Die Taube auf der Moschee. Marmaduke William Pickthall

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Die Taube auf der Moschee - Marmaduke William Pickthall

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ihm gestohlen – ein böser Kutscher. Sein Herr wird ihn töten, wenn er sie nicht wiederfindet.«

      Von Neugier gepackt, drängte ich mich nach vorne. Da stand Rashîd an der Mauer einer großen Moschee und warf sich mit einem entsetzlichen Schrei dagegen. Eine Gruppe Soldaten mit hohen Fezen, die Polizei der Stadt, umringten ihn voll Mitgefühl und stellten Fragen. Zum Glück trug ich einen Fez, war also unauffällig.

      »Fünfzig türkische Pfund!«, schrie er. »Für hundert könnte man nichts Gleichwertiges kaufen! Mein Herr, ein bedeutender Graf unter allen Engländern … ihr oberster Fürst, bei Allah! … liebt sie wie seine Seele. Er reißt mir Herz und Leber heraus und wird beides verschlingen. O großer Beschützer! O Allmächtiger!«

      »Wie hat denn dieser Kutscher ausgesehen?«, fragte ein Wachtmeister.

      Rashîd beschrieb schluchzend und mit manch frommer Zwischenbemerkung den Kutscher ziemlich klar als »einäugigen Mann mit Vollbart, die untere Körperhälfte aufgebläht. Sein Name, sagte er, sei Habib; aber weiß Allah!«

      »Der Mann ist bekannt«, rief der Wachtmeister eifrig. »Sein Haus ist ganz in der Nähe. Komm, o du armer Misshandelter. Wir holen uns die Peitsche zurück.«

      Bei diesen Worten verschwand Rashîds Kummer wie von Zauberhand. Er ergriff die Hand des Wachtmeisters und streichelte sie, als sie zusammen weggingen. Ich folgte der Menge bis vor die Tür des Kutschers, ein schmutziger Eingang in einer schmalen Gasse, wo ich mich abwandte und zurück zum Khan eilte, um nicht entdeckt zu werden.

      Dort saß ich einige Minuten in meiner privaten Nische, als Rashîd triumphierend hereinkam und die berühmte Peitsche hochhielt. Der Wachtmeister begleitete ihn über den Hof. Zahllose Soldaten warteten am Tor, wie ich im Licht der großen Laterne erkennen konnte, die vom Bogen herabhing.

      »Allah sei gepriesen, ich hab sie gefunden!«, rief Rashîd.

      »Allah sei gepriesen, wir konnten Euer Ehren einen kleinen Gefallen tun«, rief der Wachtmeister. Dabei ergriff er meine Hand und küsste sie. Ich ließ beide Platz nehmen und bestellte Kaffee. Die beiden erzählten abwechselnd die Geschichte. Der Wachtmeister lobte Rashîds kluge Idee, hinauszugehen und auf einem öffentlichen Platz zu jammern, bis die Stadt und ihre gesamte Polizeimacht an seinem Kummer Anteil nahmen. Rashîd meinte hingegen, alles wäre vergeblich gewesen, hätte der Wachtmeister nicht das Haus des Kutschers gekannt. Der Wachtmeister räumte lachend ein, die Kenntnis hätte nichts genutzt, hätte Rashîd nicht erneut seinen scharfen Verstand bewiesen. Sie seien in das Haus eingedrungen – ein einziges Zimmer, beleuchtet nur von einer Öllampe auf dem Boden – und hätten es gründlich durchsucht, während der Kutscher ständig protestierte, seine Unschuld beteuerte und schwor, er habe noch nie im Leben eine Peitsche wie die beschriebene gesehen. Die Soldaten, die keine Peitsche finden konnten, neigten allmählich dazu, ihm zu glauben, als Rashîd, der alles aufmerksam beobachtete, bemerkte, dass die verschleierte Frau des Kutschers stocksteif dastand, und sie kräftig anrempelte, so dass sie quer durch das Zimmer stolperte. Da entdeckte man die Peitsche. Sie war unter ihren Unterröcken versteckt. Der Dieb bekam an Ort und Stelle eine ordentliche Tracht Prügel. Ob dies meiner Ansicht nach Strafe genug sei?, fragte der Wachtmeister.

      Wir entschieden, dass die Prügel ausreichten. Ich gab dem Wachtmeister ein kleines Geschenk, als er fortging. Rashîd begleitete ihn, nachdem er die nunmehr weitbekannte Peitsche versteckt hatte. Vermutlich besuchten sie irgendeine Taverne, um das wunderbare Abenteuer ausführlich zu besprechen, denn ich speiste allein und hatte mich schon eine Weile auf meiner Matratze ausgestreckt, ehe Rashîd eintrat und seine Decke neben mir ausbreitete.

