Die Taube auf der Moschee. Marmaduke William Pickthall
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Читать онлайн книгу Die Taube auf der Moschee - Marmaduke William Pickthall страница 9
»Was geschah mit dem Mann, der eine grässlichere Frau als die seine suchte? Wie konnte er je eine finden?«, fragte Rashîd, als wir an jenem Abend im Gästezimmer des Dorfs zu Bett gingen, und erinnerte an Suleymâns unvollendete Geschichte über die törichte Frau und ihren Gatten und die unglückliche Kuh. Auch ich wollte den Rest der lehrreichen Mär hören. Nachdem wir Suleymân lang und breit darum gebeten hatten, stützte er sich auf seinen Ellbogen und erzählte weiter. Rashîd und ich lagen still unter unseren Decken.
»Wir sind bis zu der Stelle gekommen, meine Herren, als der gekränkte Gatte die Überreste der Kuh gesehen hatte und zu seiner Frau sagte: ›Ich werde nun die ganze Welt durchwandern, bis ich eine finde, die noch grässlicher ist als du. Und wenn ich keine finde, die grässlicher ist, gehe ich weiter, bis ich sterbe.‹ Nun, er reiste und reiste – einige sagen monatelang, andere jahrelang –, bis er ein Dorf im Libanongebirge erreichte, ein Dorf der Maroniten, die für ihre Arglosigkeit berühmt sind. Ihr Ruf, unbedarft zu sein, hatte ihn zu ihnen geführt.«
»Wie war sein Name?«, fragte Rashîd, der alles ganz genau wissen wollte.
»Sein Name?«, sagte Suleymân nachdenklich. »Sâlih.«
»War er Moslem?«
»Aye, ein Moslem, vermutlich … Obwohl er, das weiß nur Allah, auch Ismaelit oder Druse gewesen sein mag. Noch Fragen? Dann lasst mich fortfahren.
Er kam zu dem Dorf der Maroniten und warf, da er Durst hatte, einen Blick durch eine Tür. Er sah den Dorfpriester und dessen ganze Familie, wie sie ein dickes Schaf mit Maulbeerbaumblättern stopften. Das Schaf war in der Mitte der Treppe angebunden, die zum Dach führte. Der Priester und seine Frau saßen zusammen mit ihrer ältesten Tochter davor auf dem Boden in einem Haufen Maulbeerbaumzweigen, und all die anderen Kinder saßen hintereinander auf den Stufen und reichten die gepflückten Blätter nach oben zur zweitältesten Tochter, deren Aufgabe es war, das Schaf zum Weiterfressen zu zwingen. Sie würden so lange weitermachen, bis das Schaf zu dick zum Stehen wäre und auf die Seite kippte. Dann wollten sie es schlachten, um für das ganze kommende Jahr genug Fett zu haben.
Sie waren so eifrig bei der Sache, dass sie den Fremden an der Türschwelle nicht bemerkten, bis er rief: »Frieden diesem Hause« und freundlich um einen Schluck Wasser bat. Sogar dann ließ sich der Priester nicht stören, sondern sagte ›Itfaddalû!‹ und deutete auf einen an der Wand stehenden Krug. Der Gast sah hinein, doch das Gefäß war leer.
›Kein Wasser drin‹, sagte er.
›Oh‹, seufzte der Priester, ›heute sind wir von der Arbeit so durstig, dass wir ihn leergetrunken haben, und so beschäftigt, dass die Kinder vergessen haben, ihn aufzufüllen. Steh auf, o Nesîbeh, nimm den Krug auf deinen Kopf, eile zur Quelle und bring Wasser für unseren Gast.‹
Das Mädchen Nesîbeh, es war vierzehn Jahre alt, stand gehorsam auf und schüttelte die Maulbeerbaumblätter und Raupen von seinem Gewand. Es nahm den Krug und ging durch das Dorf zur Quelle, die einem Felsen unter einem gewaltigen Birnbaum entsprang.
So viele Leute holten gerade Wasser, dass Nesîbeh sich nicht vordrängen konnte, also setzte sie sich, um zu warten, bis sie an die Reihe kam, auf einen schattigen Platz. Sie war von Natur aus nachdenklich, und während sie wartete, sprach sie zu ihrer Seele: ›O Seele, ich bin schon ein großes Mädchen. In ein, zwei Jahren vermählt mich meine Mutter mit einem anständigen Mann. Im Jahr darauf habe ich einen kleinen Sohn. Ein, zwei Jahre später ist er alt genug, um herumzulaufen, und sein Vater fertigt für ihn ein Paar roter Schühchen, und er wird zu dieser schönen Quelle kommen, wie es alle Kinder tun, um im Wasser zu plantschen. Da er ein wagemutiger Bursche ist, wird er auf den Baum klettern.‹
Und dann, als ihr Blick auf einen großen Ast fiel, der wie ein ausgestreckter Arm hervorragte, merkte sie, wie gefährlich es für Kinder war, auf den Baum zu klettern.
