Die Taube auf der Moschee. Marmaduke William Pickthall

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Die Taube auf der Moschee - Marmaduke William Pickthall

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Eltern an dieser Idee festhielten, um die Ausgaben für meine Expedition zu rechtfertigen, hatte ich nie Gefallen daran gefunden, und in dem Augenblick, da ich Ägypten, mein erstes Reiseziel, erreichte, verlor sie für mich jeden Reiz, den sie zu Hause gehabt haben mochte. Denn von da an erlosch mein Interesse für europäische Anliegen, wirkten diese doch in der neuen Umgebung irgendwie unangemessen und falsch. Anfangs versuchte ich dieses Gefühl oder diese Auffassung zu überwinden, da mir dergleichen, solange ich unter Engländern lebte, unrecht erschien. Meine ganze bisherige Erziehung hatte darauf abgezielt, mir die kultische Verehrung der Gewohnheiten einer bestimmten Gesellschaftsschicht aufzudrängen. Zu versuchen, mit Orientalen jedweder Herkunft auf Augenhöhe zu verkehren, war etwas, das von den Menschen, die mir bislang als Vorbild gedient hatten, nie getan, ja nicht einmal in Betracht gezogen wurde.

      Mein heimlicher Wunsch, die Einheimischen des Landes kennenzulernen, wäre wie andere unkonventionelle Wünsche, die ich zuweilen hegte, bis heute unerfüllt geblieben, hätte eine zufällige Begegnung mich nicht vorübergehend von englischer Aufsicht befreit. Meine Verwandten hatten mich mit Empfehlungsschreiben an verschiedene einflussreiche Engländer in Syrien ausgestattet, unter anderem auch an eine hoch angesehene Familie in Jerusalem; und wir hatten vereinbart, dass ich mich nach meiner Ankunft sofort an diese Familie wenden und sie um Rat und Informationen bitten sollte. Doch an Bord des Schiffes, das mich von Neapel nach Port Said brachte, traf ich einen Mann, der diese Leute gut kannte – tatsächlich hatte er jahrelang in ihrem Haus gewohnt – und der die Rolle meines Mentors übernahm. Ich blieb einige Wochen in Kairo, nur weil auch er blieb, und begleitete ihn auf der Überfahrt nach Jaffa. Aus unbekannten Gründen – vielleicht steckte Irrsinn dahinter – wollte er damals nicht, dass ich Jerusalem besuchte. Und als wir in Jaffa ankamen, erzählte er mir allerlei Merkwürdiges über die Familie, die ich besuchen wollte: Die Leute seien überaus exzentrisch und wankelmütig, und ich solle lieber in Jaffa bleiben, bis er mich benachrichtigte, ob ich wirklich willkommen sei. Wie ich später herausfand, handelte es sich um eine dreiste Lüge, eine Verleumdung eines sehr gastfreundlichen Hauses. Doch damals glaubte ich ihm und all seinen Behauptungen, da mir keine anderen Informationen zur Verfügung standen.

      Ich blieb also in Jaffa, in einem kleinen Gasthaus der deutschen Kolonie, das den Vorzug hatte, sauber und billig zu sein, und dort säße ich wohl heute noch, hätte ich auf die Nachricht gewartet, die mir mein Ratgeber versprochen hatte. Während meiner ersten zwei Wochen erschien mir das Leben dort ausnehmend langweilig. Dann nahm sich Mr. Hanauer, der englische Kaplan und berühmte Altertumsforscher, dem mein einsames Dasein offenbar leid tat, meiner an; er führte mich herum und lehrte mich Arabisch. Er stammte aus Jerusalem und liebte Palästina. Meinen geheimen Wunsch, mich mit den Orientalen zu verbrüdern, den ich nach einigem Zögern preisgab, begrüßte er. Und dann lernte ich einen klugen Dragoman, einen der berühmtesten Spaßvögel Syriens, kennen, der zufällig in meiner kleinen Pension wohnte und nichts anderes auf der Welt zu tun hatte als Maulaffen feilzuhalten. Er half mir, das Europäische abzuwerfen und in die Lebensweise der Einheimischen einzutauchen. Mit ihm ritt ich über die Ebene von Sharon, reiste unter Fellâhîn und saß in den Kaffeehäusern von Ramallah, Lydda, Gaza, traf Leute jeglichen Schlages und lernte so den Dialekt mühelos, als wäre es nur ein Spiel. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang saßen wir im Sattel. Wir pilgerten zur Nebi Rubîn, der Moschee am Rand der Marschen an der Küste, auf halbem Wege nach Gaza; wir ritten nordwärts zum Fuß des Carmel; erforschten die Schluchten der Berge von Judäa; besuchten türkische Bäder; aßen die Gerichte der Einheimischen und schliefen in ihren Häusern – befolgten in jeglicher Hinsicht die Bräuche der Landbevölkerung. Und ich staunte, wie sehr ich dieses Leben genoss. In all meinen früheren Jahren hatte ich nie glückliche Menschen gesehen. Diese hier waren glücklich. Sie mochten arm sein, träumten aber nicht von Reichtum. Konkurrenzdenken war ihnen unbekannt, und Streitigkeiten wurden noch immer mit Pferd und Speer ausgetragen. Löhne und Mieten waren Sorgen, von denen sie nie gehört hatten. Es gab keine Klassenunterschiede, so wie wir sie verstehen. Jeder sprach mit jedem. Ungleichheit erwiderten sie mit echter Brüderlichkeit. Manche klagten, sie würden schlecht regiert, was lediglich bedeutete, dass man sie, von bedeutenden Anlässen abgesehen, sich selbst überließ. Eine Regierung, die für jedes Individuum zuständig ist und sich bis zu einem gewissen Grad in den Alltag einmischt, mag von Europäern geschätzt werden, scheint dem Orientalen jedoch unerträglich zu sein. Ich hatte eine Vision der leidenden Völker der Erde, die sich durch ihr Elend genötigt fühlten, die glücklichen Völker ins Unglück zu stürzen; eine Vision, die in späteren Jahren deutlicher wurde. Doch das unbeschwerte Leben des Orients besitzt, wie jeder weiß, der es zu ändern versucht, eine Widerstandskraft, welche die Heerscharen freudloser Plackerei vielleicht noch besiegen kann.