      »Seid Ihr wach, o mein lieber Herr?«, flüsterte er. »Bei Allah, es war falsch, dem Wachtmeister Geld zu geben. Ich habe Euren Namen so berühmt gemacht, dass es für einen armen, dünnen Hund wie ihn schon genug gewesen wäre, Euch nur anzuschauen.«

      Dann schwieg er so lange, dass ich glaubte, er sei eingeschlafen. Doch plötzlich flüsterte er noch etwas: »O mein lieber Herr, vergebt mir die Störung, aber habt Ihr Euren Revolver sicher verwahrt?«

      »Bei Allah, ja! Hier, in Reichweite.«

      »Gut. Aber in Zukunft wäre es besser, wenn ich Eure Peitsche und Euren Revolver trage. Ich habe Euren Namen so berühmt gemacht, dass Ihr nichts tragen solltet.«

       Der höfliche Richter

      An jenem Tag, als wir für ein halbes Dutzend türkischer Offiziere eine Dinnerparty gaben, brachte Rashîd mir morgens um sieben Uhr dreißig meine Tasse Tee mit der Nachricht, man habe unseren Koch verhaftet. Besagter Koch war ein anständiger Moslem, aber hitzköpfig und in seinem Privatleben etwas unbeherrscht. Um sechs Uhr früh, als er sich auf unserer Türschwelle sonnte, fiel sein Blick auf ein paar junge Christen auf dem Weg zum College, in europäischer Kleidung, mit neuen Kalbslederhandschuhen und Spazierstöcken mit Silberknauf. Da ihn dieser schreckliche Anblick empörte und seinen Zorn weckte, griff er die Jungen wutentbrannt mit einer hölzernen Schöpfkelle an, schlug sie in die Flucht und jagte sie die ganze Akazienallee hinunter, durch zwei Vorstädte ins Herz der Stadt, wo ihre jämmerlichen Hilferufe ihm die Polizei auf den Hals hetzten. Rashîd, der hinterherlief und vergeblich versuchte, den Heiligen Krieger zu beruhigen, sah, wie man ihn verhaftete, während er immer noch die Kelle schwang, konnte mir aber nichts über sein weiteres Schicksal sagen, denn er hatte es an diesem Punkt als klug erachtet, sich zurückzuziehen, damit er nicht auch noch aus Versehen im Gefängnis landete.

      Ein trauriger Fall. Gleich nach dem Aufstehen und der Morgentoilette schrieb ich an Hamid Bey, den Vorgesetzten unserer geladenen Gäste, informierte ihn über das Missgeschick, das uns daran hinderte, ihm und seinen Kameraden ein Dinner auszurichten, das ihnen würdig sei. Bis ich fertig angezogen war, hatte Rashîd einen Boten gefunden, dem man die Nachricht mit der Anweisung überreichte, sich zu beeilen. Er musste die ganze Strecke hin und zurück gerannt sein, denn nach wenig mehr als einer halben Stunde stand er vor mir, außer Atem, mit schweißnasser Stirn, die nackten Beine dreckig bis zu den Knien. Rashîd tätigte gerade einige Einkäufe. Der Laufbursche gab mir eine Nachricht. Sie lautete:

      »Warum sich über Kleinigkeiten den Kopf zerbrechen? Natürlich freuen wir uns über alles, was Ihr uns anbietet. Wir kommen aus Freundschaft, nicht wegen des Essens.«

      Es gab ein Postskriptum:

      »Möchtet Ihr nicht den Richter aufsuchen?«

      Suleymân saß im Zimmer. Er war ein alter Bekannter, ein Mann von hoher Geburt, aber arm, ein professioneller Dragoman, der sich den Ruf erworben hatte, besonders weise zu sein. Hatte er sonst nichts zu tun, kam er unweigerlich zu mir, wo immer ich gerade wohnte oder lagerte. Er saß im Schneidersitz in einer Ecke, rauchte seine Narghîleh, umspielt von dünnen Lichtstrahlen, die durch die Jalousien fielen und in denen Staubkörnchen funkelten. Er nahm das Postskriptum beim Wort und rief: »Ein guter Rat. Warum also nicht? Lasst uns mit dem Richter reden.«

      Sprach’s, rollte den Schlauch seiner Narghîleh sorgfältig um das Gefäß, stand ebenso behutsam auf, warf einen weißen Staubmantel über seine Schultern, sah mich an und fragte: »Seid Ihr bereit?«

      »Aber ich kenne den Richter nicht.«

      »Ich ebenso wenig. Doch dies, mein Lieber, ist ein Makel, der sich leicht beheben lässt.«

      Wir fanden das Haus des Richters mühelos. Ein Diener teilte uns mit, der Ehrenwerte sei schon auf dem Weg zum Gericht. Wir nahmen eine Kutsche und verfolgten den Ehrenwerten. Beim Gericht fragten wir die zahlreichen Zeugen, die sich vor dem Eingang drängten; falsche Zeugen, die man kaufen konnte. Man sagte

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