Waldpfade Hamburg. Stefanie Sohr
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Lüneburger Heide
Bei der Lüneburger Heide denkt man an lila blühende offene Landschaften. Zu 60 % aber besteht die traumhaft schöne Region südöstlich von Hamburg aus Wald. Darunter sind echte Bilderbuchexemplare. Heidjer kennen sich einfach aus in Landschaftspflege, und sie haben sich einiges einfallen lassen, um Gäste für die Wälder zu begeistern. Spitzenwanderwege, Thementouren und besondere Waldvergnügen machen die Lüneburger Heide zu einem tollen Wander- wie Familienziel. Wer mit Kindern reist, ist hier richtig.
Waldluft schnuppern
Jede Waldwanderung, jeder noch so kleine Waldspaziergang beginnt mit einem krassen Szenenwechsel. Die Luft wird spürbar kühler, das Licht schummrig. Geräusche dringen nur noch gedämpft ans Ohr. Hielt man sich eben noch für groß, relativiert sich das angesichts mächtiger Baumriesen. Und wer dachte, er sei alt, fühlt sich ihnen gegenüber ziemlich jung. Das alles passiert schon auf dem ersten Schritt. Und dann geht es erst richtig los.
Der erste Atemzug ist auch ein inneres Aufatmen. Wälder duften ungeheuer intensiv: erdig, würzig, frisch und je nach Jahreszeit verschieden. Sonnenwarmer Waldboden riecht ganz anders als frisch geschlagenes Holz im Winter. Das Aroma von Herbstlaub ist mit Frühlingsduft nicht zu verwechseln. Schließt man die Augen und atmet tief ein, nimmt man es besonders bewusst wahr und macht feinere Nuancen aus. Der Duft von Tannen etwa trägt Weihnachtserinnerungen in sich. Der Duft von Kiefern versetzt glatt in den Sommerurlaub in skandinavischer Ferne (zum Beispiel auf Tour 16 in den Holmer Sandbergen). Nachweislich wirkt Waldduft beruhigend. Er ist ein perfektes Anti-Stressmittel. Das hat er mit der Farbe Grün gemeinsam.
Vielleicht Hamburgs schönste Ruhebank, TOUR 11
Grün sehen
Waldgrün. Das ist hellgrün und dunkelgrün, maigrün, frühlingsgrün, lichtgrün, knallgrün und giftgrün, schilfgrün und blassgrün, ist farngrün, moosgrün, efeugrün, tannengrün, fichtengrün, kieferngrün, schattengrün, schwarzgrün und etliche Grüntöne mehr. Bis es Herbst wird und die Farben explodieren. Dann sind Aussichtstürme eine prima Sache, wie der Lange Otto in Hahnheide (Tour 19) oder Panoramawege mit Weitblick im Fischbektal (Tour 9). Selbst im Winter bleiben Wälder ein visuelles Erlebnis. Zwar kann man in Hamburg nur selten durch tiefverschneite Tannen stapfen. Doch es ist keine schlechte Idee, sich schon einmal eine Tour für den unwahrscheinlich Glücksfall vorzumerken. Nur zur Sicherheit, damit man nicht vor lauter Schreck doch wieder bloß im Pulk um die Alster marschiert. Stimmungsvoller sind die Erholungswälder, deren Sommerwege sich allesamt auch fürs Winterwandern eignen. Im Klövensteen (Tour 10) oder im Niendorfer Gehege (Tour 14) sorgen zudem tierische Waldbewohner für reichlich Abwechslung.
Unter Baumriesen, TOUR 1
Heideblüte in Hamburg, TOUR 9
Die norddeutschen Laubwälder sind oft sonnendurchflutet und daher artenreicher als Nadelwälder. Frühblüher haben sich darauf perfekt eingerichtet. Lange bevor Bäume und Sträucher ihre Blätter ausbilden, strecken die ersten Schneeglöckchen ihre Triebe aus dem Boden. Es folgen Märzenbecher, Leberblümchen, Scharbockskraut und Buschwindröschen und andere Frühlingsboten. Bis sich schließlich das frische Maigrün wieder vordrängelt und alles von vorn beginnt.