›Er wird herunterfallen und sich das Genick brechen.‹
Sofort begann sie untröstlich zu weinen und machte dabei solch einen Lärm, dass sich alle, die gekommen waren, um Wasser zu holen, um sie scharten und fragten: ›O Nesîbeh, was fehlt dir?‹
Und zwischen ihren Schluchzern antwortete sie: ›Ich bin schon ein großes Mädchen.‹
›Das stimmt, o Vielgeliebte!‹
›In ein, zwei Jahren wird meine Mutter einen Mann für mich finden.‹
›Höchstwahrscheinlich.‹
›Im Jahr darauf habe ich einen kleinen Sohn.‹
›So Gott will!‹, murmelte die Menge fromm.
›Ein, zwei Jahre später ist er alt genug, um herumzulaufen, und sein Vater fertigt für ihn ein Paar roter Schühchen, und er wird mit den anderen Kindern zu dieser schönen Quelle kommen und auf den Baum klettern. Und … oh! … Seht den großen, vorragenden Ast. Von dem wird er abrutschen, herunterfallen und sich das Genick brechen! Ach, wehe!‹
Daraufhin riefen die Leute: ›O grausames Schicksal!‹, und viele zerrissen ihre Kleider. Sie sanken rund um Nesîbeh zu Boden, wiegten sich hin und her und klagten: ›Ach, mein kleiner Nachbar. Mein armer, lieber, kleiner Nachbar! Ach, hättest du lang gelebt, um mich zu begraben, mein kleiner Nachbar!‹1
Derweil wurde der Fremde, der auf das Wasser wartete, ungeduldig und wagte erneut, das Schafstopfen zu stören, indem er bemerkte, das junge Mädchen mit ihrem Krug sei überfällig. ›Das stimmt‹, sagte der Dorfpriester und schickte seine zweitälteste Tochter aus, um der ersten Beine zu machen. Das Mädchen lief rasch zur Quelle und sah die ganze Dorfbevölkerung weinend um ihre Schwester am Boden sitzen. Sie fragte, was los sei. Sie antworteten: ›Großes Leid! Deine Schwester – arme, verwirrte Mutter! – sagt dir, worum es geht.‹ Sie lief zu Nesîbeh, die stöhnte: ›Ich bin schon ein großes Mädchen. In ein, zwei Jahren vermählt mich meine Mutter mit einem Mann. Im Jahr darauf habe ich einen kleinen Sohn. Ein, zwei Jahre später ist er alt genug, um herumzulaufen. Sein Vater fertigt für ihn ein Paar roter Schühchen. Er wird zu dieser schönen Quelle kommen, um wie alle Kinder zu spielen. Er auf klettert auf den Baum, fällt von diesem vorragenden Ast und bricht sich das Genick.‹
Bei dieser traurigen Nachricht vergaß das zweite Mädchen seinen Auftrag. Es warf den Rock über den Kopf und begann zu schreien: ›Ach, mein kleiner Neffe! Mein armer, kleiner Neffe! Bei Gott, hättest du lang gelebt, um mich zu begraben, mein kleiner Neffe!‹ Und auch sie setzte sich zu den anderen auf den Boden, um sich ihrem Kummer hinzugeben.
Der Dorfpriester sagte: ›Auch die Zweite ist überfällig. Ich schicke noch ein Kind los, doch du, o Fremder, musst seinen Platz auf den Stufen einnehmen, sonst würde das Stopfen zu lange unterbrochen.‹
Der Fremde tat, worum man ihn gebeten hatte, während ein Kind nach dem anderen losgeschickt wurde, bis er alleine übrig blieb, um die frischen Blätter hinaufzutragen und dem Schaf ins Maul zu stopfen. Immer noch kam niemand zurück.
Die Frau des Dorfpriesters ging selbst los und meinte, ihr Mann und der Fremde könnten die Arbeit allein erledigen. Das taten sie lange Zeit, doch niemand kam zurück.
Schließlich stand der Priester auf und sagte: ›Ich gehe selbst und werde sie verprügeln, weil sie so lang fortbleiben. Füttert derweil das Schaf, o Fremder. Lasst nicht davon ab, die Blätter hinaufzutragen und es damit zu stopfen,