Glaube an Gott und das Jenseits vorhanden ist. Wo immer das Gefühl der Mehrheit noch echt und tiefgehend ist, wird man diese Ansprüche an Gläubigkeit nur um weniges verringert finden.

      In England ist, nach den eigentümlichen Verhältnissen der Staatsentwicklung, das Joch der öffentlichen Meinung vielleicht schwerer, das des Gesetzes jedoch leichter als in den meisten anderen Ländern Europas. Wir finden hier eine rege Eifersucht gegen jede direkte Einmischung der Gesetzgebung oder Verwaltung in das Privatleben; sie entstand nicht so sehr aus einer gerechten Würdigung der Unabhängigkeit des Individuums als aus der noch vorhandenen Gewohnheit, bei der Regierung stets ein der Gesamtheit entgegengesetztes Interesse anzunehmen. Die Mehrheit hat noch nicht gelernt, die Macht der Regierung als ihre eigene Macht oder deren Meinungen als ihre eigenen Meinungen zu empfinden. Geschieht dies einmal, so wird die individuelle Freiheit wahrscheinlich von der Regierung nicht minder einem Eingriff ausgesetzt sein, als sie es bereits seitens der öffentlichen Meinung ist. Bisher aber ist das Gefühl sehr verbreitet und rege, das jedem gesetzlichen Versuch, die Einzelwesen in Dingen zu beaufsichtigen, die bis jetzt einer Aufsicht entzogen waren, widerstrebt, und das mit sehr geringer Unterscheidung, ob die Sache innerhalb der berechtigten Sphäre einer gesetzlichen Aussicht liegt; dieses Gefühl, im Ganzen höchst heilsam, ist daher in einzelnen Fällen vielleicht ebenso oft schlecht wie gut angewandt. Ein anerkanntes Prinzip, wonach die Berechtigung oder Nichtberechtigung einer Einmischung der Regierung gewohnheitsmäßig beurteilt werden könnte, ist tatsächlich nicht vorhanden. Die Leute entscheiden nach ihrem persönlichen Gutdünken. Manche würden, wo immer etwas Gutes zu vollbringen oder etwas Böses zu verhindern wäre, gern die Regierung zur Ausführung dieser Maßregeln veranlassen, während andere wieder vorziehen, lieber jede Bürde sozialer Übel auf sich zu nehmen, ehe sie den menschlichen Angelegenheiten, die einer Regierungsaufsicht unterliegen, ein neues Gebiet zufügen. In jedem besonderen Falle stellen sich die Leute auf die eine oder auf die andere Seite, je nach der allgemeinen Richtung ihrer Empfindungen oder auch je nach dem Grad von Interesse an einer besonderen Sache, welche die Regierung vollbringen sollte, oder auch je nach der Meinung, dass die Regierung in ihrem Sinne verfahren werde oder nicht. Aber nur sehr selten geschieht es infolge einer gefesteten Ansicht über das, was von der Regierung auszuführen sei. Und mir will scheinen, dass man nun infolge dieses Mangels einer Regel oder eines Prinzips auf der einen Seite ebenso oft im Unrecht ist, wie auf der andern. Die Einmischung der Regierung wird ungefähr im gleichen Maße mit Unrecht angerufen, wie mit Unrecht verschmäht.