Eine weitere spannende visuelle Erfahrung besteht für Norddeutsche darin, nicht bis zum Horizont blicken zu können. Auf den besten, den verschlungenen Pfaden, sieht man häufig nur einige Meter weit. So macht es gar keinen Sinn, ständig vorausschauen zu wollen. So bleibt man ganz im Hier und Jetzt und lässt sich überraschen, was hinter der nächsten Kurve liegt. Es stimmt tatsächlich, was man sagt: Wird ein Sinn weniger genutzt, übernimmt ein anderer umso stärker.
Der Wald steht schwarz und schweiget
Waldgeräusche machen glücklich. Man denke nur an das Klopfen eines Spechts oder an Vogelgezwitscher. An Tannenzapfen, die zu Boden fallen und das Rascheln der Blätter beim Herbstspaziergang. An abendliche Froschkonzerte und den Ruf eines Käuzchens in der Dämmerung. An Wind, der Baumkronen zum Rauschen und Äste zum Knarren bringt. Und an Stille. Waldstille kann so tief sein, dass man das eigene Herz klopfen hört. Es mag sogar einen Satz machen, wenn plötzlich im Unterholz ein Zweig bricht. Die schönsten Waldmelodien singen natürlich die großen Wälder, wo die Zivilisation ganz weit weg scheint. Doch selbst in den kleinsten Naturoasen lassen sich Momente herrlicher Ruhe erfahren. Als Faustregel gilt: An Wochentagen ist es ruhiger als am Wochenende. Vormittags ist weniger los als nachmittags. Und im Frühling ertönt der Jubel der Vögel am lautesten.
Seerosen auf dem Rüdigerteich, TOUR 10
Den Wald schmecken
Waldhonig, Waldmeister, Waldbeeren, Waldkräuter. Pilze natürlich. Und Wild. Der Tisch ist reich gedeckt im Wald. Wer weder Tiere erlegen noch sich einen Fuchsbandwurm einhandeln möchte, kann mit Bucheckern fast nichts falsch machen. Sie sind nahrhaft, schmecken nussig und lassen sich vielfältig in der Küche verwenden. In größeren Mengen können sie allerdings Bauchweh verursachen; das liegt am schwachgiftigen Inhaltsstoff Fagin. Geröstet oder mit heißem Wasser übergossen, baut sich Fagin aber schnell ab. Und für den Rest des Waldfests verlässt man sich auf Profis wie die »Unkrautgourmets« von der WaldKräuterey in Ehrhorn (Tour 27). Dort werden Wiesen-Tapas, Gänseblümchen-Limonade und Blütenkuchen serviert. Dagegen klingt die Speisekarte im Forsthaus im Sachsenwald (Tour 20) geradezu traditionell. Doch diese Tradition ist im Wortsinn fürstlich und versteht sich als kulinarische Liebeserklärung an den Wald.
Winter im Wittmoor, TOUR 3
Den Wald fühlen
Mit der Hand über die Rinde eines Baumes fahren. Eine glänzende Kastanie aufsammeln. Über Wege stolpern, in die Wurzeln wie lange knorrige Finger ragen, und auf Baumstämmen balancieren. Spüren, wie der Köper sich aufrichtet, wenn man barfuß über Moosteppiche geht. Es gibt viele sinnliche Erfahrungen zu machen. Und dann ist da noch die Intuition. Die Fantasie wandert immer mit im Wald. Er ist ja eng mit dunklen Geschichten verbunden, mit Waldgeistern und Waldfeen. Dafür muss man gar nicht in einen Märchenwald. Auf den Märchenwanderweg in Jesteburg (Tour 28)