      Mein syrischer Freund, der Suleymân aus den folgenden Skizzen, stellte mich den einzigen Europäern vor, die für solch ein Leben Partei ergriffen – einer französisch-elsässischen Familie, den Baldenspergers, berühmt als Pioniere der fachkundigen Imkerei in Palästina, die gastfreundlich ihren Teil zu meiner Initiation beitrugen. Sie besaßen unzählige Bienenkörbe in verschiedenen Gegenden des Landes – ich habe sie in der Nähe der Gärten von Jaffa und in den Bergen südlich von Hebron gesehen – Körbe, die sie in der entsprechenden Jahreszeit auf Kamelen zu neuen Blumenfeldern transportierten. Lange Zeit ignorierte die Regierung ihr Unternehmen, bis sich das Gerücht verbreitete, es sei sehr einträglich. Also belegte man es mit einer hohen Steuer. Die Baldenspergers weigerten sich, sie zu bezahlen. Sie sagten, die Regierung könne die Bienenkörbe haben, wenn sie wolle. Man schickte Soldaten los, um sie zu beschlagnahmen. Doch die Imker hatten aus jedem Korb den Boden entfernt, und als die Soldaten sie anhoben, schwärmten die zornigen Bienen aus. Die Soldaten ergriffen die Flucht, und nach dieser Erfahrung erklärte sich die Regierung zu einem Kompromiss bereit. Ich erinnere mich noch gut an einen langen Tagesritt mit Emile und Samuel Baldensperger in der Gegend um Askelon und Ekron und an das Mittagessen, das ein Dorfvorsteher für uns aufgetischt hatte, ein ganzes gebratenes Schaf, gefüllt mit Nüssen und Gemüse, und an einen Tag, den ich mit Henri Baldensperger in der Region von Hebron verbrachte. Die in jener Zeit geschlossenen Freundschaften sollten ein Leben lang halten. Hanauer, die Baldenspergers, Suleymân und andere Einheimische zählen, wenn sie nicht gestorben sind, bis heute zu meinen Freunden.

      Kurzum, ich war einige Monate völlig außer Rand und Band, so wie es sich für einen Engländer keineswegs geziemt, und als ich schließlich auf eine dringende Einladung in Jerusalem aufkreuzte und meine Empfehlungsschreiben vorzeigte, tat ich dies zum Teil in der Landestracht und erfüllt von einer Liebe zu den Arabern, die, wie man mir zu verstehen gab, unangemessen war. Meine einheimischen Freunde wurden misstrauisch beäugt. Man sagte mir, sie seien unerwünscht, und als ich für sie eintrat, brachte man mich rasch mit der Bemerkung zum Schweigen, ich sei noch sehr jung. Ich konnte schwerlich behaupten, über so viel Erfahrung zu verfügen wie meine erwachsenen Ratgeber, deren häufige Warnungen, man dürfe den Einheimischen nicht trauen, zu einem jener strengen moralischen Gebote wurden, welche junge Leute insgeheim liebend gern missachten.

      Deshalb werden die ehrwürdigen, in Syrien lebenden Engländer auf diesen Seiten mit wenigen Ausnahmen als abschätzig und feindselig dargestellt. Sie hatten nichts gegen mich persönlich, sondern nur gegen meine Ansichten, zu denen ich mich damals noch nicht bekannte. Tatsächlich waren so viele von ihnen freundlich zu mir, besonders, wenn ich erkrankte, dass ich nur mit herzlicher Verbundenheit an sie denken kann. Doch die Einstellung der meisten von ihnen konnte ich niemals teilen, und die Tatsache, dass ich sie damals durchaus für richtig hielt und mich selbst mitunter als jämmerlichen Abtrünnigen empfand, ließ sie abscheulich erscheinen. In meinem orientalischen Leben waren Engländer, wie hier beschrieben, wirklich missbilligende Schatten im Hintergrund. Mit einem jedoch – der in diesen Geschichten oft Erwähnung findet – stimmte ich immer überein. Wir lebten monatelang in einem kleinen Bergdorf zusammen, und unsere damals geschlossene Freundschaft besteht bis heute. Doch er war eine Ausnahme, wenn auch nicht die einzige.

      Dank des allgemeinen Urteils über meine arabischen Freunde führte ich während der Monate meines ersten Aufenthalts in Jerusalem eine Art Doppelleben, bis am Ende der Touristensaison Suleymân erschien, Abenteuer versprach und ich jede Zurückhaltung aufgab. Wir mieteten zwei Pferde und einen Maultiertreiber und ritten zusammen nach Norden.

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