      Der Gegenstand dieses Essays ist, einen sehr einfachen Grundsatz nachzuweisen, der die Betätigung von Einschränkung und Aufsicht der Gesellschaft über das Individuum unbedingt beherrschen sollte, mögen nun die angewandten Mittel physische Kraft in Form von gesetzlichen Strafen oder moralischer Zwang der öffentlichen Meinung sein. Dieser Grundsatz ist: dass das einzige Ziel, um dessentwillen die Menschheit, einzeln oder vereint, das Recht hat, sich in die Freiheit des Handelns eines der ihrigen zu mischen, der Selbstschutz ist; dass der einzige Zweck, um dessentwillen die Macht über irgendein Mitglied einer zivilisierten Gemeinschaft gegen seinen Willen berechtigterweise ausgeübt werden kann, der ist, dass die Benachteiligung eines andern verhindert werde. Sein eigenes physisches oder moralisches Wohl bietet keine ausreichende Rechtfertigung. Er kann nicht rechtlich gezwungen werden, etwas zu tun oder zu unterlassen, weil es besser für ihn wäre, weil es ihn glücklicher machte, weil er, nach der Meinung anderer, dadurch klüger oder selbst rechtlicher handeln würde. Dies sind wohl gute Gründe, um ihm Vorstellungen zu machen, ihn zu überreden, zu überzeugen oder zu ersuchen, aber keineswegs um ihn zu zwingen, oder wenn er anders handelt, mit irgendwelchem Übel heimzusuchen. Um dieses zu rechtfertigen, muss die Handlungsweise, von der man ihn abbringen will, derart sein, dass sie irgendeinem andern Schaden bringen könnte. Nur soweit eine Handlungsweise andere betrifft, ist der Mensch der Gesellschaft verantwortlich. Soweit sie ihn selbst betrifft, ist seine Unabhängigkeit rechtlich unbeschränkt. Über sich selbst, seinen Leib, seine Seele ist das Individuum unbeschränkter Herrscher.

      Es ist vielleicht kaum nötig beizufügen, dass diese Lehre nur für menschliche Wesen mit ausgereiften Geisteskräften gilt. Wir reden nicht von Kindern oder von jungen Leuten, die noch nicht das Alter erreicht haben, welche das Gesetz für die Mündigkeit festgestellt hat. Wer noch in dem Zustand, dass andere für ihn sorgen müssen, sich befindet, muss gegen seine eigene Handlungsweise ebenso geschützt werden, wie gegen äußeren Unbill. Aus demselben Grunde können wir hier diejenigen zurückgebliebenen Gesellschaftszustände außer Acht lassen, wo das Volk noch als unmündig betrachtet werden kann. Die Anfangsschwierigkeiten auf dem Wege selbsttätigen Fortschritts sind so groß, dass nur selten eine Wahl über die Winkel, sie zu überwinden, übrig bleibt; und ein vom Geist der Verbesserung erfüllter Herrscher ist berechtigt, alle Mittel zum Ziele anzuwenden, das anderseits vielleicht nicht erreicht werden könnte. Der Despotismus ist rohen Völkern gegenüber die berechtigte Regierungsweise, vorausgesetzt, dass er die Verbesserung anstrebt und die Mittel den Zweck tatsächlich rechtfertigen. Als Prinzip hat die Freiheit dort nicht Anwendung zu finden, wo der Zustand der Dinge vor der Zeit liegt, wo die Menschen der Verbesserung durch freie und friedliche Erörterung fähig sind. Bis dahin ist nichts für sie geeignet als unbedingte Gehorsamkeit gegen einen Akbar oder Karl den Großen, wenn sie glücklich sind, einen zu finden. Sobald jedoch die Menschheit die Fähigkeit erreicht hat, durch Überzeugung oder Überredung ihrer eigenen Verbesserung zugeführt zu werden (eine Periode, die alle Völker, welche hier in Betracht kommen, schon längst erreicht haben), ist jeder Zwang, erfolge er unmittelbar oder in Form von Leiden und Strafen wegen Ungehorsamkeit, nicht länger als Mittel zu ihrem eigenen Besten zulässig und einzig nur zur Sicherheit anderer gerechtfertigt.

      Es ist hier zu bemerken am Platze, dass ich von jedem Vorteil absehe, der für meine Beweisführung aus dem Begriff eines abstrakten, von der Nützlichkeit unabhängigen Rechts abgeleitet werden könnte. Ich betrachte die Nützlichkeit als den Schlussstein aller ethischen Fragen, aber es muss Nützlichkeit im weitesten Sinne sein, gegründet auf die dauernden Interessen eines Menschen als fortschreitendes Wesen. Diese Interessen, behaupte ich, rechtfertigen die Unterwerfung individuellen Eigenwillens

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